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Interstellarer Staub könnte einst Erde gekühlt haben

Heute, 08:00 · Lesedauer 4 min

Es muss nicht unbedingt - wie im Science-Fiction-Buch und -Film "Die wandernde Erde" - ein Komplettumzug unseres Heimatplaneten aus dem Sonnensystem heraus sein. Er bewegt sich auch samt Sonne und Co durch die kosmische Umgebung. Wo das Ensemble hier zuletzt vorbeigekommen ist, hat ein Team von der Universität Wien analysiert. Demnach könnte interstellarer Staub die Erde vor rund 14 Millionen Jahren mit abgekühlt haben, heißt es im Fachblatt "Astronomy html5-dom-document-internal-entity1-amp-end Astrophysics".

Wird unsere Heimat in dem chinesischen Science-Fiction-Gedankenexperiment von riesigen Motoren angetrieben, um der sich gefährlich vergrößernden Sonne auszuweichen, so rotiert in der Realität unser Sonnensystem samt "Fixstern" in ihrer Mitte um das Zentrum unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Anhand von neuen Daten, die über die vergangenen mehr als zehn Jahre hinweg von der europäischen Raumsonde "Gaia" gesammelt wurden, konnte in den vergangenen Jahren die größte und genaueste Karte unserer Galaxie erstellt werden. Dies erlaube aber auch eine Art Rückblick in die Zugbahn unseres Sonnensystems über Jahrmillionen hinweg durch verschiedene kosmische Strukturen, heißt es am Dienstag in einer Aussendung der Uni Wien.

Quasi in unserer unmittelbaren Nachbarschaft findet sich eine riesige, gashaltige, wellenförmige Struktur, die nicht in der Ebene der Milchstraße, sondern geneigt dazu - ober- und unterhalb der galaktischen Scheibe - liegt. Dass es sich bei dieser großräumigen Ansammlung von Gaswolken mit jungen Sternen und Sternentstehungsgebieten um eine wellenförmige Struktur im lokalen Arm der Milchstraße handelt, konnten Wiener Forscher um João Alves und US-Kollegen kürzlich zeigen. Sie tauften die Struktur im Jahr 2024 im Fachjournal "Nature" auf den Namen "Radcliffe-Welle".

Den neuen Analysen der Wissenschafter um Studien-Erstautor Efrem Maconi zufolge ist unser Sonnensystem vor geraumer Zeit noch weit enger mit dieser Struktur in Berührung gekommen. Wahrscheinlich im Zeitraum vor 14,8 bis 12,4 Millionen Jahren durchwanderte es demnach den zur Radcliffe-Welle gehörenden Orion-Sternentstehungskomplex im bekannten Sternbild des "Orion". In dieser Region befindet sich mehr interstellarer Staub als in anderen kosmischen Umgebungen.

Mögliche, kleine Klima-Effekte auf unseren Heimatplaneten

Das Wandern durch eine solche, relativ dichte Weltraum-Region könnte durchaus auch einen gewissen Einfluss auf die Verhältnisse auf der Erde gehabt haben, vermuten die Forscherinnen und Forscher. So könnte während der Passage des Orion-Komplexes die Heliosphäre, also jene aus dem Sonnenwind gebildete schützende Plasmablase um unser Sonnensystem, sozusagen etwas zusammengedrückt worden sein. Das hätte dann auch den Eintrag an interstellarem Staub auf der Erde erhöht.

"Wir durchquerten die Orion-Region, als sich bekannte Sternhaufen wie NGC 1977, NGC 1980 und NGC 1981 bildeten", wird Alves zitiert. Interessant sei, dass diese Begegnung mit einer Episode der klimatischen Veränderung vor rund 14 Mio. Jahren zusammenfällt. Im damaligen "mittleren Miozän" wurde es langsam kühler, und es bildeten sich Vorläufer des antarktischen Eisschildes. Im Vergleich zum menschgemachten Klimawandel heute, der sich in nur wenigen Jahrzehnten massiv auswirkt, ging die einstige Abkühlung aber über hunderttausende Jahre vonstatten.

Wohin geht die Reise noch?

Für die Wissenschafter ist nicht auszuschließen, dass der Staub aus dem All zu der Gesamtentwicklung zumindest beigetragen haben könnte. Als Hauptverursacher kommt das Phänomen aber nicht in Frage: "Um eine solche Klimabeeinflussung zu erzeugen, müsste die Menge an extraterrestrischem Staub auf der Erde jedoch entscheidend größer sein, als die bisherigen Daten vermuten lassen", so Maconi zu den Erkenntnissen aus der Arbeit, die Astrophysik, Paläoklimatologie und Geologie verbindet.

Der mögliche Beitrag soll aber noch genauer analysiert werden: Denn in Zukunft könnte vielleicht die Staubmenge besser abgeschätzt werden, wenn radioaktive Elemente aus dem kosmischen Niederschlag noch exakter festgestellt werden können. Überdies wollen die Wissenschafter aus den Gaia-Daten auch abschätzen, welche anderen Weltallregionen die Erde in fernerer Zukunft noch besucht.

(S E R V I C E - https://doi.org/10.1051/0004-6361/202452061)

Zusammenfassung
  • Ein Forscherteam der Universität Wien hat herausgefunden, dass interstellarer Staub die Erde vor etwa 14 Millionen Jahren abgekühlt haben könnte.
  • Zwischen 14,8 und 12,4 Millionen Jahren durchquerte das Sonnensystem den Orion-Sternentstehungskomplex, was mit einer klimatischen Abkühlung im mittleren Miozän zusammenfällt.
  • Obwohl der Staub zur Klimaveränderung beigetragen haben könnte, reicht die Menge nicht aus, um als Hauptverursacher zu gelten.