Impfempfehlung gegen Affenpocken ausgeweitet - Wien befürchtet Mangel
Eine Affenpocken-Impfung ist für die allgemeine Bevölkerung gegen nicht vorgesehen und wird weiter nicht empfohlen. Der Kreis derer, die geimpft werden sollen bzw. können, wird jedoch ausgeweitet.
Bisher bestand eine Affenpocken-Impfempfehlung nur für Personal in spezialisierten Laboren, die mit Orthopoxviren arbeiten, Kontaktpersonen, die engen körperlich Kontakt zu bestätigten Fällen hatten, und Personen im Umfeld eines lokal gehäuften Auftretens beschränkt.
Gesundheitspersonal, Personen mit wechselnden Sexualpartnern
Jetzt kommt die prophylaktische Schutzimpfung gegen MPX (Affenpocken) für Gesundheitspersonal und Laborpersonal mit direktem Viruskontakt, vor allem aber für Personen über 18 Jahren mit multiplen Sexualkontakten in Betracht, wie das Gesundheitsministerium am Dienstag per Presseaussendung mitteilte. Dazu zählen insbesondere Männer, die häufig Sexualkontakt mit wechselnden Männern haben - laut WHO eine von MPX besonders stark betroffene Gruppe.
Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne) begrüßte die neue Empfehlung des NIG. Diese werde "dazu beitragen, dass sich die Impfstoff-Knappheit reduziert und deutlich mehr Menschen der Zugang zu einer Schutzimpfung offensteht." Die Nachricht sei "besonders in der LGBTIQ+-Community bereits erwartet und erhofft worden", betonte Rauch.
Nur ein Fünftel-Dosis für Prävention
Möglich wurde die jüngste Entwicklung, nachdem die EU-Arzneimittelbehörde EMA am vergangenen Freitag eine Empfehlung für den effizienteren Einsatz des Affenpocken-Impfstoffes veröffentlicht hatte. Demnach reicht für eine präventive Anwendung ein Fünftel der herkömmlichen Dosis, wenn das Präparat nicht subkutan - unter die Haut - gespritzt wird, sondern intradermal, also in die Haut. Dieses Vorgehen kommt Österreich entgegen, das nicht unbedingt mit Impfstoff gegen die Affenpocken gesegnet ist.
Nur 4.340 Dosen in Österreich
Denn während Deutschland 250.000 Impfdosen bestellt hat und in Frankreich bereits 180 MPX-Impfzentren betrieben werden, hat Österreich bisher 4.340 Dosen des Vakzins von Imvanex/Jynneos erhalten, die nach einem Schlüssel auf die Bundesländer aufgeteilt wurden. Von einer ersten Tranche hatte Wien als 1,9 Millionen-Stadt ganze 500 Dosen erhalten, wobei zunächst davon ausgegangen wurde, dass für eine umfängliche Schutzwirkung zwei Dosen verabreicht werden müssen. Da der Erlass des Gesundheitsministeriums zwingend umzusetzen war, wurden in der Bundeshauptstadt entsprechend den Vorgaben bisher nur sieben spezielle Labormitarbeiter und 65 Kontaktpersonen geimpft, wie es auf APA-Anfrage aus dem Büro von Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) hieß. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer auf Infektionskrankheiten spezialisierten Arztpraxis, in der 103 MPX-Fälle behandelt wurden, konnten sich nicht impfen lassen.
Wien befürchtet Knappheit
Die Stadt Wien geht davon aus, dass man mit dem vorhandenen Impfstoff nicht auskommen wird, um die nunmehrige NIG-Empfehlung umsetzen zu können. "Weder die derzeit verfügbare noch die für das erste Quartal 2023 in Aussicht gestellte Maximalmenge sind ausreichend, sämtliche Zielgruppen zu erreichen", hieß es gegenüber der APA aus dem Büro des Gesundheitsstadtrats. Die Entscheidungen über Zielgruppen treffe "jedenfalls der Gesundheitsminister, erst recht dann, wenn offenbar zu wenig Impfstoff zur Verfügung steht".
Der Stadt Wien sind - was Impfdosen betrifft - bis Ende 2022 keine weiteren Liefertermine und -mengen bekannt, hieß es am Dienstagabend gegenüber der APA. Es gäbe allerdings ein Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 20. August, "in dem gesagt wird, dass sich die Bundesländer selbst Impfstoff für eine Lieferung frühestens im ersten Quartal 2023 kaufen können". Dabei wären die Mengen stark limitiert, innerhalb dieses Limits durch die Bundesländer wählbar und auch von den Ländern selbst zu bezahlen. Da es sich bei MPX um eine meldepflichtige Krankheit und damit eine Bundessache handle, verlangte Wien mit Nachdruck "eine Strategie des Gesundheitsministeriums zum weiteren Verfahren rund um die Affenpockenimpfungen".
"Ohne mehr Impfstoff keine Lösung"
Für SPÖ-LGBTIQ+-Sprecher Lindner ist die Ausweitung der MPX-Impfung "ein erster Schritt im Kampf gegen das Virus". Klar sei aber, "dass das allein ohne mehr Impfstoff keine Lösung der aktuellen Situation darstellt", wie er am Dienstagabend notierte. In Berlin allein würden im Sommer mehr als 10.000 Dosen verimpft. "Warum lässt der zuständige Minister zu, dass Österreich einmal mehr so hinterherhinkt?", fragte sich Lindner in einer Aussendung. Er verlangte "eine bundesweite Kraftanstrengung, um endlich in direkten Verhandlungen mit den Herstellern mehr Impfdosen für Österreich anzukaufen", und kündigte in diesem Zusammenhang eine parlamentarische Initiative an.
Vor allem in der LGBTIQ+-Community ist Interesse an dem Impfstoff vorhanden. Die "Wiener Zeitung" hatte zuletzt den Infektiologen Norbert Nowotny zitiert, demzufolge der typische MPX-Patient männlich und zwischen 20 und 40 Jahre alt ist. Ältere seien durch die bis 1981 verpflichtende Pocken-Impfung zu rund 85 Prozent auch gegen Affenpocken geschützt
Grüne: Jeder und jede kann Affenpocken bekommen
Marco Schreuder, Bundesrat der Grünen und Aktivist der Grünen Andersrum, warnte im Zusammenhang mit MPX vor der Stigmatisierung homosexueller Männer, an die er sich persönlich noch aus Zeiten der Aids-Krise in den Achtziger- und Neunziger-Jahren erinnern könne. "Männer, die Spaß mit Männern haben, sind für die Affenpocken nicht verantwortlich zu machen. Bekommen kann es jede und jeder durch engen Körperkontakt. Es ist nur diese eine Gruppe, die bisher am schwersten betroffen ist, und deshalb hat diese Gruppe auch jeden Support verdient", bemerkte Schreuder in einer Aussendung.
Zusammenfassung
- 217 Affenpocken-Fälle sind zuletzt in Österreich verzeichnet worden, die Dunkelziffer dürfte um ein Mehrfaches darüber liegen.
- Das Nationale Impfgremium reagiert darauf: Neben Gesundheitspersonal wird die Impfung nun auch "Personen mit individuellem Risikoverhalten" empfohlen.
- Wien befürchtet, dass zu wenig Impfstoff da ist.
- Vor allem in der LGBTIQ+-Community ist Interesse an dem Impfstoff vorhanden.