Anzeigen zur Cyberkriminalität in Österreich sinken leicht
Holzer wurde am 1. Februar 2021 zum BK-Direktor ernannt. Sein Ziel, wie er es auch nun formulierte, war das Bundeskriminalamt zukunftsfit zu machen und die internationale Zusammenarbeit auszubauen. Darüber hinaus sollte - und soll - das BK als zentrale Koordinationsstelle der Kriminalpolizei etabliert werden.
"Ich will der Präsentation der Kriminalstatistik nicht vorgreifen - aber was sinkt, ist der Internetbetrug", erläuterte Holzer. Während die Zahlen etwa bei der Cyberkriminalität im engeren Bereich - Beispiel Hackerangriffe - weitgehend konstant geblieben sind, gingen sie bei denen im weiteren Bereich zurück, bei dem das Internet zum Beispiel als Kommunikationsplattform bzw. als Mittel zum kriminellen Zweck genutzt wird. Was die Gründe für diesen Rückgang sind, müsse man sich im Detail ansehen, außerdem sei der Referenzbereich noch zu kurz. Aber: "Unwissenschaftlich - wir haben schon sehr viel präventiv und in den Ermittlungen gemacht in dem Bereich und viele Zielgruppen erreicht", betonte Holzer. Anzeigen wegen Cyberdelikten gingen demnach von 65.864 im Jahr 2023 um rund sechs Prozent zurück. Auch die Anzeigen wegen Missbrauchsdarstellungen Unmündiger sind demnach leicht im Sinken begriffen.
Bemerkenswert ist der Rückgang in dem Deliktsbereich allemal, wies die Kriminalstatistik bisher noch jedes Jahr teils exorbitante Steigerungen aus. Für die Gesamtkriminalität erwartet der BK-Chef eine leicht steigende Tendenz. Es ist demnach von rund 530.000 Delikten mit etwa 330.000 Tatverdächtigen auszugehen. Mehr als ein Drittel der Strafanzeigen - rund 36 Prozent - betrifft die Bundeshauptstadt. Von den 330.000 Verdächtigen wurden rund 100.000 in Wien ausgeforscht. Die Aufklärungsquote wird österreichweit Holzer zufolge wieder über 50 Prozent liegen.
47 Prozent der Tatverdächtigen sind laut dem BK-Direktor ausländische Staatsbürger. Im Zehn-Jahres-Vergleich (von 2015 bis 2024) ist der Anteil ausländischer Tatverdächtiger nach den Zahlen des BK um rund zehn Prozent gestiegen. Am häufigsten wurden im vergangenen Jahr rumänische Staatsbürger in Österreich straffällig, gefolgt von Deutschen. Bereits an dritter Stelle kamen syrische Staatsbürger: "Das war 2015 noch nicht so. Da waren sie nicht unter den Top Ten", sagte Holzer. Demnach gab es viele ausländische Tatverdächtige aus Syrien bei Diebstählen, Einbruchsdiebstählen und Körperverletzungen. Eine Steigerung war auch bei Suchtmitteldelikten zu verzeichnen, bei denen nicht-österreichische Staatsbürger sowohl als Konsumenten als auch als Händler auffielen.
Mehr Anzeigen zur Organisierten Kriminalität durch Operation Achilles
Bei den klassischen Delikten ist in den meisten Fällen eine eher sinkende Tendenz zu beobachten. Holzer wies aber auf zwei Bereiche mit gegenläufigem Trend hin. "Auffallend sind die Einbrüche in Kraftfahrzeuge, da registrieren wir eine signifikante Steigerung." Daneben gab es auch in der Sparte Kriminelle Vereinigungen und Organisierte Kriminalität - also Anzeigen nach den Paragrafen 278 und 278a Strafgesetzbuch - starke Zuwächse. Das ist dem BK-Direktor in erster Linie den Aktivitäten der AG Achilles zu verdanken. Diese wühlt sich seit mehreren Jahren durch einen Wust an Chats aus Krypto-Messengerdiensten, die ihnen von befreundeten Ermittlungsbehörden zur Verfügung gestellt wurden. Dabei wird gegen insgesamt rund 7.000 Tatverdächtige in Österreich ermittelt. Die Delikte reichen von Mord, Erpressungen und Entführungen bis zum internationalen Suchtmittelhandel. "Die Aufklärungsquote bei der Organisierten Kriminalität (OK) liegt bei rund 80 Prozent", resümierte Holzer.
Überwachung von Messenger-Diensten "ein Muss"
Im Hinblick auf die OK-Ermittlungen erneuerte der BK-Chef seine Forderung, Messenger-Dienste überwachen zu können: "Das ist ein Muss. Diese Möglichkeiten nicht zu haben, ist eine Katastrophe. Wer von den Kriminellen telefoniert denn noch klassisch?", fragte Holzer. Die Telefonüberwachung sei ja im Übrigen zulässig. Er verwies auf viele Sicherheitsstufen, die eingebaut wären, vom Antrag der Staatsanwaltschaft über den richterlichen Auftrag bis zu einem Rechtsschutzbeauftragten. "Ich fordere das auch zum Schutz der Bevölkerung. Wie kommt diese dazu, dass die Polizei aufgrund der fehlenden Befugnisse nicht zeitgemäß arbeiten kann?", so der BK-Direktor.
Auch internationale Kooperationen seien in Gefahr, wenn die Ermittler die Möglichkeit der Überwachung von Messenger-Diensten nicht bekommen, sagte Holzer. "Das ist ein Geben und Nehmen. Wenn die ausländischen Partner immer etwas liefern und nie etwas bekommen, dann werden sie sich irgendwann denken, dass sie von dieser Kooperation nichts haben. Wir halten das System derzeit aufrecht, weil sie unsere Kompetenz schätzen und uns mögen."
Mehr unmündige Tatverdächtige nicht nur in Wien
Sorgen bereiten dem BK-Direktor die steigenden Zahlen unmündiger Tatverdächtiger. Das sei nicht nur ein Wiener Problem, "sondern da haben alle Bundesländer in dem Bereich ein Problem". Skeptisch beurteilte er die im Wahlkampf zur Nationalratswahl aufgetauchte Diskussion um eine Herabsetzung der Strafmündigkeit. "Das allein durch das Strafrecht zu lösen, ist meiner Meinung nach zu wenig", sagte Holzer. "Die Maßnahme allein produziert volle Gefängnisse, aber produziert nicht Änderung im Verhalten. Daher müsste man sich ansehen, wie kann man das gesamtgesellschaftlich flankieren." Das Problem sei mit polizeilichen Mitteln allein wohl kaum zu lösen.
Bei seiner Bestellung vor vier Jahren sei er mit der Vision angetreten, aus dem Bundeskriminalamt - "das mir mein Vorgänger Franz Lang in sehr gutem Zustand übergeben hat" - ein zukunftsfittes Amt zu machen. Das BK sei die "Zentraldienststelle der Kriminaldienste mit mittlerweile über 800 Mitarbeitern in acht Abteilungen" - sieben reguläre und die Abteilung Menschenhandel und Schlepperei als provisorische, aus der Holzer möglichst schnell eine reguläre machen will. Ein zentrales Anliegen sei ihm die weitere Etablierung des Cybercrime Kompetenzcenters C4, "das mittlerweile hohes Ansehen genießt" und das Holzer ebenfalls als einen der Faktoren für den Rückgang des Kriminalitätsaufkommens in diesem Bereich sieht.
Umsetzung der Kriminaldienstreform "essenziell für die Zukunft"
Die Kriminaldienstreform - Anfang September 2023 präsentiert - befindet sich nach wie vor in der Umsetzung. Die meisten Kriminalassistenzstellen in den Bundesländern sind laut Holzer eingerichtet. In Linz gibt es bereits das Cybercrime-Trainingscenter, von dem sich der BK-Leiter einiges für die Ausbildung der Polizisten verspricht. Dies wird sukzessive in allen Bundesländern eingerichtet. Darüber gibt es Kooperationen mit drei Handelsakademien - in Tamsweg in Salzburg, Horn in Niederösterreich sowie Wien-Floridsdorf -, über die Schülerinnen und Schüler für den Polizeidienst und vor allem für die Arbeit als Cyberermittler begeistert werden sollen, bevor sie in das Berufsleben einsteigen. Das - wie auch Kooperationen mit Universitäten - soll den Wettbewerbsnachteil beim Rittern um die besten Cyberexperten - Stichwort Einstiegsgehälter zumindest teilweise ausgleichen. "Wer im Lebenslauf zwei, drei, vier Jahre Bundeskriminalamt stehen hat, dem gibt das schon einen Schub", zeigte sich Holzer überzeugt.
Klar ist für Holzer unabhängig von der künftigen politischen Konstellation in Österreich und im Innenministerium: "Die Umsetzung der Reform ist essenziell für die Zukunft." Dass das nicht unbedingt an seiner Person hängen muss, ist dem BK-Chef auch klar: "Das Bundeskriminalamt wird nicht zusammenbrechen, wenn es den Holzer nicht mehr gibt", sagte er im Hinblick auf die nächstes Jahr anstehende Verlängerung seines Vertrages. "Ich würde das natürlich gerne weitermachen, es gibt noch viel umzusetzen und ich brenne für die österreichische Kriminalpolizei."
Zusammenfassung
- Die Anzeigen zur Cyberkriminalität in Österreich sind 2024 um rund sechs Prozent gesunken, vor allem im Bereich Internetbetrug.
- Andreas Holzer, Direktor des Bundeskriminalamtes, führt den Rückgang auf präventive Maßnahmen und Ermittlungen zurück.
- Die Gesamtkriminalität zeigt eine leicht steigende Tendenz mit rund 530.000 Delikten und 330.000 Tatverdächtigen.
- 47 Prozent der Tatverdächtigen sind ausländische Staatsbürger, wobei der Anteil in zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen ist.
- Ein signifikanter Anstieg der Anzeigen ist im Bereich der Organisierten Kriminalität durch die Operation Achilles zu verzeichnen.