"Unterwerfung": ÖVP-Parteiaustritte wegen Blau-Türkis
Die Hinwendung der ÖVP zur FPÖ trotz Anti-Kickl-Kurs im Wahlkampf hat nicht nur bei den Wähler:innen für Kritik gesorgt. Auch innerparteilich brodelt es wegen des Bruchs mit dem einstigen Wahlversprechen.
So hatte der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler schon in mehreren Interviews offen darüber nachgedacht, der Partei den Rücken zu kehren, sollte die ÖVP mit der FPÖ Ernst machen. Bei Fischler ist es freilich nur die letzte in einer jahrelangen Reihe von Austrittsabsichtserklärungen.
Im Vorfeld der niederösterreichischen Gemeinderatswahlen hatten sich Bürgermeister:innen vieler Gemeinden bewusst von der Bundes-ÖVP abgegrenzt, wie PULS 24 berichtete. An der Parteibasis herrscht also Unmut.
Austritte im "einstelligen Bereich"
In Kärnten halten sich Parteiaustritte noch in Grenzen, drei ÖVP-Mitglieder seien aufgrund der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ ausgetreten, ließ Landesgeschäftsführerin Julia Löschnig PULS 24 wissen.
Es seien aber auch wegen der Verhandlungen zur Zuckerlkoalition Parteiaustritte angekündigt worden. Eine "hundertprozentige Zustimmung aller Parteimitglieder" werde man "nie bekommen", stellt sie klar.
Auch aus der ÖVP Tirol heißt es, dass es Mitglieder gebe, die Blau-Türkis "nicht bevorzugen" würden. Austritte würden sich aber in "sehr engen Grenzen halten", will man auf mehrmaliger Nachfrage von PULS 24 keine genaue Zahl nennen. Man bedauere allerdings jeden Parteiaustritt.
In Oberösterreich und Niederösterreich "haben wir keine signifikanten Veränderungen der Mitgliederzahlen festgestellt", so die offizielle Sprachregelung der Schwarzen in den zwei Bundesländern. Eine Anfrage zu den genauen Zahlen blieb in beiden Fällen unbeantwortet.
In Vorarlberg verzeichnete man auf Funktionärsebene keine Austritte. Mitgliederaustritte würden sich "im einstelligen Bereich" bewegen, will man die genaue Zahl auch im Ländle nicht verlautbaren. In einem ÖVP-nahen Verein "Vorarlberg50plus", dem Nachfolger des ÖVP-Seniorenbundes, hat sich indes ein Mitglied für einen Ausstieg aus dem Verein entschieden, wie "Profil" berichtete.
Zudem habe der Präsident der Arbeiterkammer Vorarlberg, Bernhard Heinzle, konkrete Austrittsabsichten. Dem "Standard" erklärte er, er überlege, "persönliche Konsequenzen" zu ziehen, sollte es tatsächlich zu einer Koalition mit den Blauen kommen.
"Unterwerfung" der ÖVP sei Grenzüberschreitung
Konsequenzen gibt es auch beim ÖVP-nahen Wirtschaftsbund. Im Salzburger Thennengau legt etwa der Obmann des Wirtschaftsbundes Hallein, Christopher Haberstatter, alle seine Funktionen im Wirtschaftsbund, der Wirtschaftskammer Salzburg und die Mitgliedschaft in der ÖVP zurück.
Selbiges tat auch der Obmann-Stellvertreter Harald Wasserbacher. Die "Unterwerfung der ÖVP" sei eine "Überschreitung der Grenzen", ließ man auf Facebook wissen.
In Salzburg insgesamt habe es "einige Austritte" gegeben, die zahlenmäßig "nicht besorgniserregend" seien, berichtet die "Kleine Zeitung". Eine PULS 24 Anfrage blieb unbeantwortet.
"Bin derartig angefressen"
In Wien hat der frühere Vizebürgermeister und ÖVP-Wien-Chef Bernhard Görg einen Austritt in Erwägung gezogen. Er halte dies für "eine selbstverständlich klare Option". "Ich bin derzeit derartig angefressen auf meine Partei", sagte er im "Wien heute"-Interview.
Entgegen der restlichen Bundesländer (aus dem Burgenland gab es bisher keine Antwort) erklärte die Volkspartei Steiermark auf PULS 24 Anfrage, dass "unsere Direktmitglieder seit Anfang des Monats sogar deutlich mehr geworden sind".
Video: Nachgefragt bei Fischer und Fischler
Zusammenfassung
- Die Hinwendung der ÖVP zur FPÖ trotz Anti-Kickl-Kurs im Wahlkampf hatte nicht nur bei den Wähler:innen für Kritik gesorgt.
- Auch innerparteiisch brodelt es ob des Bruchs mit dem einstigen Wahlversprechen.
- So hatte der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler schon in mehreren Interview offen darüber nachgedacht, der Partei den Rücken zu kehren, sollte die ÖVP Kickl zum Kanzler machen.
- Aber auch Mitglieder auf Länderebene erwägen einen Austritt oder machten damit bereits Ernst. Diese würden sich aber im "einstelligen Bereich" bewegen, sagte man PULS 24 in Vorarlberg.
- In Kärnten seien drei Mitglieder wegen der Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ ausgetreten.
- Im Wirtschaftsbund in Hallein zogen sich Obmann und Obmann-Stellvertreter zurück.