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Anklage wegen Lobautunnel? Gewessler "setzt sich über Gesetz hinweg"

Verfassungsrechtler Heinz Mayer stellte wegen des Baustopps des Lobautunnels eine Ministeranklage gegen Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) in den Raum. Sollte sie der Asfanag die Weisung zum Baustopp gegeben haben, könne das "zivil- und strafrechtliche Folgen" haben. Sie handle "außerhalb ihrer Zuständigkeit".

Vergangenes Jahr stoppte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) das heftig umstrittene Bauprojekt Lobautunnel, der unter dem Naturschutzgebiet verlaufen soll. Das Projekt flog aus dem Bauprogramm der Asfinag. Doch schon damals war der Widerstand von Seiten der Stadt groß, am Mittwoch pochte die Wirtschaftskammer Wien (WKW) erneut auf den Bau. 

Ministeranklage möglich

Sie lud zur Pressekonferenz, bei der auch Verfassungsjurist Heinz Mayer, der dazu im Auftrag der WKW ein Rechtsgutachten erstellte, klar erläuterte, warum Gewessler gar nicht das Recht habe, den Bau zu stoppen. Laut Mayer sei sogar eine Ministerklage gegen Gewessler im Bereich des Möglichen, sollte diese eine Weisung an die Asfinag zur Einstellung des Baus erteilt haben.

Eine solche Weisung des Ministeriums an die Asfinag ist laut Mayer nicht möglich und rechtswidrig. "Das letzte Wort hat nicht ein Verwaltungsorgan, sondern der Gesetzgeber", so der Verfassungsexperte. "Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministerklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen." Wenn man die Weisung lese, die an die Vorstände ergangen sei, habe man das Gefühl, dass diese behandelt werden "wie eine Unterbehörde". "Das geht nicht", so Mayer. 

"Außerhalb ihrer Zuständigkeit"

Wenn Gewessler sage, der Lobautunnel käme nicht, "setzt sie sich über das Gesetz hinweg und nicht nur das Gesetz, sondern auch eine klare Entscheidung ihres Ministeriums". "Wenn sie sagt, der Tunnel kommt nicht, arbeitet sie außerhalb ihrer Zuständigkeit", kritisiert der Verfassungsrechtler und zieht mit der Ministerin scharf ins Gericht: "Eine rechtsstaatliche Gesinnung beweist sich dann, wenn man sie zur Kenntnis nimmt, wenn sie sich von der eigenen Meinung unterscheidet. Man könne das Gesetz ändern, dann muss man sich eine Mehrheit suchen. Aber darüber hinwegsetzen geht nicht."

Mayer zum Lobautunnel-Baustopp: Gewessler "hat das nicht zu entscheiden"

Auch die Aussage der Ministerin, das Projekt sei "von vorgestern", sei laut Mayer "irreführend". Der Plan sei seit 2018 rechtskräftig, es gebe kein Straßenbauprojekt, das wesentlich neuer sein könne. 

Klimaministerium kontert

Im Klimaministerium sieht man die Sachlage naturgemäß anders als in der Wirtschaftskammer. Die Planung von Verkehrsinfrastruktur sei eine "zentrale Aufgabe des Klimaschutzministeriums", heißt es in einem Statement an die APA. Gewesslers Aufgabe sei es auch, jedes Jahr mit der Asfinag ein Bauprogramm abzustimmen, das habe sie getan. Nun könnten die Planungen für "bessere Alternativen" fortgesetzt werden. "Das Klimaschutzministerium hat dazu natürlich auch umfassende Gutachten eingeholt, die bestätigen, dass diese Vorgehensweise rechtskonform ist."

Klimaaktivistin Lena Schilling: Klage gegen Gewessler wäre "Armutszeugnis" für Österreich

Schilling: Klagsdrohung "Armutszeugnis"

Dass die Wirtschaftskammer und die Baulobby dahinterstehe, dass 2022 noch fossile Großprojekte gebaut werden sollen "wundert uns alle überhaupt nicht", kritisiert Klimaaktivistin und Sprecherin des Jugendrats Wien Lena Schilling im PULS 24 Interview. "Aber tatsächlich gibt es ganz viele Länder, in denen Konzerne und Regierungen verklagt werden auf Grund von Klimaschutzgesetzen. Dass das bei uns umgekehrt ist, ist ein ziemliches Armutszeugnis." Schilling fragt sich auch, warum das medial bei einer Pressekonferenz und nicht im Gerichtssaal verhandelt werde, wenn das die Rechtslage sei.

WK fördere Abhängigkeit von Russland

Bei der Pressekonferenz sei gesagt worden, dass Klimaschutz nicht das wichtigste sei. Dem widerspricht Schilling heftig. "Ich möchte nicht in zehn Jahren hier sitzen und genau diese Leute anklagen für das, was sie jetzt verbrochen haben." Baue man die Straße jetzt, gebe es kein Zurück. Man müsse mit dieser rückschrittlichen Politik aufhören. Andere Länder versuchen aus der Abhängigkeit von russischem Gas wegzukommen, die Wirtschaftskammer fördere aber genau das. Die "junge Klimabewegung" werde sich widersetzen, sollte es zum Bau kommen.

Nicht weniger Staus durch Straße

Die Asfinag schreibe selbst, dass die die Stadtstraße bis 2030 zu keinerlei Entlastung führe, die Staus würden also nicht abnehmen. Es brauche andere stadtplanerische Lösungen, die seit "Jahrzehnten am Tisch liegen".

Grüne Wien: Suche nach "rechtlichen Schlupflöchern"

Die Grünen Wien reagierten mit einer Aussendung auf die Pressekonferenz, in der sie "ÖVP-Gremien" vorwerfen, "Geld auf der Suche nach rechtlichen Schlupflöchern" zu verschwenden. Der Lobautunnel sei mit den Wiener Klimazielen nicht vereinbar. "Es sollte nun schon längst klar sein, dass vieles, was in der Vergangenheit geplant wurde, mittlerweile nicht nur überflüssig, sondern sogar hochgradig kontraproduktiv ist." "Wer also nun gegen die Absage des Lobautunnels klagt, klagt gegen das Pariser Klimaabkommen," so Peter Kraus, Parteivorsitzender der Grünen Wien.

ribbon Zusammenfassung
  • Vergangenes Jahr stoppte Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (Grüne) das heftig umstrittene Bauprojekt Lobautunnel, der unter dem Naturschutzgebiet verlaufen soll.
  • Laut Verfassungsrechtler Mayer sei eine Ministerklage gegen Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) im Bereich des Möglichen, sollte diese eine Weisung an die Asfinag zur Einstellung des Baus erteilt haben.
  • Eine solche Weisung des Ministeriums an die Asfinag ist laut Mayer nicht möglich und rechtswidrig.
  • "Sollte belegt werden, dass eine solche Weisung ergangen ist, hätte das eine Ministerklage und in weiterer Folge auch zivil- und strafrechtliche Folgen."
  • Wenn Gewessler sage, der Lobautunnel käme nicht "setzt sie sich über das Gesetz hinweg und nicht nur das Gesetz, sondern auch eine klare Entscheidung ihres Ministeriums".
  • Im Klimaministerium sieht man die Sachlage naturgemäß anders als in der Wirtschaftskammer. Die Planung von Verkehrsinfrastruktur sei eine "zentrale Aufgabe des Klimaschutzministeriums", heißt es in einem Statement an die APA.