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Forscher sehen Erinnerungen im Nachtschlaf bei "Drift" zu

25. März 2025 · Lesedauer 3 min

Forscher am Institute of Science and Technology Austria (ISTA) lassen seit einigen Jahren Ratten auf Versuchsfeldern nach Futter suchen und sich die Orte, an denen sie vermehrt fündig werden, einprägen. In einer neuen Studie im Fachblatt "Neuron" zeigt man nun, dass sich der Speicherort des räumlich Gelernten in langen Schlafphasen im zuständigen Hirnareal räumlich verschiebt - die Wissenschafter sprechen von "Repräsentationsdrift". Das dürfte Speicherplatz im Gehirn sparen.

Die Gruppe um Jozsef Csicsvari am ISTA in Klosterneuburg (NÖ) machte in den vergangenen Jahren Fortschritte im Verstehen der Abläufe, die sich beim Einprägen von Informationen auf der Ebene der Nervenzellen (Neurone) abspielen. Mit modernen Forschungsmethoden lassen sich Lernprozesse an sogenannten Platzzellen im Hippocampus von Mäusen und Ratten, also jenem Gehirnteil, der eine wichtige Rolle für das Gedächtnis spielt, analysieren. Diese feuern dann eifrig, wenn sich das Tier an jenem Ort befindet, wo das Futter erfahrungsgemäß ist. Das Team zeigte bereits in früheren Studien, dass die Aktivierung spezieller Platzzellen-Kombinationen auch im Schlaf wiederholt wird und wie diese Art der nächtlichen Einprägung gezielt gestört werden kann.

In der aktuellen Studie verfolgten sie den Prozess der Reaktivierung der räumlichen Erinnerungen im Hippocampus von Ratten, die zuvor eine neue labyrinthartige Umgebung mit Futterplätzen "gelernt" hatten, über bis zu 20 Stunden hinweg, als sich die Tiere nach der Lerneinheit erholten. So lange konnte dieser Prozess noch nie nachverfolgt werden, heißt es seitens des ISTA.

Überraschenderweise beobachteten die Wissenschafterinnen und Wissenschafter, dass sich die Muster jener Neuronen, die immer wieder Aktivität zeigten, über die Zeit hinweg merklich veränderten. Die Experten nennen diese Neuorganisation "Repräsentationsdrift".

Rätselraten um Funktion von "Drift"

So gab es eine Nervenzell-Gruppe, die beim Wiederholen des Gelernten immer aktiv wurde - die "stabile Untergruppe". Andere, ursprünglich eigentlich mitbeteiligte Neuronen stellten ihre Aktivität mit der Zeit aber ein. Dafür begannen mit Fortdauer der Nachtruhe andernorts zuvor völlig unbeteiligte Zellen zu feuern, wenn die Erinnerung aktiviert wurde. Es wird also im Schlaf fleißig neuronal umorganisiert - und das vor allem in jenen Schlafphasen abseits der für Träumen charakteristischen Augenbewegungen (Rapid-Eye-Movement- oder REM-Schlafphasen). Wurden dann nach dem Schlaf diese Erinnerungen angesteuert, passte das Nervenzell-Aktivitätsmuster eher jenem, das sich erst zu späterer Schlafstunde entwickelt hat. Man habe es hier mit einem Prozess zu tun, der die Erinnerung nach dem Schlaf gewissermaßen "frisch" hält, heißt es in einer ISTA-Aussendung.

Noch könne man nicht viel Gesichertes über die Funktion der Umorganisation sagen, so Csicsvari: "Es ist möglich, dass Gedächtnisrepräsentationen während des Lernens schnell gebildet werden müssen, aber dass solche Repräsentationen für die langfristige Speicherung nicht optimal sind. Daher kann im Schlaf ein Prozess stattfinden, der diese Repräsentationen optimiert, um die Gehirnressourcen für die Speicherung eines bestimmten Gedächtnisses zu reduzieren." Tatsächlich waren nach dem langen Schlaf weniger Neuronen dafür notwendig, sich an einen bestimmten Ort zu erinnern. Die Drift könnte aber auch dabei helfen, neue Erinnerungen in den bisherigen Erinnerungs- oder Erfahrungsschatz quasi an richtiger Stelle einzubetten, meinen die Forscherinnen und Forscher.

(S E R V I C E - https://doi.org/10.1016/j.neuron.2025.02.025)

Zusammenfassung
  • Forscher am ISTA haben entdeckt, dass sich räumliche Erinnerungen von Ratten im Schlaf durch 'Repräsentationsdrift' verändern, was Speicherplatz im Gehirn sparen könnte.
  • In einer bis zu 20 Stunden dauernden Beobachtung fanden sie heraus, dass nach dem Schlaf weniger Neuronen zur Erinnerung an bestimmte Orte benötigt werden.
  • Die Umorganisation der neuronalen Muster geschieht hauptsächlich in Schlafphasen ohne REM, wobei die genaue Funktion der Drift noch unklar ist.