Zweiter Prozesstag

Fall Kellermayr: Hackerin sieht Verbindungen zu Bombendrohern

27. März 2025 · Lesedauer 5 min

Am Donnerstag wurde der Prozess nach dem Tod der oberösterreichischen Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr fortgesetzt. Das Gericht befragte zahlreiche Zeug:innen, darunter ehemalige Mitarbeiter:innen, Polizist:innen und die Cybersecurity-Spezialistin "Nella", die neue Erkenntnisse zu weiteren mutmaßlichen Hasspostern haben will.

Der Angeklagte erschien wie am ersten Tag relativ knapp vor Beginn der Verhandlung. Beim Betreten des Gerichts trug der 61-jährige Deutsche eine schwarze Haube und einen langen Mantel, um auf TV-Aufnahmen nicht erkennbar zu sein.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, in mehreren E-Mails und Tweets der Ärztin Lisa-Maria Kellermayr gedroht zu haben, sie vor ein noch einzurichtendes "Volkstribunal" stellen zu wollen. Ein Terminus, der aus der Reichsbürger- bzw. Staatsverweigerer-Szene bekannt ist. Damit soll er den Suizid der Ärztin (mit-)verursacht haben.

Der Tod von Lisa-Maria Kellermayr im Juli 2022 und die Hasspostings, die sie davor bekommen hat, wurden auch beim zweiten Prozesstag aus vielen verschiedenen Perspektiven beleuchtet. Das Gericht nimmt sich vier Tage Zeit, um den Tod der engagierten Ärztin aufzuarbeiten.

"Nella" sorgt für Kopfschütteln bei Angeklagtem

Die Befragung der meisten Zeug:innen verfolgte der Angeklagte ohne große Emotionen. Teils machte er sich Notizen in einem Block.

Nur bei der Aussage der deutschen Cybersecurity-Spezialistin "Nella", die Kellermayr half, Verfasser von Hassnachrichten und mutmaßlichen Drohungen ausfindig zu machen, schüttelte er den Kopf.

Die Hackerin gab an, dass nicht sie es gewesen sei, die den Angeklagten ausfindig gemacht habe. Das hätten in diesem Fall auch die Behörden geschafft. Seine Nachrichten an Kellermayr seien ihr aber bekannt. Sie habe den Poster auf Twitter öffentlich geoutet.

"Er hat sich selbst in diese Lage gebracht"

Die deutsche Verteidigerin des Angeklagten fragte die Cybersecurity-Spezialistin eindringlich, ob ihre Adresse im Akt noch korrekt sei. Sie stellte in den Raum, dass ihre Postings für den Angeklagten geschäftsschädigend gewesen sein könnten.

Zeugin "Nella" konterte: "Er hat sich selbst in diese Lage gebracht". Ihr Mitleid mit ihm halte sich in Grenzen.

Die Hackerin erzählte, wie sehr es Kellermayr Angst gemacht hätte, dass der Angeklagte mit Klarnamen an sie geschrieben habe – damit sei eine Hemmschwelle gefallen. Die Zeugin kommentierte, dass Menschen, die solche Nachrichten unter Klarnamen versenden, besonders überzeugt von ihrer Weltsicht sein müssten.

Im Gegensatz zu Hasspostern, die unter dem Nicknamen "Claas" noch viel explizitere Drohungen an Kellermayr sandten, wie auch die Verteidigung des Angeklagten immer wieder betont.

Die Person oder Personen, die hinter "Claas" steckten, wurden offiziell nie ausgeforscht. Die österreichischen Behörden teilten auf PULS 24 Anfragen nur mit, dass die Ermittlungen noch laufen würden.

Zeugin "Nella" gab vor Gericht jedoch an, neue Erkenntnisse dazu zu haben. Als Zeugin vor Gericht wollte sie wegen laufender Ermittlungen keine genaueren Angaben machen.

Zusammenhang mit Bombendrohungen?

Gegenüber PULS 24 sprach sie auch von einem "Teilgeständnis", das ihr vorliegen soll. Laut ihren Angaben bestehe ein Zusammenhang zwischen "Claas" und mehreren Personen, die in Deutschland im Zusammenhang mit anonymen Bombendrohungen gegen öffentliche Einrichtungen und Hassnachrichten ausgeforscht wurden.

"Nella" äußerte, dass es "wahrscheinlich" sei, dass die Bombendrohungen auch Österreich betroffen haben.

Im September 2024 kam es zu Hausdurchsuchungen und Festnahmen in mehreren deutschen Bundesländern. Die Gruppe "New World Order" (NWO), offenbar benannt nach einer Verschwörungsideologie, soll laut Aussendungen der deutschen Behörden ein ausschließlich virtueller Zusammenschluss von Personen sein.

In zahlreichen Fällen sollen die Anführer der Vereinigung Personen aus der Online-Streamer-Szene als Opfer ausgewählt haben, häufig vulnerable oder kognitiv beeinträchtigte Menschen.

Die Opfer sollen durch die Vereinigung in sozialen Medien verfolgt, bedroht und beleidigt worden sein. Es wird angenommen, dass sie auch Polizeieinsätze an den Wohnadressen der Personen ausgelöst haben - das wird "Swatting" genannt.

Fall Kellermayr: Zeugenaussagen am zweiten Prozesstag

Sehr junge Täter sollen deswegen in Untersuchungshaft sitzen. Die Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe leitet die Ermittlungen und erhob offenbar im Februar Anklage gegen zwei Männer im Alter von 20 und 21 Jahren.

Keine offizielle Bestätigung

Weder deutsche noch österreichische Behörden haben gegenüber PULS 24 bislang bestätigt, dass es einen Zusammenhang zu den Hassnachrichten gegen Lisa-Maria Kellermayr gebe.

Im Prozess in Wels sagten jedenfalls mehrere Zeug:innen aus, dass Kellermayr vor allem Angst vor dem ominösen "Claas" gehabt habe. Manche sagten aber auch, dass die Ärztin auch das "Volkstribunal", das in Nachrichten des Angeklagten vorkam, gefürchtet haben soll. Sie habe auch die Vorstrafen des Angeklagten als beunruhigend empfunden.

Eine Bekannte der Ärztin meinte, dass Kellermayr einmal gesagt habe: "Ich habe kein psychiatrisches Problem, sondern ein Sicherheitsproblem" und sich allgemein vor der anonymen Masse der Hassposter gefürchtet habe.

Große Angst

Mitarbeiter:innen in Kellermayrs Ordination in Seewalchen berichteten ausführlich über die Sicherheitsvorrichtungen, die die Ärztin dort eingerichtet hatte. Kellermayr hätte große Angst gehabt.

Einige von ihnen sagten allerdings, dass sie es nie ernsthaft in Betracht gezogen hätten, dass jemand in die Ordination eindringen könnte. Die Sicherheitsvorkehrungen versetzten Kellermayr auch in eine finanzielle Notlage. 

Am Ende des zweiten Prozesstages sagten mehrere Beamte des Landesverfassungsschutzes und der lokalen Polizei aus. Man habe "mehr als üblich" unternommen, sagte ein Polizist. Das LVT habe der Ärztin mehrmals geraten, sich aus der Öffentlichkeit zurückzuziehen. Das wollte Kellermayr aber nicht.

contact Hilfe in Krisensituationen

Sind Sie in einer Krisensituation? Hier finden Sie Hilfe:

Der Liveblog zum Nachlesen:

Liveblog

Fall Kellermayr - Zweiter Prozesstag

Zusammenfassung
  • Am Donnerstag wurde der Prozess nach dem Tod der oberösterreichischen Ärztin Dr. Lisa-Maria Kellermayr fortgesetzt.
  • Das Gericht befragte zahlreiche Zeug:innen, darunter ehemalige Mitarbeiter:innen, Polizist:innen und die Cybersecurity-Spezialistin "Nella", die neue Erkenntnisse zu weiteren mutmaßlichen Hasspostern haben will.
  • Zeugin "Nella" meinte vor Gericht, dass sie neue Erkenntnisse zu "Claas" haben will. Als Zeugin vor Gericht wollte sie wegen laufender Ermittlungen keine genaueren Angaben machen.
  • Gegenüber PULS 24 sprach sie auch von einem "Teilgeständnis", das ihr vorliegen soll. Laut ihren Angaben bestehe ein Zusammenhang zwischen "Claas" und mehreren Personen, die in Deutschland nach anonymen Bombendrohungen ausgeforscht wurden.
  • "Nella" meint, dass es wahrscheinlich sei, dass die Bombendrohungen auch Österreich betroffen haben.