Es bleibt bei einem Jahr bedingt für Wiener Prügelpolizisten
"Der Berufung der Staatsanwaltschaft wurde keine Folge gegeben", bestätigte OLG-Sprecher Max Gruber der APA. Zufrieden zeigte sich damit naturgemäß Verteidiger Mirsad Musliu (Kanzlei Rast Musliu): "Wie sich nunmehr erwiesen hat, hat das Erstgericht keine korrekturbedürftige Strafe verhängt."
Der Beamte hatte am 1. August 2022 im Zug einer Amtshandlung in einem Schnellimbiss-Lokal in der Wiener Innenstadt einen wehrlosen Mann geschlagen und mit zahlreichen Kniestößen ins Gesicht bedacht, nachdem dieser von der Polizei zuvor mehrfach mit Pfefferspray besprüht worden war. Das Vorgehen der Exekutive - an der Amtshandlung waren zwei männliche Beamte und eine Beamtin beteiligt - wurde von einer Überwachungskamera festgehalten, das Bildmaterial wurde dann zentraler Bestandteil des Ermittlungsakts.
Ungeachtet der Bilder und der zunächst relativierenden Verantwortung des kniestoßenden Polizisten, der unter anderem seine Ausbildner in den Zeugenstand treten hatte lassen, um sein Agieren zu erklären, erschienen einem Schöffensenat am Landesgericht bei einer Strafdrohung von einem bis zu fünf Jahren zwölf Monate auf Bewährung tat- und schuldangemessen. An sich beträgt die Mindeststrafe bei Missbrauch der Amtsgewalt sechs Monate. Sie erhöht sich gemäß §39a StGB jedoch auf ein Jahr, wenn der Täter eine vorsätzliche strafbare Handlung unter Anwendung eines außergewöhnlich hohen Ausmaßes an Gewalt und unter Einsatz einer Waffe begeht. Im konkreten Fall war der Pfefferspray als Waffeneinsatz zu werten.
Dessen ungeachtet würden die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe "eindeutig überwiegen", wurde später im schriftlichen Urteil dem Polizeibeamten zugestanden. Damit fiel die Sanktion exakt so aus, dass für den 32-jährigen Beamten mit der Verurteilung nicht automatisch der Verlust der Amtsstellung einherging. Hätte der des Amtsmissbrauchs für schuldig befundene Polizist nur einen Tag mehr an Strafe bekommen, wäre er automatisch seinen Job losgewesen: wird ein Beamter aufgrund einer vorsätzlich begangenen Straftat zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, die - unabhängig davon, ob sie unbedingt ausgesprochen oder bedingt nachgesehen wird - ein Jahr übersteigt, verliert er nämlich ex lege sein Amt.
Die zuständige Staatsanwältin war mit dieser Entscheidung überhaupt nicht einverstanden. Sie verlangte mit Nachdruck eine höhere Strafe, da der Polizist einen "Akt rohester Gewalt" gesetzt habe, wie sie in der Verhandlung mehrfach betont hatte. Sie blitzte nun jedoch mit ihrem Rechtsmittel beim OLG ab.
Ob und inwieweit der Fall für den 32-jährigen Polizisten dienstrechtliche Folgen hat, muss jetzt geklärt werden. Ein Disziplinarverfahren läuft, mit einer Entscheidung wurde bis zur rechtskräftigen Erledigung des Strafverfahrens zugewartet.
Die gewalttätige Amtshandlung, hatte sich in einem Schnellimbiss-Lokal in der Rotenturmstraße zugetragen. Das spätere Opfer der Polizeigewalt - ein ehemaliger Mitarbeiter, von dem sich das Unternehmen Monate zuvor einvernehmlich getrennt hatte - war zur Überraschung des Geschäftsführers am 1. August 2022 wieder in die Filiale gekommen, hatte sich in der Mitarbeitergarderobe umgezogen und die Arbeit in der Küche aufgenommen. Als er sich beharrlich weigerte, die Räumlichkeiten zu verlassen, rief der Geschäftsführer die Polizei.
Beim Eintreffen der Beamten war der Mann noch damit beschäftigt, in der Küche "Chicken McNuggets" zuzubereiten. Der Aufforderung der drei Polizisten, sie in die Büroräumlichkeiten zu begleiten, folgte der ehemalige Mitarbeiter noch, aber dann eskalierte die Lage, und zwar ohne dass der Ex-Angestellte des Lokals dafür einen nachvollziehbaren Grund geliefert hätte.
Wie das Video aus einer Überwachungskamera zeigte, versetzte der 32-jährige Polizist dem Mann zunächst einen heftigen Stoß mit dem Handballen, dem ein Handgemenge folgte, bei dem der Betroffene von der Polizei mit Pfefferspray "eingenebelt" wurde. Obwohl der Mann mit den Beamten zugewandtem Rücken unter Einwirkung des Pfeffersprays stand und sichtlich keine Gefahr von ihm ausging, wurde er ein zweites Mal eingesprüht und anschließend vom 32-Jährigen am Kopf gepackt und mit wuchtigen Stößen mit dem linken und mit dem rechten Knie ins Gesicht bedacht.
Die Staatsanwaltschaft hatte auch gegen die Kollegin des 32-Jährigen und den Ex-Kollegen, der mittlerweile den Polizeidienst quittiert hat, Anklage erhoben. Die beiden hatten sich im Unterschied zum 32-Jährigen von Anfang an zum Amtsmissbrauch schuldig bekannt, sie wurden separat - ebenfalls rechtskräftig - zu bedingten Haftstrafen von fünf bzw. neun Monaten verurteilt. Der 32-Jährige, der die Amtshandlung geleitet hatte, änderte erst nach einem Verteidigerwechsel seine die Vorwürfe bestreitende Verantwortung. "Ich habe gesehen, dass es unterschiedliche Rechtsberatung und unterschiedliche Rechtsansichten gibt", bemerkte er dazu in seiner Hauptverhandlung.
Ungeachtet des gut dokumentierten Falls von Polizeigewalt hatte die Landespolizeidirektion den Beamten übrigens nicht vom Dienst suspendiert. Er wurde in den Innendienst versetzt.
Zusammenfassung
- Ein Wiener Polizist, dem 'exzessive Gewalt' vorgeworfen wurde, wurde zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt.
- Die gegen das Urteil eingelegte Berufung von Staatsanwältin Hanna Fian wurde vom Wiener Oberlandesgericht abgewiesen.
- Trotz der Verurteilung behält der Polizist vorerst sein Amt.
- Der Vorfall ereignete sich in einem Schnellimbiss-Lokal in der Wiener Innenstadt, wo der Polizist einen wehrlosen Mann schlug und mit Kniestößen ins Gesicht bedachte.
- Hätte die Strafe des Polizisten auch nur einen Tag länger gedauert, hätte er seinen Job verloren.