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Elf Jahre Haft in Auftrags-Mordfall: Mann zu Unrecht verurteilt

Als das Urteil fiel, brach die Familie des 48-jährigen Angeklagten am Dienstag in Applaus und Freudentränen aus. Der Mann war 2022 wegen Beteiligung an einem Mordkomplott zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Nun kam er frei.

Vorwurf der Beteiligung an einem versuchten Mord lautete die Anklage. Im Februar 2022 wurde der Angeklagte deshalb zu elf Jahren Haft verurteilt. Zu Unrecht, wie sich am Dienstag herauskristallisierte.

Hauptgrund für den Freispruch sind Briefe von Häftlingen, denen nach dem Urteil im Vorjahr der Haupttäter verraten haben soll, dass er den 48-Jährigen aus Rache unschuldig belastet hatte. 

Verteidiger Michael Dohr will nun für den Mann eine Haftentschädigung geltend machen: "Er ist 18 Monate unschuldig in Haft gesessen. Ihm wurde seine wirtschaftliche Existenz genommen." Die laut Gesetz 20 bis 50 Euro Entschädigung pro Tag seien "ein Witz", kritisierte der Verteidiger.

Die Entscheidung der Geschworenen für den Freispruch war nicht einstimmig:

  • Fünf verwarfen die Anklage
  • Drei glaubten, dass er am Mordkomplott beteiligt war

Die Angehörigen des Mannes, die gebannt auf die Urteilsverkündung gewartet hatten, reagierten mit Applaus und Tränen der Erleichterung auf den Ausgang des Verfahrens.

Das Wiener Oberlandesgericht (OLG) bewilligte die Wiederaufnahme des Verfahrens, weil neue Beweise aufgetaucht waren. Der 48-Jährige wurde nach 18-monatiger U-Haft enthaftet, eine neue Verhandlung angeordnet.

10.000 Euro an Mörder gezahlt?

Im Prozess vor einem Jahr ging es um einen Mordanschlag. Ein Mann wurde am frühen Morgen des 20. November 2018 in der Hippgasse in Ottakring mit einem länglichen, rohrförmigen Werkzeug niedergeschlagen und lebensgefährlich verletzt. Er erlitt unter anderem ein Schädel-Hirn-Trauma und einen Schädelbruch. Dem 48-Jährigen wurde vorgeworfen, dem Täter 10.000 Euro überwiesen zu haben. 

Der ehemalige Schwiegervater des schließlich schwerverletzten Opfers bestellte den Mord und sitzt dafür seit 2019 wegen Anstiftung zum Mord in Haft. Der verurteilte Mann hatte die Ehe für seine Tochter arrangiert, der Ehemann begann ein Verhältnis mit seiner Schwägerin und schwängerte sie. Der türkischstämmige Immobilienunternehmer war so in seiner Ehre gekränkt, dass er seinen Ex-Schwiegersohn beseitigen lassen wollte.

"Ich war im ersten Rechtsgang überzeugt, dass er es war. Ich bin es auch jetzt", war Staatsanwältin Wagner-Haase bis zuletzt überzeugt. Das Opfer des Mordanschlags habe nur knapp überlebt, sein Leben sei unwiederbringlich zerstört, er sei "durchgehend auf fremde Hilfe angewiesen". 

"Ich bin unschuldig"

"Für die Verteidigung besteht kein Zweifel, dass hier ein unschuldiger Mensch sitzt", meinte der Verteidiger. Sein Mandant sei wirtschaftlich ruiniert, dessen Ehe zerbrochen. Der Angeklagte betonte: "Ich habe mit der Sache nichts zu tun. Ich bin unschuldig."

Aus Rache "hineingezogen"

Das meinten auch die beiden neuen Zeugen, zwei Häftlinge. Der Drahtzieher des Mordkomplotts habe den 48-Jährigen falsch belastet, meinten diese. Einer der Häftlinge schrieb dem Anwalt einen Brief. Der Drahtzieher habe ihm in der Justizanstalt Josefstadt und später während einer Busfahrt zur Justizanstalt Stein erzählt, er habe falsch gegen den 48-Jährigen ausgesagt und diesen in die Mordsache "hineingezogen", um sich zu rächen. Motiv: Der 48-Jährige soll in der Türkei im Besitz des 58-Jährigen befindliche Grundstücke verkauft haben und diesen dabei betrogen haben.

"Er ist besessen von dem Rachegedanken. Mit seinen Lügen hat er das Hohe Gericht dazu gebracht, einen unschuldigen Menschen zu verurteilen", hielt der Häftling in dem Brief fest. Der Schreiber nannte darin auch einen weiteren Häftling, der ebenfalls gehört habe, dass der 58-Jährige zu Unrecht jemanden belaste.

ribbon Zusammenfassung
  • Als das Urteil fiel, brach die Familie des 48-jährigen Angeklagten am Dienstag in Applaus und Freudentränen aus.
  • Der Mann war 2022 wegen Beteiligung an einem Mordkomplott zu elf Jahren Haft verurteilt worden. Nun kam er frei.
  • Zwei Häftlinge sagten für ihn aus. Der Auftraggeber des Mordes habe ihnen erzählt, dass er den 48-Jährigen aus Rache in den Mordfall gezogen habe.