Diebin gab sich als Krankenschwester aus: Haftstrafe
Das Pärchen dürfte nach Ansicht der Staatsanwaltschaft Wien auf der Straße gezielt nach betagten, gebrechlich wirkenden Personen Ausschau gehalten und diese nach Hause verfolgt haben. Dort läuteten sie dann an und verschafften sich mit der Vorgabe Zutritt in die Wohnungen ihrer Opfer, sie kämen im Auftrag der Pensionsversicherungsanstalt. Eine Erhöhung des Pflegegelds, des Hilflosenzuschusses bzw. der Pension stünde bevor, dafür müssten jetzt aber körperliche Untersuchungen vorgenommen werden, meinten die Täter, die als Arzt und Krankenschwester auftraten.
Die Pseudo-Untersuchungen - ein Abklopfen des Rückens oder ein Abtasten des Fußes - fanden oftmals in den Schlafzimmern der großteils hochbetagten Opfer statt, die sich in Bauchlage ins Bett legen mussten. Mitunter wurden sie vorher noch aufgefordert, ihren Oberkörper freizumachen. Während sich der Arzt oder die Schwester mit ihnen befasste, nutzte der bzw. die andere die Gelegenheit, um Wertsachen und Bargeld in der Wohnung an sich zu bringen.
Die Anklage gegen die 50-Jährige umfasste fast zwei Dutzend Fakten, ein Schaden von fast 150.000 Euro war inkriminiert. Der falsche Arzt, mit dem die 50-Jährige in einer Lebensgemeinschaft verbunden war, konnte nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden. Er ist nach seiner Festnahme Ende Mai in der Justizanstalt Josefstadt eines natürlichen Todes gestorben.
Die Angeklagte versicherte, sie hätte ihren Partner nur vier bis sechs Mal begleitet. Dieser sei die treibende Kraft, das "Mastermind" gewesen. "Es tut mir von Herzen leid", versicherte die Frau. Sie habe sich "aus Naivität" auf das Ganze eingelassen. Die anderen Fakten müsse der Mann mit anderen Geliebten begangen haben, führte der Verteidiger ins Treffen. Die Angeklagte sei nämlich nicht die einzige Frau in dessen Leben gewesen. Von der Beute habe seine Mandantin nie mehr als jeweils 50 Euro erhalten.
Laut Anklage sollen sich die beiden auch den Ausbruch der Corona-Pandemie zunutze gemacht haben. Ab dem vergangenen Frühjahr traten sie mitunter mit der Masche auf, sie müssten Untersuchungen auf eine Infektion mit SARS-CoV-2 durchführen. Ein Pensionist schilderte dem Schöffensenat (Vorsitz: Petra Sattlberger), am 11. Mai 2020 habe es bei ihm geläutet. Die Schwindler hätten sich als Vertreter vom Gesundheitsamt ausgegeben und behauptet, sie müssten aufgrund von Corona seinen "Gesundheitszustand" abklären. Er habe das Hemd aufgeknöpft, während er abgelenkt war, sei ein Geldkuvert mit 1.110 Euro verschwunden, gab der Pensionist zu Protokoll: "Es hat nicht einmal zehn Minuten gedauert."
Einem damals 90-Jährigen wurde im Oktober 2019 vorgemacht, er könne mit einer höheren Pension rechnen. Der mittlerweile fast 92-Jährige berichtete als Zeuge dem Gericht, wie er von dem vermeintlichen Arzt ins Schlafzimmer dirigiert wurde: "Dort musste ich mich hinlegen. Er hat mich untersucht. Er hat mich nach hinten und vorn bewegt." Anschließend sei seine Frau dran gekommen: "Die Schwester hat ihren Fuß angeschaut." Mit der Behauptung, sie müssten ein Rezept aus dem Auto holen, seien die beiden dann verschwunden. Mit ihnen waren auch 1.300 in bar weg.
Einer 80 Jahre alten Mindestpensionistin kamen auf ähnliche Art und Weise 450 Euro abhanden. Als sie das bemerkte, versteckte sie sofort ihren neuen Rollator, wie sie dem Schöffensenat erzählte. Sie habe Angst bekommen, die Schwindler würden wieder auftauchen und ihr auch noch ihr eben erst erworbenes Gefährt wegnehmen. Auf die Frage, ob sie das gestohlene Geld zurückwolle, erwiderte die Zeugin: "Nein. Jetzt habe ich es schon verschmerzt."
Ein anderes Opfer entgegnete auf die Frage nach finanzieller Wiedergutmachung mit Blick auf die Angeklagte: "Was soll ich von ihr verlangen? Die hat ja nix." Der 87-Jährigen war im vergangenen Sommer vorgetäuscht worden, sie käme in eine höhere Pflegestufe. Als sie die beiden Schwindler in ihre Wohnung ließ, meinte der falsche Arzt, er müsse einen Allergietest durchführen. Während ein Prozedere vonstattenging, räumte die Komplizin den Safe aus. Schmuck im Wert von 15.000 Euro und 750 Euro in bar waren futsch.
Am Ende wurde die Angeklagte zu rund einem Dutzend Fakten verurteilt, in den Fällen, wo sie von den Bestohlenen nicht eindeutig wieder erkannt wurde und es keine sonstigen Beweismittel gab, wurde sie freigesprochen. Die 50-Jährige war von an einigen Tatorten sichergestellten DNA-Spuren sowie Ergebnissen einer Rufdatenrückerfassung belastet worden - damit ließ sich in einigen Fällen nachweisen, dass ihr Handy zu den Tatzeitpunkten an den Adressen von Opfern eingeloggt war.
Bei der Strafbemessung wurde bei einem Strafrahmen von sechs Monaten bis fünf Jahren das gegen gebrechliche, gehbehinderte Senioren gerichtete Vorgehen erschwerend gewertet. Mildernd wurde der 50-Jährigen eine untergeordnete Beteiligung zugebilligt. "Ihr Lebensgefährte hat sicher das Sagen gehabt", befand die Richterin in der Urteilsbegründung. Mit dem Urteil waren sowohl der Verteidiger als auch die Staatsanwältin einverstanden.
Zusammenfassung
- Eine falsche Krankenschwester ist am Dienstag am Wiener Landesgericht rechtskräftig wegen gewerbsmäßigen schweren Diebstahls zu zweieinhalb Jahren unbedingter Haft verurteilt worden.
- Die Anklage gegen die 50-Jährige umfasste fast zwei Dutzend Fakten, ein Schaden von fast 150.000 Euro war inkriminiert.
- Die Angeklagte sei nämlich nicht die einzige Frau in dessen Leben gewesen.
- Schmuck im Wert von 15.000 Euro und 750 Euro in bar waren futsch.