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Datenbank zeigt Vorkommen von Libellen, Köcherfliegen & Co

Der Name täuscht: Eintagsfliegen halten sich monatelang als Larven in Gewässern auf, ehe ihr Leben als erwachsenes Tier tatsächlich schon nach kurzer Zeit enden kann. Auch Steinfliegen, Köcherfliegen und Libellen verbringen den Großteil ihres Lebens als Larve im Wasser. Weil sie sehr sensitiv auf Veränderungen reagieren, dienen sie als Bioindikatoren, die Probleme in Ökosystemen früh anzeigen. Eine neue Datenbank zeigt nun, wo diese semiaquatischen Insekten vorkommen.

Auch wenn Eintagsfliegen (Ephemeroptera), Steinfliegen (Plecoptera), Köcherfliegen (Trichoptera) und Libellen (Odonata) zu den Fluginsekten zählen - den Großteil ihres Lebens verbringen sie als Larve im Wasser. Als erwachsene Tiere (Imago) leben manche Arten nur wenige Stunden.

Diese Insekten sind "wichtige Elemente für den Stoffhaushalt von Flüssen", erklärte Wolfram Graf vom Institut für Hydrobiologie und Gewässermanagement der Universität für Bodenkultur (Boku) Wien gegenüber der APA. "Diese Tiere nehmen uns die Arbeit ab, weil sie gemeinsam mit den Mikroben wesentlich zur Selbstreinigungskraft eines Flusses beitragen."

So bauen etwa die Larven der Köcherfliegen-Art Hydropsyche Netze in Flüssen. "Ein einziges Netz filtert etwa 400 Liter Wasser pro Tag, wobei in intakten Gewässern Millionen solcher Tiere leben und es teilweise gewaltige Dichten von 10.000 Larven pro Quadratmeter gibt", so der Experte.

Die semiaquatischen Insekten machen zusammen mit den reinen Wasserinsekten rund sechs Prozent aller Insektenarten aus. Ausgewählte Gruppen werden nun erstmals in der umfassenden Datenbank EPTO - benannt nach den Anfangsbuchstaben der lateinischen Ordnungsnamen - erfasst. Insgesamt sind darin über 8,3 Millionen georeferenzierte Einträge aus den Jahren 1951 bis 2021 gelistet, die öffentlich für Forscher und Behörden zugänglich sind.

"Diese neue Datenbank ist eine wichtige Basis, um Renaturierungsmaßnahmen von Gewässern zu planen und zu bewerten. Denn Insektenlarven sind Bioindikatoren, also Zeigerarten für die Gewässergüte. Wenn man sie genau beobachtet, kann man eine Verschlechterung des Ökosystems früh genug erkennen", erklärte Afroditi Grigoropoulou vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) in Berlin. Sie hat mit Kollegen die Datenbank in einer im Fachjournal "Global Ecology and Biogeography" veröffentlichten Arbeit vorgestellt, an der auch Graf beteiligt war.

Solche Zustandserhebungen von Ökosystemen erfolgen etwa im Rahmen der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL), die für Graf grundsätzlich "ein gutes Instrument zur Verbesserung des ökologischen Zustandes von Gewässern" ist. Allerdings zielt die WRRL nicht auf Biodiversitäts-Erhebungen ab. Denn gesammelt würden nur Larven, anhand derer sich selten einzelne Arten bestimmen lassen. Über Vorkommen und Verteilung der meisten Arten sowie den Zustand von Populationen sage das wenig aus, so Graf. Ein langfristiges und großflächiges Süßwasser-Biodiversitäts-Monitoring gebe es nicht und man merke gar nicht, wenn Arten verschwinden.

Graf ortet daher trotz der nun vorliegenden EPTO-Datenbank ein "Datendefizit", das verschärft werde, weil es kaum noch Taxonomen gebe, die Sammelreisen unternehmen und Arten bestimmen. Und - im Unterschied zu attraktiven Tiergruppen wie Vögel oder Käfer - würden sich auch kaum Laienforscher für diese unscheinbaren Insekten interessieren. Über die Zahl der Arten in Österreich weiß man dennoch relativ gut Bescheid: 119 Arten sind es bei den Eintagsfliegen, 136 bei den Steinfliegen, 312 bei den Köcherfliegen und 78 bei den Libellen.

Auch über die Entwicklung und den Bedrohungsstatus dieser Fluginsekten in Österreich könne man mangels Daten wenig sagen. Weltweit gelten 33 Prozent der bekannten EPTO-Arten nach der Roten Liste der Weltnaturschutzunion (IUCN) als bedroht, in den vergangenen 50 Jahren nicht mehr nachgewiesen sind neun Prozent, sie gelten damit als ausgestorben, wie die Wissenschafter in der aktuellen Arbeit schreiben.

Verloren gehen damit auch faszinierende Lebensweisen und Strategien, um in einem hochdynamischen System wie einem Fluss zu überleben: So tauchen etwa die Weibchen der Hydropsychen mit Hilfe ihrer verbreiteten Beine bis zum Grund der Donau, um dort in einem Gelege ihre Eier abzulegen. Die Larven spinnen dann unter Wasser Stellnetze, um Nahrung aus dem Fluss zu filtern. Die Maschenweite würden sie dabei an die Strömungsgeschwindigkeit anpassen.

Andere Arten fabrizieren aus ihrer Seide eine Wohnröhre, in die sie kleine Steinchen einspinnen, um sich zu schützen. Zudem fungiert die Röhre als effektiver Atmungsapparat, durch den sie Wasser an den Kiemen vorbeipumpen können. Am Ende des Larvenlebens verpuppen sich die Larven, ehe sie in einer Art Taucheranzug mit stark behaarten Schwimmbeinen schließlich an die Wasseroberfläche schwimmen. Dort häuten sie sich zum letzten Mal, entfalten ihre Flügel und starten in ihr kurzes Leben als erwachsenes Tier.

Dann geht es darum, rasch einen Partner zu finden. Damit das gelingt, haben alle Arten saisonal unterschiedliche Zeitfenster zum Schlüpfen, die u.a. mit der Tageslänge und Wassertemperatur zusammenhängen. Für die Partnersuche haben Wasserinsekten unterschiedliche Strategien entwickelt. Manche Arten nutzen Duftstoffe (Pheromone), andere beeindrucken mit auffälligen Tänzen in der Luft und Steinfliegen trommeln auf den Untergrund, um Artgenossen anzulocken.

Auch wenn es praktisch keine intakten Flüsse mehr in Österreich gibt, kommen in den sehr diversen Flusslandschaften Österreichs etliche Endemiten vor. "Wenn man Naturschutz wirklich ernst nimmt, müsste man diese entsprechend schützen, denn Österreich hat eine Verantwortung diesen Tieren gegenüber, weil sie nur bei uns vorkommen", sagte Graf. Notwendig dafür wären langfristige, entsprechend finanzierte Monitoringprojekte und die Einrichtung von Schutzgebieten in Hotspots solcher Endemiten und nicht nur dort, wo sie einfach einzurichten sind.

(S E R V I C E - Internet: https://doi.org/10.1111/geb.13648)

ribbon Zusammenfassung
  • Der Name täuscht: Eintagsfliegen halten sich monatelang als Larven in Gewässern auf, ehe ihr Leben als erwachsenes Tier tatsächlich schon nach kurzer Zeit enden kann.
  • Auch wenn Eintagsfliegen, Steinfliegen, Köcherfliegen und Libellen zu den Fluginsekten zählen - den Großteil ihres Lebens verbringen sie als Larve im Wasser.
  • Die Larven spinnen dann unter Wasser Stellnetze, um Nahrung aus dem Fluss zu filtern.