Corona-Pflegepersonal zu Impfverweigerern: "Kein Verständnis, aber Empathie"
Die vierte Corona-Welle rollt über Österreich hinweg. Mit der Auslastung in den Spitälern und auf den Intensivstationen steigt auch die ohnehin hohe Belastung beim Pflegepersonal. Viele kündigen, weil sie den psychischen und körperlichen Belastungen nicht mehr gewachsen sind - und dabei ist die Spitze der vierten Welle noch gar nicht erreicht.
Bereits vor der Pandemie war es nicht immer einfach, doch eineinhalb Jahre Ausnahmezustand hätte die Personalsituation auf die Spitze getrieben, sagt der Chefpfleger im Klinikum Wels Grieskirchen Günther Zellinger gegenüber PULS 24 bei einem Lokalaugenschein. "Die Krankenstände werden mehr, Mitarbeiter müssen einspringen und verlieren dadurch noch mehr Freizeit", so Zellinger. Die Probleme werden danach nach Hause getragen. Schlafprobleme seien die Folge.
Die Kraft zum Durchhalten und Weiterarbeiten findet Pfleger Dino Atic in seiner Familie und auch den Kollegen im Team, wie er gegenüber PULS 24-Reporter Daniel Retschitzegger sagt. Gleichzeitig "zeigen die Zahlen, dass da noch einiges auf uns zukommt und wir hoffen natürlich, dass wir da gut durchkommen - sowohl das Personal als auch unsere Patienten", hofft er.
"Haben nicht die Intensivplätze, um das zu kompensieren, was bevorsteht"
Pfleger Dino Atic vom Klinikum Wels Grieskirchen über seine Erfahrungen auf der Intensivstation.
Viele junge Menschen ohne Vorerkrankungen sterben
Linda, deren Berufseinstieg als Pflegerin auf der Intensivstation mit dem Beginn der Pandemie zusammenfiel, meint: "Wenn man in so einen Beruf geht, ist man sich dessen bewusst, dass man mit Tod konfrontiert wird." Auf die Frage, ob sie bei ihrer Ausbildung auf die mentalen Belastungen vorbereitet wurde, sagt sie: "Die Pandemie war von einem auf den anderen Tag da. Da war keine Zeit zum Vorbereiten. Man hat einfach damit fertig werden müssen."
Betroffen macht sie vor allem, dass "so viele junge Menschen ohne Vorerkrankungen an so einer Krankheit sterben, obwohl man es hätte verhindern können." Atic ist der Fall eines Patienten in Erinnerung geblieben, der zunächst schon so stabil war, dass überlegt wurde, ihn auf die Normalstation zurück zu verlegen. Doch innerhalb von 48 Stunden verschlechterte sich sein Zustand so sehr, dass er nach Wien verlegt wurde, wo er letztendlich verstarb.
"Viele sind so erschöpft, dass sie Intubierung dankend zustimmen"
Zellinger sieht als Belastungsfaktoren für das Gesundheitssystem vor allem die lange Pflege für Covid-Patienten. Auch, dass Pflegekräfte oft hilflos zuschauen müssen, wie Patienten mit dem Atmen kämpfen, belastet: "Die Aussichtslosigkeit bei einem Patienten, der nach Luft ringt", andere hätten "Schwierigkeit, Essen zu sich zu nehmen, weil sie mit dem Atmen nicht nachkommen" - "Das sind schon Dinge, die einen beschäftigen", sagt er.
Wenn sich der Zustand der Patienten so weit verschlechtert, dass sie intubiert und künstlich beatmet werden müssen, wollen die meisten noch ein vielleicht letztes Mal mit den Angehörigen sprechen. Für die Pfleger gibt es oft nur mehr ein zustimmendes Nicken, schildert Atic: "Viele sind schon so erschöpft von den Beatmungsschritten, die davor schon stattfinden, dass sie dann letztlich dankend der Intubation zustimmen."
"Finde nicht, dass da recht viel Wertschätzung von der Gesellschaft kommt"
Pflegerin Linda im Klinikum Wels Grieskirchen über die Belastungen und geringe Wertschätzung in ihrem Beruf.
Kein Verständnis, aber Empathie für Impfverweigerer
Den Großteil der Intensivpatienten machen Ungeimpfte aus. Viele von ihnen zeigen Reue, wie Atic schildert. Manche würden aber sogar im Spital noch "die Krankheit nicht wahrhaben wollen". Er habe natürlich Verständnis für eine "gewisse Grundskepsis", aber dazu gebe es angesichts der sicheren und wirksamen Impfung keinen Grund.
Verständnis für Impfunwillige sei "natürlich schwierig" aufzubringen, meint auch Linda. Aber sie sagt auch: "Wenn man in so einem Beruf ist, dann muss man Empathie zeigen und darf da nicht urteilen." Die Patienten seien auf das Personal angewiesen und daher arbeite man natürlich mit vollem Einsatz.
Chefpfleger Zellinger meint, natürlich sei draußen jeder selbst für sich verantwortlich, "aber das Verständnis hier drinnen, das hält sich sehr sehr in Grenzen und ist eigentlich nicht vorhanden, weil wir ja die Arbeitsbelastung zu spüren bekommen". In der Betreuung der Patienten werde aber selbstverständlich kein Unterschied gemacht, ob jemand geimpft sei oder nicht.
"Kein Mitleid, sondern Verständnis und weniger Egoismus"
Alle Mitarbeiter im Pflegebereich machen ihre Arbeit gerne und mit Überzeugung und wollen auch nicht Schreckensszenen malen. "Ich will kein Mitleid, aber Verständnis und Respekt - und weniger Egoismus", sagt Linda. Vor allem vermisst sie aber die Wertschätzung der Gesellschaft. "Das sieht man auch daran, dass sich viele einfach nicht impfen lassen", sagt sie.
Zusammenfassung
- Seit nunmehr 20 Monaten sorgt die Corona-Pandemie in mehreren Wellen für Belastung in den Spitälern und damit beim Gesundheitspersonal. Viele sind nach Monaten psychisch und körperlich zermürbt. Verständnis für Impfverweigerer gibt es nicht, wie PULS 24 bei einem Lokalaugenschein im Klinikum Wels Grieskirchen erfährt.