APA/STEFANIE RUEP

Auf den Berg ohne Auto: Öffi-Touren werden immer beliebter

"Bergsport ist Motorsport", besagt ein gängiger Slogan. Das klingt überspitzt, das Gros der Wanderer und Bergsteiger fährt aber nach wie vor mit dem eigenen Pkw zum Ausgangspunkt ihrer Touren. Dabei käme dem Verkehr bei der Bekämpfung der Klimakrise eine wichtige Rolle zu: Er ist einer jener Sektoren, die am meisten CO2 verursachen. Alpinvereine und engagierte Einzelpersonen bemühen sich deshalb aufzuzeigen, dass die Anreise zum Berg auch autofrei geht. Mit ersten Erfolgen.

"Die Anfahrt mit Öffis oder Fahrgemeinschaften wird immer mehr gang und gäbe", sagt Irene Welebil, Mobilitätsbeauftragte des Österreichischen Alpenvereins (ÖAV). "Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es bei dem Thema noch Luft nach oben gibt." Einer Leserumfrage des ÖAV-Mitgliedermagazins "Bergauf" im Jahr 2020 zufolge fuhren 87 Prozent der Befragten auch mit dem Auto in die Berge. "Das Öffi-Netz und der Öffi-Takt sind oft nicht an die Bergsportcommunity, sondern an die Bedürfnisse des Berufs- und Pendelverkehrs angelehnt", betont Welebil. "Gerade an den Wochenenden gibt es weniger bis gar keine Verbindungen, erst recht nicht in der Früh und am Abend."

Öffi-Touren seien aber nicht nur eine Frage des Angebots: "Wir müssen uns in unseren Köpfen ändern. Nicht jede Tour lässt sich mit Bahn und Bus machen. Ist man aber gewillt, es zu probieren, dann geht es sehr oft." Der ÖAV hat darum seine Bemühungen verstärkt, Ausbildungsprogramme und Sektionstouren möglichst autofrei zu gestalten. Im Portal alpenvereinaktiv.com lässt sich mittlerweile gut nach Touren mit Öffi-Anreise filtern. Und in der Stadt Salzburg können sich Mitglieder von Alpenverein und Naturfreunden das Klimaticket für ein Wochenende kostenlos ausborgen. "Die Nachfrage ist enorm, wir haben zehn Tickets im Verleih, die sind an Wochenenden fast immer alle weg", sagt Anita Bitterlich, Leiterin der Geschäftsstelle der Sektion Salzburg.

Was Bergsportler mit Öffis an Flexibilität einzubüßen glauben, machen sie wett, indem sie stressbefreiter, umweltfreundlicher und vielfach auch billiger reisen. Davon ist etwa Martin Heppner überzeugt. Er hat im Jahr 2020 mit Mitstreitern in Wien den Verein Bahn zum Berg gegründet und betreibt das gleichnamige Öffi-Tourenportal. "Wir wollen einen Beitrag zum Schutz der sensiblen Welt der Alpen und Berge leisten. Und wir wollen andere Menschen anregen, klimaschonend mit Zug, Bus oder Sammeltaxi zu ihren Outdooraktivitäten zu fahren." Es gehe darum, den Leuten eine Alternative anzubieten. "Wer nur das Auto kennt, für den ist der Pkw die einzige und beste Wahl."

Bahn zum Berg hat im Vorjahr mit Unterstützung des Klimaschutzministeriums die Suchmaschine Zuugle.at - eine Wortkreation aus Zug und Google - ins Leben gerufen. Diese untersucht für Österreich und Südbayern zehn Tourenportale und verknüpft sie automatisiert mit Fahrplänen. "Das Gros der Touren auf den Portalen ist von Autofahrern verfasst. Die beginnen immer beim Wanderparkplatz. Zuugle schaut, ob sich innerhalb von 30 Minuten Fußmarsch auch eine Haltestelle befindet", sagt Heppner.

Die Suchmaschine beurteilt zugleich, ob Hin- und Rückfahrt auch sinnvoll möglich sind - egal wie lange die Tour dauert. "Angezeigt wird nur, was machbar ist. Auch wenn ich neun bis zehn Stunden unterwegs bin, sollte ich einen Anschluss haben. Und im Winter wird darauf geschaut, dass Touren bei Tageslicht stattfinden." 17.200 Touren umfasst das Portal mittlerweile, in den kommenden Wochen soll es auch in Slowenien ausgerollt werden, später einmal auf alle Alpenstaaten.

Dennoch gilt vielen Wanderern und Alpinisten die Anreise mit Öffis als umständlich. "Viele sehen nur die Nachteile", sagt die Journalistin Stefanie Ruep, die heuer einen Wanderführer für Öffi-Touren für Salzburg publiziert hat. "Doch dafür muss ich nicht zum Auto zurück. Ich kann im Auf- und im Abstieg ganz andere Wege gehen. Überschreitungen von Bergen oder von Gebirgen sind wie gemacht für Touren mit Bus oder Bahn." Zugleich ließen sich viele der Dinge, die man sonst zu Hause mache, unterwegs oder an der Haltestelle erledigen: Frühstücken, Zeitunglesen, Sonnencreme auftragen, die Wanderkarte noch einmal studieren, ein kleines Schläfchen. "Und zurück im Tal kann ich noch was im Wirtshaus essen oder ein Bier trinken, während ich auf die Rückfahrt warte."

In Salzburg betreibt sogar der Verkehrsverbund (SVV) mit salzburg-erfahren.at eine eigene Öffi-Wanderplattform. Deutlich mehr Einfluss auf das Freizeitverhalten der Kunden nimmt er freilich durch den Ausbau des Angebots: Dank der Klimaticket-Mittel des Bundes habe man die Zahl der Regionalbuskilometer in den vergangenen Jahren um 20 Prozent erhöht, erklärte SVV-Geschäftsführer Johannes Gfrerer. "Und wir sind dabei, die Verbindungen an den Wochenenden und zu den Tagesrandzeiten weiter auszubauen. Auf den Hauptachsen funktioniert das schon sehr gut." Lücken gebe es hingegen noch beim Mikro-ÖV.

"Die Ballungszentren in Österreich sind mittlerweile gut angebunden. Die größte Herausforderung ist die letzte Meile", bestätigt Irene Welebil. Darunter versteht sich beim Wandern jene Distanz, die zwischen der letzten Haltestelle und dem Start der Tour liegt. Oft sind das Talschlüsse, die nicht von Regionalbussen bedient werden. Zwar gibt es Vorzeige-Modelle, in Salzburg etwa das W3-Shuttle nach Werfenweng am Südrand des Tennengebirges oder die Gemeinde Faistenau, wo die Ausgangspunkte für Touren in die Osterhorngruppe stündlich angefahren werden. Vielfach gibt es aber Luft nach oben.

Darum fördert das Land Salzburg seit kurzem Mikro-Öffi-Systeme mit bis zu 50.000 Euro pro Jahr - bis zu sechs Jahre lang. Seit Anfang Juli bedient die Gemeinde Unken im Saalachtal neu das bisher öffentlich nicht erreichbare Heutal mit einem 20-Sitzer. Das Shuttle ist mit den Zeiten des Postbusses aus Salzburg abgestimmt und kostet einen Euro pro Person und Fahrt, für Klimaticket-Besitzer ist es kostenlos. "Wir sehen uns als Wanderregion, da wollten wir den ökologischen Fußabdruck reduzieren", sagt Bürgermeister Florian Juritsch.

Fest zu stehen scheint, dass mit dem Angebot die Nachfrage wächst: "Dieses Jahr ist es mir zum ersten Mal aufgefallen, dass Schwung hineinkommt", berichtet Martin Heppner von Bahn zu Berg. "Mittlerweile gibt es Busse, da muss man sich schon anstellen, weil so viele Wanderer mitfahren." Und Irene Welebil vom ÖAV erzählt: "Manchmal bemerken wir schon so etwas wie Flugscham. Die Leute trauen sich nicht mehr zu sagen, dass sie allein mit dem Auto gekommen sind."

(S E R V I C E: https://www.bahn-zum-berg.at; https://www.zuugle.at; https://www.alpenvereinaktiv.com; https://salzburg-erfahren.at; "Mit Bahn und Bus zum Berggenuss": 80 Öffi-Wanderungen rund um Salzburg von Stefanie Ruep)

ribbon Zusammenfassung
  • Das klingt überspitzt, das Gros der Wanderer und Bergsteiger fährt aber nach wie vor mit dem eigenen Pkw zum Ausgangspunkt ihrer Touren.
  • Nicht jede Tour lässt sich mit Bahn und Bus machen.
  • Davon ist etwa Martin Heppner überzeugt.
  • Er hat im Jahr 2020 mit Mitstreitern in Wien den Verein Bahn zum Berg gegründet und betreibt das gleichnamige Öffi-Tourenportal.
  • Ich kann im Auf- und im Abstieg ganz andere Wege gehen.