Amok-Läufer von Plymouth soll Hass auf Frauen getrieben haben

Bei einer Gewalttat in der südenglischen Stadt Plymouth kamen sechs Menschen ums Leben, darunter ein dreijähriges Mädchen und die Mutter des mutmaßlichen Täters. Die Polizei schloss einen terroristischen Hintergrund aus.

Plymouth ist in Schock und Trauer. Wie Polizeichef Shaun Sawyer am Freitag sagte, tötete ein 22-Jähriger zwei Männer und zwei Frauen sowie ein dreijähriges Mädchen, bevor er sich selbst erschoss. Zwei weitere Menschen wurden schwer verletzt. Es handelt sich um den Vorfall mit den meisten Schussopfern in Großbritannien seit mehr als einem Jahrzehnt. Zum Motiv machten die Behörden zunächst keine Angaben.

In welcher Verbindung der mutmaßliche Täter und die Opfer standen, blieb zunächst unklar. Eine Augenzeugin sagte der "BBC", sie habe Schreie und mehrere Schüsse gehört. Der Täter habe die Tür eines Hauses eingetreten und das Feuer eröffnet. Dann sei er weggerannt und habe auf Menschen auf der Straße geschossen. Ein weiterer Zeuge beschrieb den Täter als einen "schwarz gekleideten Kerl mit einer Schrotflinte".

Täter soll Hass auf Frauen getrieben haben

Britische Medien berichteten, der mutmaßliche Täter sei der sogenannten Incel-Szene zuzurechnen. Die Abkürzung stammt vom englischen Begriff "involuntary celibate" und bezeichnet vorwiegend Männer, die unfreiwillig enthaltsam leben und Hass auf Frauen sowie auf sexuell aktive Männer entwickeln. Frauen werfen sie vor, ihnen Nähe und Sex zu verwehren, obwohl dies ihnen zustehe. Mehrmals kam es deshalb in den vergangenen Jahren zu Morden, etwa in Kanada. Manche Kriminalisten ordnen auch den norwegischen Massenmörder und Rechtsextremisten Anders Behring Breivik sowie die Attentäter von Christchurch und Halle der Incel-Bewegung zu.

In sozialen Netzwerken habe Jake D. entsprechende Aussagen getätigt, meldete auch die Nachrichtenagentur PA. Die Opfer scheint er aber fast alle willkürlich gewählt zu haben. Seine Accounts bei Facebook und Youtube wurden nach der Tat entfernt, wie PA berichtete.

"Schock und Trauer"

Es sind sechs Minuten, die Plymouth, den wichtigsten Stützpunkt der britischen Marine, auf Dauer verändern könnten. Von "einem der dunkelsten Tage seit vielen, vielen Jahren" spricht der Abgeordnete Johnny Mercer. Der Bischof von Plymouth, Mark O'Toole, rief die Menschen zum Gebet für Opfer und Angehörige auf. Es liege ein "tiefes Gefühl von Schock und Trauer" über der Stadt, sagte er. Polizeichef Sawyer sagte: "Die Auswirkungen auf die lokale Gemeinde Keyham, die Stadt Plymouth und viele Gemeinden im ganzen Land, in denen Angehörige der Gestorbenen leben, werden viele Monate und Jahre lang spürbar sein."

Erstes Opfer war Mutter des Schützen

Um kurz nach 18.00 Uhr (Ortszeit, 19.00 Uhr MESZ), so berichtete eine Anrainerin der BBC, habe ein Angreifer die Tür eines Hauses im Stadtteil Keyham eingetreten und angefangen zu schießen. Sawyer bestätigte später, dass Jake D. zunächst in einem Haus in einer Sackgasse eine 51-jährige Frau erschoss. Wie die Polizei später mitteilte, handelte es sich dabei um die Mutter des Schützen.

Draußen feuerte Jake D. weiter. Zunächst nahm er das Mädchen und ihren 43 Jahre alten Vater unter Beschuss - beide starben. Anschließend verletzte der Täter einen 33-jährigen Mann und eine 53-jährige Frau schwer. Dann floh er durch einen Park, wo er einen Mann (59) erschoss und eine 66-Jährige so schwer verletzte, dass sie im Krankenhaus starb. Dann erschoss er sich selbst. Ob Jake D., ein Kranführer, die übrigen Opfer persönlich oder vom Sehen kannte, ist noch unklar.

Die Bluttat sorgt auch deshalb landesweit für Entsetzen, weil Schusswaffengewalt selten ist - nach Angaben der National Crime Agency ist sie so niedrig wie in wenigen Ländern weltweit. Die Waffengesetze sind streng.

Erster Amoklauf seit elf Jahren

Der bisher letzte Amokfall ist gut elf Jahre her: Im Juni 2010 erschoss ein Mann im nordwestenglischen Gebiet Cumbria zunächst seinen Zwillingsbruder und einen Anwalt, Auslöser war offenbar ein Erbstreit. Anschließend tötete er zehn weitere Menschen und verletzte etwa ein Dutzend, bevor er sich selbst erschoss. Der Täter verfügte über einen Waffenschein. Auch Jake D. hatte nach Polizeiangaben mindestens für das Jahr 2020 eine entsprechende Erlaubnis. Die Tatwaffe hatte er legal erworben, wie die Polizei später mitteilte.

Die Menschen im Viertel seien durch die Brutalität des Angriffs "am Boden zerstört", sagte Plymouths Parlamentsabgeordneter Luke Pollard dem Sender Times Radio. "Keyham ist eine wirklich eng verbundene Gemeinschaft - es ist die Art von Ort, an dem man seinen Nachbarn kennt und aufeinander aufpasst." Der Fußball-Drittligist Plymouth Argyle sagte eine Pressekonferenz ab und senkte die Fahnen am Stadion auf halbmast. Premierminister Boris Johnson sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus.

Innenministerin: Vorfall "schockierend"

Die britische Innenministerin Priti Patel nannte die Tat "schockierend". Sie rief die Anrainer auf am Donnerstag dazu auf, Ruhe zu bewahren und den Anweisungen der Polizei zu folgen. "Meine Gedanken sind bei den Betroffenen", schrieb Patel am Donnerstagabend auf Twitter. Der Chef der oppositionellen Labour-Partei Keir Starmer, sprach von einer "Tragödie".

Mehrere örtliche Abgeordnete riefen die Anrainer auf, in ihren Häusern zu bleiben, den Anweisungen der Polizei zu folgen und keine Bilder oder Spekulationen in den sozialen Medien zu teilen. Der konservative Abgeordnete Johnny Mercer schrieb, der Vorfall habe keine Verbindung zu Terrorismus und der Verdächtige sei nicht auf der Flucht.

ribbon Zusammenfassung
  • Bei einer Gewalttat in der südenglischen Stadt Plymouth kamen sechs Menschen ums Leben.
  • Eine weitere Frau sei im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen. Bei einem sechsten Toten handle es sich vermutlich um den Tatverdächtigen. Alle Opfer hätten offenbar tödliche Schusswunden erlitten.
  • Laut der Exekutive gäbe es "keinen Terrorhintergrund". 
  • In welcher Verbindung der mutmaßliche Täter und die Opfer standen, blieb zunächst unklar.
  • Eine Augenzeugin sagte der "BBC", sie habe Schreie und mehrere Schüsse gehört. Der Täter habe die Tür eines Hauses eingetreten und das Feuer eröffnet.
  • Dann sei er weggerannt und habe auf Menschen auf der Straße geschossen. Ein weiterer Zeuge beschrieb den Täter als einen "schwarz gekleideten Kerl mit einer Schrotflinte".