Jahrzehntelange Vertuschung unter Ex-Biathlonweltverbandchef
Der Norweger habe bei praktisch allem, was er als Chef der Internationalen Biathlon Union (IBU) mit Sitz in Salzburg tat, konsequent und ohne jeden Anstand russische Interessen bevorzugt und geschützt, so die Kommission in ihrem Abschlussbericht. "Die Anschuldigungen sind abscheulich für alle, denen die Integrität des Sports am Herzen liegt. Es ist aber ein Verdienst der IBU, dass sie im Zuge dieses Skandals bedeutende Schritte unternommen hat, um die Integrität ihres Anti-Doping-Programms zu verbessern, sagte der Präsident der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA), Witold Banka.
Die wie die ERC unabhängige Biathlon Integrity Unit überprüft nun, ob sie Anklage gegen Besseberg und die frühere IBU-Generalsekretärin Nicole Resch erhebt. Die Justizbehörden in Norwegen und Österreich ermitteln ohnehin weiter gegen das Duo, das die Vorwürfe bestreitet und für das die Unschuldsvermutung gilt.
Der Norweger und später auch Resch sollen laut dem ERC-Bericht von 2008 bis 2018 offensichtlich "Interessen des russischen Verbandes, insbesondere im Zusammenhang mit der Dopingbekämpfung, ohne triftigen Grund geschützt haben", hieß es im am Donnerstag veröffentlichten Bericht mit über 200 Seiten. Zahlreiche Stellen wurden aber geschwärzt, da Strafverfahren gegen Besseberg und Resch noch laufen. Mehr als 70.000 Dokumente und elektronische Dateien wurden von der Kommission gesichtet und etwa 60 Personen befragt.
Aus gesundheitlichen Gründen konnte Resch im Rahmen der ERC-Untersuchung nicht befragt werden. Besseberg verweigerte eine Zusammenarbeit mit der Kommission. Die beiden Funktionäre hatten ihre Ämter seit April 2018 ruhen lassen.
Vor allem Besseberg, der von 1993 bis 2018 den Verband führte, habe nach Ansicht der Kommission schon vor 2008 offenbar keine Rücksicht auf "ethische Werte genommen und kein wirkliches Interesse daran gehabt, den Sport vor Betrug zu schützen".
Besseberg soll von den Russen mit Bestechungsgeldern, "Jagdausflügen und Prostituierten belohnt worden" sein, hieß es in dem Bericht. Er habe Doping nicht ernsthaft verfolgt, Sanktionen gegen Russland nicht durchgesetzt, Organisationen belogen und den Vorstand hintergangen. Resch, die sich anfangs noch Besseberg widersetzt habe, soll vor allem bei der Verfolgung von russischen Dopingsündern nicht konsequent gewesen sein. Die Deutsche weist diese Vorwürfe zurück.
"Das völlige Fehlen grundlegender Sicherheitsvorkehrungen in der IBU bedeutete, dass die frühere IBU-Führung ohne Kontrolle, ohne Transparenz und ohne Rechenschaftspflicht agieren konnte", sagte der ERC-Vorsitzende Jonathan Taylor.
Seit Ende 2017 laufen Ermittlungen der österreichischen Wirtschafts-und Korruptionsstaatsanwaltschaft wegen Doping- und Betrugsverdachts sowie Geschenkannahme. Besseberg ist ebenso betroffen wie russische Sportler und Betreuer. Sowohl gegen Besseberg in Norwegen als auch gegen Resch in Österreich laufen strafrechtliche Ermittlungen. Beide wurden bisher nicht wegen einer Straftat angeklagt, solange gelte die Unschuldsvermutung, hieß es in dem Bericht.
Auch bei der Vergabe für die WM 2021 ans russische Tjumen habe Besseberg Einfluss genommen. Zudem würden Aussagen von Informanten nahelegen, dass die russische Delegation unbekannten IBU-Kongressmitgliedern möglicherweise zwischen 25.000 und 100.000 Euro angeboten und auch gezahlt habe, um für Tjumen zu stimmen. Nach den schweren Dopinganschuldigungen gegen Russland mit dem Höhepunkt des Staatsdopings bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi hatte die IBU 2017 Tjumen die WM entzogen und an Pokljuka in Slowenien vergeben.
Resch wird unter anderem vorgeworfen, bei den Sotschi-Spielen keine zusätzlichen Tests für den Russen Jewgeni Ustjugow angeordnet zu haben, nachdem es Hinweise auf "hochgradig abnorme Blutwerte" gegeben hatte. Russland gewann mit Ustjugow Staffel-Gold vor Deutschland und Österreich. Er wurde nachträglich gesperrt, seine Olympia-Ergebnisse wurden annulliert. Dagegen geht Ustjugow gerichtlich vor.
Der ERC-Bericht sagt zudem aus, dass Resch "verdeckte" Hilfe bei Dopingbeschwerden von drei wegen Dopings aufgeflogenen russischen Athletinnen aus der Sotschi-Staffel geleistet habe. Nach den verlorenen Prozessen habe Resch "undercover gearbeitet, um diese drei Biathletinnen zu unterstützen und ihnen zu helfen, indem sie ihnen strategische und andere rechtliche Ratschläge gab", sagte Taylor am Donnerstag bei einer virtuellen Pressekonferenz.
Auch habe die IBU unter Besseberg und Resch nichts getan, um "schmutzige" Blutprofile russischer Skijäger zu ermitteln und die Dopingsünder zu verfolgen. Zudem soll sich Resch mit Besseberg 2015 beim Weltcup in Antholz abgesprochen haben, um die Untersuchung einer gebrauchten Dopingspritze, die dort gefunden wurde, zu verhindern.
Zusammenfassung
- Nach dem Bericht der unabhängigen externen Prüfungskommission (ERC) habe Besseberg "systematisch korruptes und unethisches Verhalten" an den Tag gelegt.