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Frauenfußball hat weiter Zuschauer:innen-Problem

Frauen hinken im Fußball nicht nur bei der Bezahlung, sondern auch punkto Zuschauer ihren männlichen Kollegen hinterher.

Im Schatten von Großereignissen, die von FIFA, UEFA und Co. gekonnt in Szene gesetzt werden, können sich nach wie vor verhältnismäßig wenige Menschen für die Auftritte in nationalen Ligen begeistern. Und die Personen, die Stadien besuchen oder TV-Übertragungen anschauen, sind in der Mehrheit Männer. Als Fußballfans sind Frauen weiter unterrepräsentiert.

Dass es bei der Sportbegeisterung eine Geschlechterkluft gibt, ist in der Sportsoziologie keine neue Erkenntnis. Zwar schließen Frauen bei der aktiven Sportausübung immer mehr zu den Männern auf, wozu zuletzt wohl auch die Corona-Lockdowns erheblich beigetragen haben. Beim passiven Sportkonsum ist der Unterschied aber noch immer enorm. So lässt sich mit Gewissheit sagen, dass der über Massenmedien vermittelte Spitzensport hauptsächlich Männer interessiert.

Kaum Daten

Robuste Daten für den Bereich Frauenfußball sind schon international besehen spärlich, national für Österreich ist das Material noch dünner. Laut einer relativ aktuellen Nielsen-Studie ("Women's Football 2019") sind von der Gesamtheit der Fußballfans 62 Prozent Männer und 38 Prozent Frauen. Die Fans von Frauenfußball sind demnach zu 54 Prozent männlich.

Dieses leichte Übergewicht gibt auch eine flüchtige Umfrage unter Vereinen der österreichischen Frauen-Bundesliga wider. Die Schätzung, dass vielleicht 60 Prozent des Publikums auf den Fußballplätzen Männer seien, kam öfters. Konkrete Zahlen gibt es nicht, da keine Daten nach Geschlecht gesammelt werden. Freilich ist die Gesamtmenge recht überschaubar, denn kaum einmal kommen mehr als 500 Leute zu einem Bundesliga-Match. Spiele des Frauen-Nationalteams ziehen höchstens eine niedrige vierstellige Zuschauerzahl an.

Große Schwankungen bei TV-Quoten 

Das TV-Interesse an den Partien schwankt erheblich. Absoluter Höhepunkt war die EURO 2017 in den Niederlanden, als die Österreicherinnen bis ins Halbfinale vorstießen. Dort unterlagen sie Dänemark im Elfmeterschießen, was von im Schnitt 1,19 Millionen Zuseherinnen und Zusehern im ORF verfolgt wurde. Noch reichweitenstärker war nur das aus österreichischer Perspektive erfolgreiche Elfmeterschießen im Viertelfinale gegen Spanien mit im Schnitt 1,21 Mio. Personen vor dem Fernsehgerät.

Die jüngste Begegnung gegen Belgien als Vorbereitung auf die EURO in England wurde dagegen von rund einer Million Menschen weniger verfolgt. Rund 100.000 Personen sahen die erste Halbzeit auf ORF 1, 120.000 die zweite. Der Test gegen Dänemark Mitte Juni wurde in der zweiten Halbzeit gar nur von 73.000 Zuseherinnen und Zusehern angesehen. Dass Frauenfußball mehr Männer anzieht als Frauen, bewahrheitet sich auch für die Übertragungen des ORF. Der prozentuelle Anteil der männlichen Zuseherschaft ist bei Frauen-Spielen noch höher als bei Partien mit Männern auf dem Rasen.

Diese Faktenlage lässt sich aber global beobachten. Großereignisse sind eine kurze Auszeit von der Realität, im Ligen-Vergleich offenbart sich in nahezu allen Ländern eine Diskrepanz zu den Männern-Spielen. Bei Partien der deutschen Frauen-Bundesliga, der englischen Women's Super League oder der spanischen Primera Iberdrola liegt die durchschnittliche Zuschauerzahl bei etwa 1.000.

Champions-League-Semifinale 

Außergewöhnliche Umstände ebneten auch den Boden für den Weltrekord von 91.648, die für das Frauen-Champions-League-Semifinale FC Barcelona gegen VfL Wolfsburg am 22. April ins Stadion Camp Nou kamen. Zum einen, dass der Club und die UEFA in der K.o.-Phase des Turniers ihre geballte Marketing-Power in die Schlacht warfen. Vereinsmitglieder konnten Tickets - von einer Bearbeitungsgebühr abgesehen - fast gratis erwerben. Zum anderen ist Barca tatsächlich mehr als ein Club, fast so etwas wie der Stolz einer gefühlt eigenen Nation. Außerdem hat sich Barcelona schon früh eine solide Fanbasis für die Frauen-Sektion geschaffen. Der Zuschauerschnitt in Spanien ist mit nahe 3.000 fast doppelt so hoch wie jener der Atletico-Frauen auf Position zwei.

Selbst im vielfach gelobten Land für Frauenfußball, den Vereinigten Staaten, liegt das Zuschauer:innenvolumen klar unter jenem der Männer. Die National Women's Soccer League (NWSL) hält in der laufenden Saison bei 7.300, die Major League Soccer (MLS) steht aktuell bei rund 20.000 pro Spiel.

ribbon Zusammenfassung
  • Frauen hinken im Fußball nicht nur bei der Bezahlung, sondern auch punkto Zuschauer ihren männlichen Kollegen hinterher.
  • Im Schatten von Großereignissen, die von FIFA, UEFA und Co. gekonnt in Szene gesetzt werden, können sich nach wie vor verhältnismäßig wenige Menschen für die Auftritte in nationalen Ligen begeistern.
  • Und die Personen, die Stadien besuchen oder TV-Übertragungen anschauen, sind in der Mehrheit Männer. Als Fußballfans sind Frauen weiter unterrepräsentiert.