Renaturierungs-KrachAPA/PULS 24

Streit um Renaturierungsgesetz - worum geht's eigentlich?

Die Zustimmung der Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag in der Causa EU-Renaturierungsgesetz sorgt für einen handfesten Regierungskrach. Die ÖVP ist vor allem wegen Landwirtschaftsverbänden klar dagegen. Alle Fragen und Antworten zum türkis-grünen Zankapfel.

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) stimmte am Montag im Rat der EU-Umweltminister:innen für das EU-Renaturierungsgesetz - zum Missfallen des Koalitionspartners ÖVP. Die sind nämlich klar dagegen. Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erklärte Gewesslers Zustimmung schon am Sonntag für rechtswidrig. Doch woran stößt sich die ÖVP und worum geht es? Ein Überblick. 

Was bedeutet Renaturierung? 

Das Gesetz verpflichtet EU-Mitgliedstaaten bis 2050 aktive Maßnahmen zu ergreifen, um geschädigte Ökosysteme auf ihrem jeweiligen Staatsgebiet zu renaturieren. Renaturierung bedeutet im Wortlaut natürliche Landschaften, Ökosystem und Lebensräume, die durch den Menschen beschädigt oder zerstört wurden, wiederherzustellen.

Darunter fallen Wälder, Wiesen, Moore und vor allem Flüsse. Laut EU-Parlament sollen "bis 2023 mindestens 20 Prozent der Land- und Meeresflächen der EU und bis 2050 alle sanierungsbedürftigen Ökosysteme wiederhergestellt werden". 

Das Gesetz ist ein Kernstück des "Green Deal" der EU-Kommission und wird von NGOs sowie Umweltorganisationen als wichtig angesehen. Im Februar 2024 wurde es bereits vom EU-Parlament mit knapper Mehrheit angenommen. Denn der Verlust von Lebensräumen und der darin lebenden Tier- und Pflanzenarten steigt rapide an. Moore trocknen aus, Flächen sind versiegelt, tausende Arten sind vom Aussterben bedroht

Gleichzeitig hat dies Auswirkungen auf die Menschen: kanalisierte Flüsse und zerstörte Auen etwa bieten keinen wirksamen Hochwasserschutz mehr und erkrankte Wälder stoßen Treibhausgase aus, anstatt sie zu speichern. 

Video: EU-Umweltminister segnen Renaturierungsgesetz ab

Warum kracht es jetzt in der Koalition? 

Die Renaturierungsverordnung führte zu einem handfesten Koalitionsstreit in der Regierung. Die ÖVP ist gegen das von den Grünen massiv beworbene Vorhaben.

Ihre Blockadehaltung argumentiert die ÖVP damit, dass das Gesetz zu grobe Einschnitte in die Land- und Forstwirtschaft hätte. Das Gesetz hätte Auswirkungen auf die heimische Lebensmittelversorgung und würde auch Arbeitsplätze gefährden, was wiederum die hiesige Wirtschaft hemmen würde. 

Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) kämpfte schon seit langem für eine Zustimmung, musste sich bisher aber auf EU-Ebene immer enthalten. Der Grund: Umweltagenden und Naturschutz sind grundsätzlich Ländersache. Die Länder hatten sich in einer einheitlichen Stellungnahme gegen die Renaturierung ausgesprochen. 

RenaturierungAPA

Ende April wendete sich das Blatt. Das rote Wien und das rote Kärnten sahen plötzlich von ihrer Blockadehaltung ab. Somit blockierten nur mehr sieben der neun Bundesländer, ob die einheitliche Länderstellungnahme damit aufgehoben ist, war allerdings fraglich. Denn eine einheitliche negative Stellungnahme der Bundesländer verpflichtet Gewessler eigentlich gesetzlich zur Ablehnung. Weil Kärnten und Wien aber ausscherten, war unklar, ob sich Gewessler daran halten muss

Dazu kommt, dass das Gesetz auch weitere Ministerien betrifft, etwa das Finanzministerium von Magnus Brunner (ÖVP) oder auch das Landwirtschaftsministerium von Norbert Totschnig (beide ÖVP). Das bedeutet, dass Gewessler nicht alleine entscheiden kann, wie aus dem Bundesministeriengesetz hervorgeht. 

Der ÖVP zum Trotz stimmte Gewessler am Montag aber zu. Am Sonntag kündigte die Umweltministerin bereits vor Journalist:innen ihre Zustimmung an. Damit ist Österreich das Zünglein an der Waage, das ausschlaggebend für den Erfolg des Gesetzes war. Denn nur so konnte die nötige qualifizierte Mehrheit der Länder erreicht werden.

Nach Gewesslers Ankündigung am Sonntag informierte Nehammer den belgischen Ratsvorsitz umgehend darüber, dass eine Zustimmung der Grünen-Ministerin rechtswidrig wäre. Ihr drohe eine Nichtigkeitsklage, die die ÖVP noch am Montag einbrachte. 

Video: Was bedeutet Renaturierung?

Kein leichter Weg auf EU-Ebene

Das Renaturierungsgesetz war auch auf EU-Ebene umstritten. Einige Länder begannen im Frühjahr zu zögern, dazu kam der Druck von Bauernverbänden, die lautstark gegen die Verordnung wetterten. Nach heftigen Bauernprotesten, bei denen Landwirte mit Traktoren regelrecht in Brüssel auffuhren, wurde der ursprüngliche Entwurf bereits abgeschwächt. 

Wie geht es nun weiter? 

Bevor das Gesetz in Kraft treten kann, müssen noch die EU-Mitgliedsstaaten zustimmen. Sollte es auch hier zu einer Zustimmung kommen, haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um eigene Pläne für die Umsetzung zu übermitteln. 

ribbon Zusammenfassung
  • Die Zustimmung der Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) am Montag in der Causa EU-Renaturierungsgesetz sorgt für einen handfesten Regierungskrach.
  • Die ÖVP ist im Sinne der Landwirtschaft klar dagegen.
  • Alle Fragen und Antworten zum türkis-grünen Zankapfel.