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Zadic will Expertenentwurf zu Weisungen umsetzen

Justizministerin Alma Zadic (Grüne) beharrt in der Diskussion um die künftige Weisungskette in der Justiz auf dem im Vorjahr präsentierten Expertenentwurf. Dieser sieht etwa eine unabhängige und weisungsfreie Generalstaatsanwaltschaft vor. Es sei kein Geheimnis, dass die politischen Verhandlungen mit der ÖVP nicht einfach seien, so Zadic bei einem "Justizdialog" am Donnerstag. Es gehe aber um den Rechtsstaat: "Da kann man sich ruhig Zeit nehmen, das muss gut austariert sein."

Laut dem Endbericht einer Arbeitsgruppe aus Justiz-, Universitäts- und Ministerienvertretern soll künftig nicht mehr der Justizminister bzw. die Justizministerin an der Spitze der Weisungskette stehen. An diese Stelle soll die Generalstaatsanwaltschaft treten - nicht aber in der Person des (erst zu schaffenden) Generalstaatsanwalts. Für Weisungen zuständig sollen ein bis zwei Dreiersenate sein, um "maximale Unabhängigkeit" zu gewährleisten.

Die parlamentarische Kontrolle soll in Justizverwaltungsangelegenheiten weiterbestehen. Laufende Ermittlungsverfahren sollen aber davon grundsätzlich ausgenommen sein, um auch nur den "Anschein von politischer Einflussnahme" auszuschließen. Ermittlungsverfahren würden damit nur der Kontrolle der Justiz unterliegen. Gegenstand parlamentarischer Anfragen sollen Ermittlungsverfahren erst dann werden können, wenn sie rechtskräftig abgeschlossen sind. Der Generalstaatsanwalt bzw. die Generalstaatsanwältin soll wie Richter und Richterinnen bestellt werden: Ein Personalsenat aus hohen Justizvertretern soll Besetzungsvorschläge erstellen. Die Auswahl erfolgt durch den Justizminister bzw. die Justizministerin, die Ernennung durch den Bundespräsidenten.

Derzeit ist der Vorschlag in Verhandlung mit der ÖVP, die eine Zustimmung jedoch mit einer Reform der Beschuldigtenrechte etwa in der Frage der Sicherstellung von Mobiltelefonen bzw. dem Ersatz von Verteidigungskosten verknüpft. Dies griff Zadic auf und betonte den hohen Standard der Beschuldigtenrechte in Österreich. So könne etwa gegen jede Entscheidung ein Rechtsmittel ergriffen werden. Umgekehrt müsse man aber auch Auswirkungen von möglichen Reformen bedenken - sie dürften Ermittlungen etwa in Sachen Kinderpornografie oder häuslicher Gewalt nicht entgegenstehen. Wichtigstes Beschuldigtenrecht sei es außerdem, dass jeder davon ausgehen können müsse, dass seine Sache unabhängig und frei von jedem Anschein der Befangenheit behandelt werde.

Zadic stellte in Frage, dass es noch zeitgemäß ist, einen Politiker bzw. eine Politikerin an der Spitze der Weisungskette zu haben. Eine Trennung der Fachaufsicht von der Politik tue sowohl dieser als auch der Justiz gut. Die Einrichtung von Dreiersenaten anstatt einer monokratischen Weisungsspitze werde Entscheidungen qualitativ verbessern und zu einer breiteren Akzeptanz in der Öffentlichkeit führen.

Eine schnelle Einigung mit der ÖVP erwartet Zadic derzeit nicht: Sie werde sicher nicht aus parteipolitischen Überlegungen den einfachen Weg gehen und auf Druck der Öffentlichkeit eine übereilte Reform umsetzen.

Auch Ex-Bundespräsident Heinz Fischer lobte den "umfassenden, ausgewogenen, interessanten und ideenreichen Bericht" der Expertengruppe. Er sprach sich dagegen aus, die Generalstaatsanwaltschaft durch den Nationalrat bestellen zu lassen. Man wisse von der Wahl des Rechnungshofpräsidenten, dass dies zu heftigem politischen Tauziehen führen könne und die Gefahr von Junktimierungen bestehe.

Natürlich dürften Generalstaatsanwaltschaft und Weisungsrecht keine kontrollfreie Zone werden, betonte Fischer. Gleichzeitig dürfe es aber auch nicht dazu kommen, dass unter dem Vorwand parlamentarischer Kontrolle Druck ausgeübt werde.

Der ehemalige Vizekanzler und Ex-Präsident des Verwaltungsgerichtshofs, Clemens Jabloner, gestand seine ursprüngliche Skepsis als Verfassungsrechtler gegenüber einer Änderung des aktuellen Systems ein. "Eine gewisse Restskepsis habe ich auch behalten." Er habe aber seine Meinung aufgrund der Wandlungen im Gefüge der Staatsfunktionen geändert.

Das gelte auch für die Position des Justizministers: Im Prinzip sei kein Organ unabhängiger als ein Bundesminister. Heutzutage werde allerdings jede Angelegenheit mit dem jeweiligen Koalitionspartner gespiegelt, Entwürfe dürften erst bei Konsens an die Öffentlichkeit. Unter Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) habe es auch eine Art "Herrschaft der Generalsekretäre" gegeben. "In einem solchen System kann der Justizminister kaum eine eigenverantwortliche Rolle wahrnehmen." Ein Mitwirkungsrecht des Nationalrats bei der Bestellung bzw. Abberufung der Generalstaatsanwaltschaft ist für Jabloner in Ordnung, es dürfe aber nichts ohne Zustimmung der Justiz gehen.

OGH-Präsidentin Elisabeth Lovrek sah den Justizminister durch die sogenannte "Anscheinsproblematik" (Recht, jedes Verfahren per Weisung zu beeinflussen bzw. einzustellen, Anm.) manchmal "gelähmt". Der jeweilige Ressortchef traue sich dann nicht mehr, wirklich einzugreifen - auch wenn dies angebracht wäre. Dazu komme noch ein faktisches Problem: "Ein ins politische Tagesgeschäft eingebundener Minister kann das juristische Fachgeschäft nicht so besorgen wie eine fachlich versierte Weisungsspitze."

Für ein Ende des ministeriellen Weisungsrechts plädierte die Präsidentin der Staatsanwälte-Vereinigung, Cornelia Koller. Sie argumentierte dies auch mit früheren Angriffen auf die Staatsanwälte. "Erst die Möglichkeit, dass die Weisungsspitze politisch angebunden ist, gibt die Möglichkeit, uns politisch anzugreifen." Wichtig sei auch eine klare Trennung zwischen den Staatsgewalten: Dabei erinnerte sie daran, dass durch diverse Reformen Staatsanwälte mit Aufgaben betraut wurden, die früher Untersuchungsrichtern zukamen. Auch im Zuge von Diversionen könnten Staatsanwälte Sanktionen bemessen, also im Kern richterliche Tätigkeiten setzen.

Im Zuge der Reform will Koller auch die umfangreichen Berichtspflichten der Staatsanwälte eingeschränkt wissen. Eine Junktimierung der Generalstaatsanwaltschaft mit Beschuldigtenrechten lehnte Koller ab - wobei sie letztere durchaus diskutieren möchte, allerdings unter dem Titel Grundrechte. In diesem Zusammenhang sei es aber widersprüchlich, wie in letzter Zeit einerseits höhere Strafdrohungen für viele Delikte einzuführen und andererseits gleichzeitig die Rechte der Staatsanwaltschaften einschränken zu wollen. "Höhere Strafdrohungen helfen erst dann, wenn ich die Täter auch ausforschen kann."

ribbon Zusammenfassung
  • Es sei kein Geheimnis, dass die politischen Verhandlungen mit der ÖVP nicht einfach seien, so Zadic bei einem "Justizdialog" am Donnerstag.
  • Die Auswahl erfolgt durch den Justizminister bzw. die Justizministerin, die Ernennung durch den Bundespräsidenten.
  • Sie argumentierte dies auch mit früheren Angriffen auf die Staatsanwälte.
  • Im Zuge der Reform will Koller auch die umfangreichen Berichtspflichten der Staatsanwälte eingeschränkt wissen.