Weitere Chats: Opposition sieht neue Belege für "schwarze Netzwerke"
Die Opposition sieht in Chatnachrichten aus der ÖVP, die am Mittwoch veröffentlicht worden sind, neue Belege für "schwarze Netzwerke" in der Justiz und Postenschacher. Die von der Plattform "ZackZack" publizierten Nachrichten legen nahe, dass es bei der Bestellung der Leitung der Oberstaatsanwaltschaft Wien einen politischen Deal gegeben haben könnte. Deren Veröffentlichung selbst ist aber umstritten, denn die Handydaten sollen gestohlen worden sein.
"Rote" vs. "schwarze Netzwerke"
Während die ÖVP gerne vor roten Netzwerken in der Justiz warnte, veröffentlichte das vom früheren Abgeordneten Peter Pilz betriebene Onlineportal "ZackZack" nun Auszüge aus Chats, die eher Hinweise auf "schwarze Netzwerke in der Justiz" enthalten, wie die Plattform titelt. Dass im Jahr 2014 mit Eva Marek nicht die von der Personalkommission bestgereihte Kandidatin neue Leiterin der Oberstaatsanwaltschaft Wien geworden ist, ist freilich schon seit damals bekannt. OGH-Hofrätin Marek hatte sich erst in letzter Minute beworben. Der damalige Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) rechtfertigte seine Entscheidung für Marek damit, dass die eigentliche Favoritin, Ilse Maria Vrabl-Sanda, als Leiterin der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft "unverzichtbar" sei.
Die nunmehr veröffentlichten Chats legen laut "ZackZack" nahe, dass mit der Besetzung zwei nicht genehme Kandidatinnen verhindert werden sollten und sich Marek im Gegenzug offenbar erwartete, zwei Jahre später mit der Leitung der Generalprokuratur belohnt zu werden. Weil sie dort allerdings nicht zum Zug kam, soll sie erbost an Brandstetter geschrieben haben: "Danke Dir für die peinliche Vorführung in der Perskomm. DANKE für das Einhalten unserer Gespräche und dass ich Dir aus einer ausweglosen Situation helfen dürfte. SPRICH (Maria-Luisa) Nittel und Vrabl verhindert werden mussten."
Diese Nachricht soll auch auf dem Handy des langjährigen Kabinettschefs im Innenministerium, Michael Kloibmüller, gelandet sein, den Marek laut "ZackZack" um Hilfe bat. Kloibmüller soll "ZackZack" zufolge auch seinen Chef, den heutigen Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), aktiviert haben - letztlich erfolglos.
Brandstetter weißt Absprachen zurück
Brandstetter wies Absprachen gegenüber dem Ö1-"Mittagsjournal" zurück. Kloibmüller erklärte auf Anfrage der APA, er könne inhaltlich nichts zu den Chats sagen, weil er deren Authentizität nicht prüfen könne. Er betont aber, dass seine Handydaten "gestohlen" worden seien. Das Mobiltelefon sei von einer Gruppe von Personen "widerrechtlich erlangt" und weitergegeben worden. Es gebe dazu auch ein Verfahren, in dem er als Opfer einvernommen worden sei.
Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses. In der Wohnung eines BVT-IT-Technikers sollen Ermittler mehrere Handys gefunden haben, die teils hochrangigen Innenministeriums- und Kabinettsmitarbeitern gehört haben sollen. Kloibmüllers Handys soll bei einem Kabinettsausflug nass geworden und dann dem Spezialisten zur Reparatur übergeben worden sein. Der Mann soll behauptet haben, nichts mehr retten zu können und das Telefon zu vernichten, stattdessen aber die Daten ausgelesen, weitergegeben und verkauft haben.
Peter Pilz entgegnete in Ö1 zum Vorwurf, dass die Chats aus einer kriminellen Handlung stammen, es sei "nicht die Aufgabe eines Mediums, das zu beurteilen". Man habe nicht nur "das Recht, sondern die Pflicht", solche Informationen zu veröffentlichen.
Korruptions-U-Ausschuss
SPÖ und FPÖ griffen die Veröffentlichung im Lichte des nahenden Untersuchungsausschusses zur ÖVP jedenfalls dankbar auf und übten in Aussendungen heftige Kritik an der Regierungspartei. Die "Enthüllungen" zeigten einmal mehr, "dass sich die Republik Österreich im Würgegriff schwarzer Netzwerke und Seilschaften befindet", meinte FPÖ-Fraktionsführer Christian Hafenecker. "Die ÖVP ist das Korruptionsproblem der Republik." Es sei "undenkbar", dass Sobotka den U-Ausschuss objektiv leiten könne, deshalb solle dieser den Vorsitz abgeben.
SPÖ-Fraktionsführer Kai Jan Krainer hält die Chats "für erschütternd, aber leider nicht überraschend". Auch er riet Sobotka, sich den Vorsitz noch einmal zu überlegen. "Das Problem der ÖVP mit Korruption wird immer offensichtlicher. Die ÖVP untergräbt damit den Rechtsstaat und beschädigt die Justiz. Das ist besorgniserregend", kritisierte auch SPÖ-Justizsprecherin Selma Yildirim.
"Die Volkspartei hat hier nicht nur ein bisschen gepackelt und Posten geschachert - was sich hier zeigt, ist nichts anderes als Korruption in der Justiz und im Innenministerium, um sicherzugehen, dass einem nichts passieren kann - egal, was man treibt", befand NEOS-Mandatarin Stephanie Krisper.
"Im Sinne der Gewaltenteilung muss die Justiz vor politischer Einflussnahme geschützt werden. Politischer Postenschacher und von der Politik abhängige Karrieren sind nichts anderes als ein Angriff auf die Rechtsstaatlichkeit. Das muss endlich aufhören und im konkreten Fall Konsequenzen haben", forderte auch Verfassungsjurist Heinz Mayer, Proponent des "Rechtsstaat & Antikorruptionsvolksbegehrens".
Hanger weißt Postenschacher-Vorwürfe zurück
ÖVP-Mandatar Andreas Hanger wies die Postenschacher-Vorwürfe zurück und erinnerte daran, dass der Bundespräsident (damals Heinz Fischer, Anm.) den Ernennungsvorschlag unterschreibt. "Es kann nicht sein, dass Personen allein aufgrund ihres Bekenntnisses zu Werten der ÖVP automatisch aus allen Bewerbungsverfahren herausfallen", meinte er außerdem. Zu Rufen nach einer Objektivierung bei der Bestellung von Staatsanwälten verwies er auf Justizministerin Alma Zadic (Grüne).
Zusammenfassung
- Neu aufgetauchte Chat-Nachrichten belasten einmal mehr Teile der ÖVP schwer. Es geht um möglichen Postenschacher in höchsten Justiz-Kreisen.