"Weiße Fahne" für Ukraine: Heftige Kritik am Papst
Papst Franziskus hatte in einem am Wochenende veröffentlichen Interview des Schweizer Fernsehens gesagt: "Wenn man sieht, dass man besiegt ist, dass es nicht gut läuft, muss man den Mut haben, zu verhandeln."
Ohne eine der beiden Konfliktparteien Russland oder Ukraine direkt beim Namen zu nennen, fügte er hinzu, ohne Verhandlungen könne die Situation noch schlimmer werden, weshalb man sich dafür nicht schämen solle.
"Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne"
In dem Interview wird Franziskus auch nach Forderungen aus der Ukraine nach "Mut zur Kapitulation, zur weißen Fahne" gefragt, was andere als Legitimation der stärkeren Seite sähen. Darauf antwortet der Papst allgemein: "Das ist eine Frage der Sichtweise. Aber ich denke, dass derjenige stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut der weißen Fahne hat, zu verhandeln."
Kritik aus Ukraine
Für diese Aussagen muss der Papst nun heftige Kritik einstecken. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba rief dazu auf, die Ukraine und ihr Volk im Kampf um ihr eigenes Leben zu unterstützen. "Der Stärkste ist derjenige, der im Kampf zwischen Gut und Böse auf der Seite des Guten steht und nicht versucht, sie auf die gleiche Stufe zu stellen und dies 'Verhandlungen' zu nennen.
https://twitter.com/DmytroKuleba/status/1766819132878553269
"Der ukrainische Botschafter beim Heiligen Stuhl, Andrij Jurasch, fragte, ob im Zweiten Weltkrieg jemand mit Hitler ernsthaft über Frieden gesprochen und die weiße Fahne geschwenkt habe, um ihn zu befrieden.
Mit Blick auf Moskau und den russischen Präsidenten Wladimir Putin fügte Jurasch laut Kathpress und katholischer Nachrichtenagentur hinzu, die Lektion aus der Geschichte sei: "Wenn wir den Krieg beenden wollen, müssen wir alles tun, um den Drachen zu töten!"
Auch Polens Außenminister Radoslaw Sikorski kritisierte auf X (Twitter): "Wie wäre es, wenn man zum Ausgleich Putin ermutigt, den Mut zu haben, seine Armee aus der Ukraine abzuziehen? Dann würde sofort Frieden einkehren, ohne dass Verhandlungen nötig wären".
https://twitter.com/sikorskiradek/status/1766757253502169360
Polen ist einer der engagiertesten politischen und militärischen Unterstützer der Ukraine. Das EU- und NATO-Mitglied und hat knapp eine Million Flüchtlinge aus dem östlichen Nachbarland aufgenommen.
"Kleingläubiger"
Der ehemalige ukrainische Botschafter in Österreich, Olexander Scherba, reagierte ebenfalls auf das Interview und nannte Franziskus einen "Kleingläubigen".
https://twitter.com/olex_scherba/status/1766745754121445815
Die Ukraine lehnt Verhandlungen ab, solange Russland die besetzten Gebiete nicht wieder freigibt. Schon aus früheren Papstäußerungen haben die Ukrainer das Gefühl, dass Franziskus mehr Verständnis für Russland aufbringt als für ihr angegriffenes Land.
Kapitulation heißt Gewalt
Die ukrainische Menschenrechtsaktivistin Oleksandra Matwijtschuk erklärte laut Kathpress etwa, dass eine Kapitulation für die Ukraine russische Besatzung bedeute.
Das heiße "Folter, sexuelle Gewalt, zwangsweises Verschwinden, Ablehnung der eigenen Identität, Zwangsadoption der eigenen Kinder, Filtrationslager und Massengräber", sagte Matwijtschuk. "Die Besatzung ist nur eine andere Form des Krieges", so die Vorsitzende des Kiewer Zentrums für bürgerliche Freiheiten, das 2022 den Friedensnobelpreis erhielt.
https://twitter.com/OlenaHalushka/status/1766527175270826013
Die Co-Gründerin des "Internationalen Zentrums für den Ukrainischen Sieg", Olena Haluschka, schrieb auf X: "Der Papst sollte endlich den Mut haben, einen Aggressor zu verurteilen, anstatt dem Opfer vorzuwerfen, dass es sich gegen einen Völkermord wehrt."
Vatikan will beschwichtigen
Unterdessen versuchte der Vatikan, die umstrittenen Äußerungen des Papstes einzuordnen. Das zum Heiligen Stuhl gehörende Online-Portal "Vatican News" verbreitete am Sonntag in mehreren Sprachen, darunter auch Ukrainisch, einen Bericht über eine entsprechende Erklärung von Vatikansprecher Matteo Bruni. Demnach präzisierte Bruni, der Papst habe damit "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben" wollen.
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Zusammenfassung
- Papst Franziskus hat in Bezug auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine "Mut der weißen Fahne" gefordert.
- Heftige Kritik daran kommt nun aus der Ukraine, aber auch aus Polen.
- Unterdessen versuchte der Vatikan, die umstrittenen Äußerungen des Papstes einzuordnen. Demnach präzisierte Bruni, der Papst habe damit "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben" wollen.