ÖVP und FPÖ: Überschneidungen und Knackpunkte
Nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen trifft Bundespräsident Alexander Van der Bellen am Montag mit FPÖ-Chef Herbert Kickl zusammen. Ob Van der Bellen dabei tatsächlich den Auftrag zu Regierungsbildung erteilen wird oder zu einer anderen Vorgangsweise greifen wird, ist offen.
Eine Möglichkeit ist aber, dass die FPÖ mit der ÖVP in Koalitionsverhandlungen beginnt. Neo-ÖVP-Chef Christian Stocker signalisierte am Sonntag, dass die Volkspartei dafür bereit sei.
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Welche Gemeinsamkeiten und Streitpunkte die beiden Parteien haben.
Steuern und Budget
Am riesigen Brocken Budget würden auch die Koalitionsverhandler von FPÖ und ÖVP nicht vorbeikommen. Das ursprüngliche Ziel der Freiheitlichen, bis zum Ende der Legislaturperiode einen ausgeglichenen Staatshaushalt zu haben, werden diese wohl angesichts aktueller Zahlen über Bord werfen müssen.
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Immerhin: Beide Parteien betonen die Notwendigkeit von Steuersenkungen und einer Entlastung des Mittelstands. Während die FPÖ eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel und Heizkosten vorschlägt, setzt die ÖVP vor allem auf eine Senkung der Körperschaftsteuer (KÖSt) und steuerliche Erleichterungen für Unternehmen.
Wirtschaft und Standort
Auch hier sind sich FPÖ und ÖVP in vielen Teilen einig. Beide Parteien sehen die Notwendigkeit der Stärkung des Wirtschaftsstandorts für Unternehmen und Industrie. Geht es nach den Freiheitlichen, muss Österreich als Produktionsstandort für Lebensmittel, Energie und Medikamente ausgebaut werden.
Ein Knackpunkt könnte allerdings die Herangehensweise bei diesem Thema sein. So fordert die FPÖ: "Schluss mit der Schädigung unserer Wirtschaft durch EU-Regulierungswut." Die ÖVP gibt sich naturgemäß weit europafreundlicher.
Europa
Die Europapolitik ist es dann auch, wo eine Annäherung zwischen FPÖ und ÖVP deutlich schwieriger werden könnte. Während sich die Volkspartei klar als proeuropäische Partei positioniert, schießt die FPÖ in Richtung Brüssel und Straßburg - auch wenn ihre Vertretung im EU-Parlament wächst. Die Freiheitlichen fordern mehr nationale Souveränität und eine Rückverlagerung von Kompetenzen nach Wien. Insbesondere die Frage von EU-Sanktionspaketen und Beitragszahlungen könnte zum Knackpunkt werden.
Sicherheit
Besonders schwierig könnten mögliche Koalitionsverhandlungen werden, wenn das Thema Ukraine auf den Tisch kommt. Die FPÖ wehrt sich seit Beginn des Krieges gegen Sanktionen gegen den Aggressor Russland und sieht dabei Österreichs Neutralität in Gefahr. Auch das Verteidigungsprojekt "Sky Shield" ist für die FPÖ untragbar.
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Einigkeit im Sicherheitsbereich könnte es leicht geben, wenn es um den Kampf gegen den "politischen Islam" geht. Auch Israel unterstützen beide Parteien bedingungslos im Nahost-Konflikt.
Energie und Klima
Im Kampf gegen den Klimawandel nimmt die FPÖ die absolut gegenteilige Position des bisherigen Koalitionspartners der Türkisen, den Grünen, ein. Ein Ausstieg aus fossilen Energieträgern ist für die Blauen undenkbar, der menschengemachte Klimawandel wird ohnedies zumindest bezweifelt. Aber auch die ÖVP propagierte in letzter Zeit immer öfter das "Autoland" Österreich und sprach sich gegen einen übereilten Ausstieg aus fossilen Energieträgern aus. Lieber vertrauen beide Parteien der Entwicklung neuer technischer Möglichkeiten.
Asyl und Zuwanderung
Ein Kernbereich der Freiheitlichen sind die Themen Asyl und Zuwanderung, bei der auch die von Parteichef Herbert Kickl propagierte "Festung Österreich" errichtet werden soll - also eine strikte Migrationspolitik, die kaum mehr Zuwanderung zulässt. In diesem Bereich hat auch die ÖVP ihre Linie verschärft, stellt aber - im Gegensatz zu den Freiheitlichen - die Flüchtlingskonvention nicht infrage. Auch das Sozialsystem wollen die Blauen weniger einfach für Zuwanderer zugänglich machen.
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Soziales
Auch in der Sozialpolitik zeigen sich Unterschiede zwischen den beiden potenziellen Verhandlungspartnern. So fordert die FPÖ eine Priorisierung von Transferleistungen für österreichische Staatsbürgerinnen und Staatsbürger. Die ÖVP setzt hingegen auf gezielte Förderungen, insbesondere für Familien, und warnt vor einer generellen Leistungskürzung.
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Außerdem liebäugelt man mit dem dänischen Modell, wonach Sozialleistungen erst nach mehreren Jahren dauerhaftem, legalem Aufenthalt im Land ausgezahlt werden. Nicht auf Linie sind beide Parteien beim Arbeitslosengeld. Eine Kürzung entspreche der "Eiskasten-Politik" der ÖVP, finden die Freiheitlichen.
Kammern
Seit jeher ist die FPÖ eine Gegnerin der Kammerpolitik. Auch Vertreter und Vertreterinnen der Blauen in der Sozialpartnerschaft fordern ein Ende der Pflichtmitgliedschaften. So würden die Beiträge die "Spitzen-Gagen und Luxuspensionen der rot-schwarzen Kammerfunktionäre" finanzieren. Die ÖVP hingegen steht hinter dem aktuellen System.
Medien
Ebenso Sturm läuft die FPÖ gegen den ihrer Meinung nach viel zu politischen ORF und fordert sogar per Petition ein Ende der Haushaltsabgabe. Auch in diesem Bereich könnte es sehr schwierig werden, mit der ÖVP Einvernehmen zu erzielen. Zudem setzen die Blauen zunehmend auf "alternative" Medien, die teils im rechtsextremen Spektrum angesiedelt sind. Eine gemeinsame Regierungskommunikation könnte hier schwierig werden.
Gesellschaft
Gesellschaftspolitisch sind die Positionen teils stark unterschiedlich, auch wenn sich beide Parteien grundsätzlich als konservativ sehen. Kommt es zum Thema LGBTIQ+, hört man von den Freiheitlichen allerdings populistische Töne, etwa gegen eine "Gender-Ideologie" oder "Frühsexualisierung". Die ÖVP hingegen versucht unter dem Label des "modernen Konservatismus", ein breiteres Wählerspektrum anzusprechen.
Zusammenfassung
- Auch wenn sich ÖVP und FPÖ in vielen Bereichen naturgemäß näher sind als die gescheiterten Koalitionsverhandler, eine blau-türkise Regierung ist längst keine gegessene Sache.
- Als Knackpunkt bleibt die mehr als nur angespannte Budgetsituation.
- Ein Überblick darüber, was die beiden Partei verbindet und trennt.