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Kickl als Kanzler? Was Van der Bellen darf

Bundespräsident Van der Bellen wurde unter anderem in eine zweite Amtszeit gewählt, weil er Herbert Kickl des Amtes enthoben hatte. Auch implizit hatte er immer wieder angedeutet, dass er Kickl nicht automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung geben würde. Darf er das?

Die FPÖ führte seit Monaten alle Wahlumfragen an - seit Sonntag ist es fix: Spitzenkandidat Herbert Kickl holte bei der Nationalratswahl den ersten Platz. Schon vorab wurde spekuliert, ob Österreich im Fall eines Wahlsieges der FPÖ seine erste Dreier-Koalition erlebt. 

Kein Regierungsbildungsauftrag

Formell gibt es keinen Regierungsbildungsauftrag.

Der vielzitierte Regierungsauftrag steht weder in der Verfassung, noch in sonst irgendeinem Gesetz - Van der Bellen müsse ihn also nicht erteilen. Der Auftrag ist eine Tradition, "aber nicht mehr", so sagte das etwas auch Politologe Peter Filzmaier am Wahlabend in der "ZIB 2".

Kickl wurde nach dem Ibiza-Skandal 2019 von Van der Bellen als Innenminister entlassen, auf Vorschlag von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Daraufhin zerbrach die Regierung.

Am Wahlsonntag meldete sich der Bundespräsident am Abend in einem Statement, dass die Regierungsbildung auch Vertrauen vom Bundespräsidenten brauche. Damit habe Van der Bellen Kickl indirekt ausgeschlossen, interpretierte das Filzmaier. 

Gleichzeitig ist sich der Experte auch sicher, dass die FPÖ Kickl an der Spitze der Partei nicht austauschen würde.

Van der Bellen habe auch vor seiner Wiederwahl als Bundespräsident 2022 Kickls Namen zwar nicht genannt, aber gesagt, dass er jemanden mit derartig europaskeptischen Meinungen nicht angeloben würde. Das sei für viele ein Wahlmotiv gewesen, Van der Bellen zu wählen. 

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Auch Rechtsexperte Clemens Jabloner gab gegenüber dem "ORF" eine interpretative Einschätzung zur Rolle von Van der Bellen in der anstehenden Regierungsfindung ab. Jabloner selbst war in der Übergangsregierung unter Kanzlerin Brigitte Bierlein Justizminister und war Präsident des Verwaltungsgerichtshofs.

"Für ungeeignet befunden"

Van der Bellen habe Kickl vor fünf Jahren als Innenminister entlassen. Er habe ihn "als ungeeignet befunden, Minister zu sein. Ihm jetzt den viel größeren Kanzlerjob zu übertragen, ist vielleicht für den Staatspräsidenten nicht nur gedanklich ein schwieriger Spagat."

In seiner kurzen Rede am Wahlabend habe Van der Bellen "inhaltliche Pflöcke eingeschlagen", sondern auch, dass das Amt das "Vertrauen" voraussetzt.

Dass die Regierungsbildung schwierig werden würde, war klar. Bundespräsident Alexander Van der Bellen hat noch vor der Wahl zwei neue juristische Berater in sein Team geholt. Ende September verstärkten Franz Merli, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien, und ab Ende Oktober auch die dann ehemalige Vizepräsidentin der Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Gabriele Kucsko-Stadlmayer die Präsidentschaftskanzlei.

Beide werden Van der Bellen ehrenamtlich juristisch beraten, zuletzt hatte diese Funktion der frühere Verfassungsgerichtshofpräsident Ludwig Adamovich inne, er verstarb im Juni im Alter von 91 Jahren.

Wer könnte mit wem koalieren?

ribbon Zusammenfassung
  • Bundespräsident Van der Bellen wurde unter anderem in eine zweite Amtszeit gewählt, weil er Herbert Kickl des Amtes enthoben hatte.
  • Auch implizit hatte er immer wieder angedeutet, dass er Kickl nicht automatisch den Auftrag zur Regierungsbildung geben würde.
  • Darf er das?