Vier- und Mehrkampf prägt Innsbruck-Wahl im April
Die Gemeinderatswahl 2018 war sein großer Coup: Willi landete mit seinen Grünen mit 24,16 Prozent auf Platz eins und setzte sich in der Bürgermeisterstichwahl gegen seine Konkurrentin, Amtsinhaberin Christine Oppitz-Plörer (Für Innsbruck), durch und avancierte zum ersten grünen Bürgermeister einer Landeshauptstadt. Damit hauchte er nebenbei den damals darniederliegenden Grünen - sie waren zuvor aus dem Nationalrat geflogen - wieder ein bisschen Leben ein. Doch mit Amtsübernahme begannen die Probleme, ging es mitunter rasant bergab: Die von ihm gezimmerte Viererkoalition brach 2021 auseinander, Streit und Grabenkämpfe bestimmten spätestens dann im "freien Spiel der Kräfte" das Stadtgeschehen und auch innerhalb seiner Grünen kam es zu einer Abspaltung.
Nun kämpft das 64-jährige Politurgestein - dem von politischen Gegnern mangelnde Managementfähigkeit sowie ideologisch getriebene Politik vorgeworfen wird - um seine Wiederwahl bzw. gegen seine Abwahl unter denkbar schwierigsten Voraussetzungen. Mit im Wahlkampfgepäck: Die stete Warnung vor einer "rechten" bzw. "schwarz-blauen" Übernahme der Tiroler Landeshauptstadt - Willi setzt auf totale Polarisierung mit der FPÖ und damit auf die Mobilisierung seiner eigenen, auch studentisch geprägten, Wählerschaft. Wohl zupass kamen ihm dabei zuletzt freiheitliche Plakate, auf denen zu lesen stand, dass der Bürgermeister ein "Problem" sei, das "gelöst" werden müsse. Helle grüne Aufregung war die Folge, die mit politischer Mobilisierung garniert wurde.
Doch der Freiheitliche Lassenberger ist - beflügelt durch bundespolitischen Rückenwind - nicht der einzige, der Willi das Bürgermeisteramt abspenstig machen will. Realistische Chancen - zumindest wenn es nach kursierenden Umfragen und politischen Beobachtern geht - haben auch noch die mittlerweile politisch verfeindeten Tursky und Anzengruber. Sie machen den Vierkampf um den Bürgermeistersessel - der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit endgültig bei der Stichwahl am 28. April entschieden werden wird - komplett. Das bürgerliche "Duell" dürfte Willis Stimmung zuletzt beträchtlich aufgeheitert haben, darf er doch auf eine Aufsplittung des bürgerlichen Wählerspektrums hoffen.
Der 35-jährige Tursky tritt als Bürgermeisterkandidat von "das Neue Innsbruck" an, eines bürgerlichen Bündnisses aus ÖVP, "Für Innsbruck" und dem ÖVP-Seniorenbund. 30 Jahre lang hatte die bürgerliche Spaltung in der Landeshauptstadt angedauert, mit dem Bündnis-Coup wollte man wieder gemeinsam marschieren und Willi schlagen. Doch die schwarzen Granden machten die Rechnung ohne den renitenten Anzengruber, der sich als damaliger ÖVP-Vizebürgermeister als der logische Willi-Herausforderer gesehen hatte. Nachdem der bisherige Staatssekretär Tursky auf das Schild gehoben worden war, kam es zum heftigen Zerwürfnis. Anzengruber gründete seine eigene Liste "JA - Jetzt Innsbruck" und wurde aus der Partei ausgeschlossen.
Der frühere Almwirt grast mit seinen Mitstreitern tief im bürgerlichen Segment, das in Innsbruck immer noch beträchtlich ist. Er ist im Stadtbild omnipräsent und gibt den Fighter wider die Parteiapparate. Tursky, wohl aus Mobilisierungsgründen vor kurzem als Staatssekretär zurückgetreten, geht volles Risiko, vertraut auf die schwarzen Netzwerke in der Stadt und inszeniert sich als der neue Macher von außen mit Visionen und Fokus auf Standortpolitik bzw. Wirtschaft und Wissenschaft. Und erklärt sich zum einzigen chancenreichen Willi-Herausforderer, da eine Stichwahl Grün gegen Blau jedenfalls Grün für sich entscheiden würde, wie er trommelt. Und Tursky hat am meisten in der Wahlkampf-"Kriegskasse": Rund 700.000 Euro.
Interessant - und mitentscheidend für eine spätere Koalitionsbildung bzw. eine etwaige "bürgerliche Mehrheit" - wird auch zu beobachten sein, wie viel an Prozenten und Mandaten das neue Tursky-Bündnis einheimst. Zu "verteidigen" gibt es einiges: 2018 kamen ÖVP, FI und Seniorenbund zusammengerechnet auf rund 30 Prozent und 13 Mandate.
Die FPÖ indes - 2018 mit 18,56 Prozent zweitstärkste Partei - vertraut der allgemeinen politischen Lage, die ihr wohl in die Karten spielen könnte. Und mit Lassenberger einem Spitzenkandidaten und ressortlosen Vizebürgermeister, der parteiübergreifend als durchaus verbindend gilt und auch in bürgerliche Kreise ausstrahlen soll.
Die SPÖ setzt auf die Strahlkraft der 40-jährigen Stadträtin Elisabeth Mayr, unter anderem für Bildung und Kinderbetreuung zuständig. Letzteres sowie vor allem den Dauerbrenner Leistbares Wohnen stellen die Sozialdemokraten ins Zentrum ihrer Kampagne und wollen wohl vor allem enttäuschte Grün-Wähler bei der Listenwahl zu sich ziehen. Chancen auf den Bürgermeistersessel werden Mayr nur verschwindende eingeräumt, für Rot gilt es vor allem als Partei vom "Keller" der lediglich 10,32 Prozent aus dem letzten Urnengang emporzusteigen.
Erschwerend für die Sozialdemokratie: Ex-Klubobmann Helmut Buchacher tritt nach Verwerfungen mit einer eigenen Liste an. Für den im Unterschied zu Mayr bisher dem rechten Parteiflügel angehörenden "Veteran" wird es aber kein leichtes Unterfangen, die erstmals geltende Vier-Prozent-Hürde für den Einzug in das 40 Sitze zählende Stadtparlament zu schaffen. Gleiches gilt wohl auch für die im Gemeinderat mit derzeit jeweils einem Mandatar vertretene linke "Alternative Liste Innsbruck" (ALI) sowie das im politischen Spektrum Mitte-Rechts angesiedelte "Gerechte Innsbruck".
Derzeit nicht im Stadtparlament zugegen ist die KPÖ. Und es gilt als wahrscheinlich, dass es dabei auch bleiben wird. Mit Spitzenkandidatin Pia Tomedi wollen die Kommunisten im Sog der Salzburger Wahlerfolge reüssieren, nur: Innsbruck ist in den Augen vieler wohl doch anders. Und zu groß ist das sonstige Angebot links oder links der Mitte.
Deutlich überflügeln will die Vier Prozent-Hürde hingegen die landesweit etablierte Liste Fritz. 2018 war sie nur bei 3,23 Prozent und einem Mandat zu liegen gekommen. Doch diesmal steigt Landesobfrau Andrea Haselwanter-Schneider als Bürgermeisterkandidatin in den Ring - mit Aussicht auf ein Stimmen-Plus bei der Listenwahl und zumindest ein Achtungsergebnis bei der Bürgermeisterdirektwahl.
Die NEOS vertrauen auf Ex-Nationalrätin und Gemeinderätin Julia Seidl. 4,73 Prozent und zwei Mandate heimste man 2018 ein - nun will man zweistellig werden und mitregieren. Für Pink lautet die Ausgangsposition: "Nix ist fix" - von einer Zitterpartie um den Einzug bis zu einem deutlichen Ausschlag nach oben.
Wohl nur verschwindende Chancen auf eine Zukunft im Gemeinderat haben die bisher dort nicht vertretenen Listen "Einig Innsbruck" (EINIG) sowie "TUN". Allen gemein ist jedoch: Sämtliche 13 Spitzenkandidaten stellen sich gleichzeitig auch der Bürgermeisterdirektwahl.
Rein inhaltlich verlief der bisherige Wahlkampf indes recht "arm". Doch auch hier dürften die unterschiedlichen Vorstellungen in den kommenden Wochen der heißen Wahlkampfphase noch deutlicher zum Vorschein kommen. Im Zentrum standen etwa der Kampf gegen das teure "Wohnpflaster" Innsbruck, die Verkehrspolitik in allen Facetten sowie - ein Dauerbrenner dieses Jahr - die bessere Nutzung bzw. Anbindung der Stadt an einen ihrer "Namensgeber": Den Inn.
Zusammenfassung
- Innsbruck erwartet eine der spannendsten Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen mit 13 Listen und einem Vierkampf um das Bürgermeisteramt am 14. April.
- Amtsinhaber Georg Willi (Grüne) strebt trotz innerparteilicher Spaltung und Koalitionsbrüchen die Wiederwahl an, mit FPÖ-Kandidat Markus Lassenberger als einem seiner Hauptkontrahenten.
- ÖVP-Spitzenkandidat Florian Tursky und Ex-ÖVP-Vizebürgermeister Johannes Anzengruber konkurrieren ebenfalls um das Bürgermeisteramt, was eine Aufsplittung des bürgerlichen Lagers zur Folge haben könnte.
- Die SPÖ, vertreten durch Stadträtin Elisabeth Mayr, legt den Fokus auf Bildung und leistbares Wohnen, sieht sich aber nur als Außenseiterin im Rennen um das Bürgermeisteramt.
- Der Wahlkampf konzentriert sich auf Themen wie Wohnkosten, Verkehrspolitik und die Nutzung des Inns, wobei die finale Entscheidung wahrscheinlich in einer Stichwahl am 28. April fallen wird.