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Vielfältige russische Aktivitäten in Österreich

24. März 2025 · Lesedauer 5 min

Mit dem britischen Gerichtsfall von im Auftrag des Ex-Bankers Jan Marsalek agierenden Bulgaren, die in Wien unter anderem den Investigativjournalisten Christo Grozev beschatteten, wurden Details einer größeren russischen Geheimdienstoperation bekannt. Über andere Aktivitäten russischer Dienste in Österreich liegen nur sporadische Angaben vor: Sichtbar ist Signalaufklärung in der "Russencity", vermutet werden Reisen von in Wien akkreditierten "Diplomaten" in Nachbarländer.

Am 14. Dezember 2020 veröffentlichten die Onlinemedien "Bellingcat" und "The Insider" eine Recherche, in der konkrete Mitarbeiter von Russlands Inlandsgeheimdienst FSB im Zusammenhang mit einem Giftanschlag auf den führenden russischen Oppositionellen Alexej Nawalny genannt wurden. Am selben Tag sei die Abteilung für innere Sicherheit des FSB beauftragt worden, zu klären, wie diese Namen Journalisten bekannt geworden sei, schrieben die Autoren der ursprünglichen Recherche, Christo Grozev und Roman Dobrochotow, Anfang März 2025 in "The Insider". "Eine hochrangige Geheimdienstquelle behauptet, dass diese Anweisung persönlich von (Russlands Präsident, Anm.) Wladimir Putin ausgegangen ist", so die beiden.

Belegen lässt sich in Ermittlungsakten jedenfalls, dass am Abend dieses 14. Dezembers sich der ehemalige Wirecard-Banker Marsalek an seinen in Großbritannien lebenden Bekannten Orlin R. wandte und mit "Ermittlungen" gegen den bulgarischen Investigativjournalisten Grozev beauftragte. Am 15. Dezember 2020 regte zudem der karrenzierte BVT-Mitarbeiter Martin Weiss bei seinem Kollegen Egisto Ott eine Überprüfung des seit langer Zeit in Wien lebenden Grozev an. Unter anderem die Tatsache, dass R. im Auftrag von Marsalek noch 2022 bei einem Ott-Schwiegersohn in Wien einen Laptop abholen ließ, führte im vergangenen Jahr zur Verhaftung von Ott. Das Oberlandesgericht Wien sah in Folge jedoch keine Haftgründe und beendete die Untersuchungshaft.

Für den selbst aus Bulgarien stammenden Investigativjournalisten Grozev wurden die österreichischen Aktivitäten der von Marsalek beauftragten Bulgaren sowie womöglich zusätzlicher Akteure schließlich als äußerst bedrohlich eingestuft. Für den Fall, dass eine Entführung scheitere, sei sogar eine Ermordung erörtert worden. Anfang 2023 habe er während eines Aufenthalts in New York einen Anruf US-amerikanischer Strafverfolgungsbehörden bekommen, erzählte Grozev vergangene Woche in einem Interview mit dem britischen Channel 4. Er könne nicht nach Europa zurückkehren, da ein "Team" dort auf ihn warte.

Grozev spekulierte über weiteren Agenteneinsatz in Wien

Einige Wochen später hätten ihm zuständige Behörden in Österreich von den angeheuerten Bulgaren berichtet, die ihn nicht nur beschatteten, sondern auch bei einem Einbruch einen alten Computer stahlen. "Die Ernsthaftigkeit, mit der mir österreichische Geheimdienste davon erzählten, implizierte, dass es eine viel professionellere und seit Jahren laufende Operation gibt", mutmaßte der Journalist über weitere gegen ihn gerichtete Aktivitäten russischer Dienste in Österreich, die bisher nicht bekannt geworden sind.

Bei der Operation gegen Grozev handelt es sich um die einzige größere Spionageoperation im Zusammenhang mit russischen Diensten in Österreich, die seit Beginn des russischen Angriffskriegs 2022 detailliert bekannt geworden ist. Dass dabei insbesondere Freiberufler ohne russische Staatsangehörigkeit und nicht hauptamtliche Agenten zum Einsatz kamen, entspricht einer aktuellen Tendenz: Nachdem in den letzten Jahren zahlreiche EU-Staaten eine große Anzahl an russischen Diplomaten mit vermutetem Geheimdiensthintergrund auswiesen und auch Reisen aus Russland in die EU komplizierter machten, setzt Moskau zunehmend auf Outsourcing und beauftragt deutlich schlechter ausgebildete Personen. Letzteres kann auch zu einem erhöhten Sicherheitsrisiko für Unbeteiligte führen.

Bulgarische Gruppe keine Profispione

"Diese Menschen wissen nicht, wie man deeskaliert", erläuterte Grozev in seinem Interview mit Channel 4. Als diese Gruppe in seine Wiener Wohnung eingebrochen habe, habe sein Sohn in einem Nachbarzimmer mit dem Computer gespielt. Er wolle sich nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn der Sohn das Zimmer verlassen hätte. Anders als Profispione hätten diese Einbrecher ihre Hausaufgaben nicht erledigt, klagte er.

Im letzten veröffentlichten Verfassungsschutzbericht des österreichischen Innenministeriums ist von derartigen Operationen keine Rede und man konzentriert sich ohne konkrete Beispiele zu nennen auf russische Desinformation und politische Beeinflussung. Erinnert wird aber auch daran, dass 2023 vier russische "Diplomaten", die führend in der Etablierung technischer Infrastruktur wie der Satellitenkommunikation gewesen seien, zum Verlassen Österreichs gezwungen worden seien. Sogenannte Signalaufklärung, konkret das Abhören von internationaler Kommunikation mit Hilfe von großen Satellitenschüsseln in der sogenannten "Russencity" in Wien-Donaustadt, gilt als eine der wichtigen und sichtbarsten Aktivitäten russischer Dienste in Österreich.

Staaten sehen Problem mit großer russischer "Legalresidentur" in Wien

Dass Russland in Österreich mit einer großen Anzahl akkreditierter Diplomaten auch eine der größten sogenannten "Legalresidenturen" verfügt, gemeint sind damit verdeckt agierende Geheimdienstler mit diplomatischer Immunität vor Strafverfolgung, hat in den vergangenen Jahren auch für Diskussionen mit Nachbarstaaten geführt: Nachdem etwa Deutschland und Tschechien die diplomatische Präsenz Russlands in ihren Ländern merklich reduziert haben, sollen in Österreich akkreditierte Russen vermehrt auch jenseits der österreichischen Landesgrenzen nachrichtendienstlich aktiv sein. Insbesondere Tschechien plädiert seit einiger Zeit dafür, russische Diplomaten in der EU nur noch jene Staaten bereisen zu lassen, in denen sie auch formal akkreditiert sind. Umgesetzt wurde diese Forderung bisher aber nicht.

Zusammenfassung
  • Am 14. Dezember 2020 enthüllten Bellingcat und The Insider eine russische Geheimdienstoperation gegen den Oppositionspolitiker Alexej Nawalny.
  • Jan Marsalek beauftragte bulgarische Agenten, den Journalisten Christo Grozev in Wien zu überwachen, was zu seiner Bedrohung führte.
  • Russland setzt zunehmend auf Freiberufler für Spionageoperationen in der EU, was Sicherheitsrisiken birgt.
  • Österreich beherbergt eine große Anzahl russischer Diplomaten, die verdeckte Geheimdienstaktivitäten durchführen könnten.
  • Tschechien fordert, dass russische Diplomaten nur in den Ländern reisen dürfen, in denen sie akkreditiert sind.