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USA flogen zuletzt 2.000 Menschen aus Kabul aus

Bei der Evakuierungsmission aus Afghanistan hat das US-Militär in den vergangenen 24 Stunden nach eigenen Angaben mehr als 2000 Menschen aus Kabul ausgeflogen. Das sagte Generalmajor William Taylor am Donnerstag im US-Verteidigungsministerium. Seit Beginn der US-Evakuierungsoperation am 14. August liege diese Zahl bei rund 7.000 Menschen, seit den ersten Evakuierungsflügen amerikanischer Streitkräfte Ende vergangenen Monats bei rund 12.000.

Zur Absicherung der Evakuierungsmission fliegen die US-Streitkräfte nach eigenen Angaben Überwachungsflüge mit Kampfjets über der afghanischen Hauptstadt. Taylor sagte am Donnerstag, es handele sich um bewaffnete F-18-Kampfjets. Man habe ein "wachsames Auge" auf die Lage, die permanent bewertet werde, um die Sicherheit von Amerikanern zu schützen. Pentagon-Sprecher John Kirby sagte, es handle sich nicht um Tiefflüge.

Die Außenminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) fordern nach einem virtuellen Treffen ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft zu Afghanistan. Es müsse eine weitere Eskalation verhindert werden, heißt es in einer Erklärung, die der britische Außenminister Dominic Raab herausgibt. Zu den G7 gehören neben Großbritannien auch Deutschland, die USA, Italien, Frankreich, Kanada und Japan. Am Freitag treten die NATO-Außenminister zur Erörterung der Lage in Afghanistan zusammen.

Die Taliban intensivieren laut einem für die UNO angefertigten Bericht ihre Suche nach Afghanen, die mit den US- und NATO-Truppen kooperiert haben. Die radikalislamische Miliz führe "Prioritätenlisten" von Menschen, die sie festnehmen wolle, hieß es in einem vertraulichen Dokument, das der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag vorlag. Besonders gefährdet seien diejenigen, die eine zentrale Rolle im afghanischen Militär, in der Polizei und im Geheimdienst gespielt haben. Der Bericht stammt vom norwegischen Zentrum für globale Analysen, einer NGO, die Lageeinschätzungen für verschiedene UNO-Agenturen erstellt.

Die Deutsche Welle (DW) berichtete unterdessen am Donnerstag über einen Angriff auf die Familie eines DW-Journalisten. Einer seiner Verwandten sei dabei getötet und ein weiter schwer verletzt worden. Der Journalist arbeite inzwischen in Deutschland.

Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) fordert unterdessen vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen einen Notfallplan zum Schutz von afghanischen Medienschaffenden. "Nur mit einer konzertierten Reaktion der Regierungen können Afghanistans Medienschaffende aus ihrer verzweifelten Lage gerettet werden", teilte RSF am Donnerstag mit. Die Organisation sprach von einer lebensgefährlichen Situation von Journalistinnen und Journalisten nach der Machtübernahme der Taliban in Kabul.

In Afghanistan flammten nach der Übernahme der Macht durch die Taliban erstmals in mehreren Teilen des Landes Proteste auf. Am Nationalfeiertag sei es in Kabul und in mehreren Städten im Osten des Landes zu Menschenansammlungen gekommen, bei denen afghanische Fahnen geschwenkt wurden, hieß es. In Asadabad wurden bei Protesten laut einem Augenzeugen mehrere Menschen getötet. Unklar ist, ob sie durch Taliban-Schüsse oder wegen einer Massenpanik starben.

Die rot-schwarz-grüne Nationalflagge entwickelt sich seit der Machtübernahme der Taliban zunehmend zu einem Protestzeichen gegen die Islamisten, die eine eigene Fahne haben - weiß, mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Am 19. August wird in Afghanistan die Unabhängigkeit des Landes von Großbritannien gefeiert.

Am Mittwoch war es zu Protesten gegen die Taliban in Jalalabad gekommen. Dort wurden mindestens drei Menschen getötet und mehr als ein Dutzend verletzt. Die Rebellen, die Gewaltverzicht versprochen hatten, kommentierten die Vorfälle zunächst nicht.

Die Lage rund um den Flughafen in der Hauptstadt Kabul blieb am Donnerstag weiter unübersichtlich. Viele Afghanen versuchten weiter verzweifelt, diesen zu erreichen, um nach der Einnahme der Stadt durch die Rebellen aus dem Land zu fliehen. "Die Situation ist angespannt", sagte der deutsche Bundeswehr-Brigadegeneral Jens Arlt. Die Menschen müssten Kontrollringe der Taliban überwinden, um zum Airport zu kommen. Ein Taliban-Vertreter rief Menschen ohne Ausreise-Erlaubnis auf, den Flughafen zu verlassen. Seit Sonntag sind dort laut Taliban und NATO zwölf Menschen ums Leben gekommen.

Auch das Wiener Außenministerium bemüht sich darum, österreichische Staatsbürger sowie Afghanen mit einer Aufenthaltserlaubnis in Österreich auszufliegen. Es sei bereits gelungen, zwei Personen außer Landes zu bringen, sagte eine Ministeriumssprecherin der APA am Donnerstag. 50 weitere Österreicher mit afghanischen Wurzeln würden sich derzeit noch in und um Kabul aufhalten. Zudem wolle man auch 35 afghanische Staatsbürger mit gültigem Aufenthaltstitel in Österreich aus dem Land bringen, sagte die Sprecherin dem Ö1-"Abendjournal". Es sei allerdings die Frage, "ob sie als afghanische Staatsbürger Zugang zum Flughafen bekommen werden".

US-Präsident Joe Biden schloss nicht aus, dass die US-Streitkräfte über den genannten Abzugstermin 31. August hinaus im Land bleiben würden. Voraussetzung für den Abzug sei eine vorherige Evakuierung aller US-Amerikaner. Zu möglichen Angriffen der Taliban sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC: "Die Taliban wissen, dass wir zurückschlagen werden wie es die Hölle kaum erlaubt, falls sie amerikanische Bürger oder das amerikanische Militär angreifen sollten."

ribbon Zusammenfassung
  • Bei der Evakuierungsmission aus Afghanistan hat das US-Militär in den vergangenen 24 Stunden nach eigenen Angaben mehr als 2000 Menschen aus Kabul ausgeflogen.
  • Das sagte Generalmajor William Taylor am Donnerstag im US-Verteidigungsministerium.
  • In Asadabad wurden bei Protesten laut einem Augenzeugen mehrere Menschen getötet.
  • Die Lage rund um den Flughafen in der Hauptstadt Kabul blieb am Donnerstag weiter unübersichtlich.