APA/APA/AFP/BRENDAN SMIALOWSKI

Biden warnt Israel vor Fehlern wie nach 9/11

US-Präsident Joe Biden hat Israel die Unterstützung seines Landes zugesichert, zugleich zu einem maßvollen Vorgehen gemahnt. Man solle nicht die "Fehler" der USA nach den islamistischen Terroranschlägen vom 11. September 2001 wiederholen, sagte Biden am Mittwoch in Tel Aviv. Er kündigte "nie da gewesene Hilfen" für Israel an. Es werde auch neue humanitäre Hilfen für die Palästinenser im Gazastreifen und im Westjordanland in Höhe von 100 Mio. Dollar (rund 95 Mio. Euro) geben.

Israel dürfe von seiner "Wut" auf den Großangriff der radikalislamischen Palästinenserorganisation nicht "verzehrt" werden. "Nach 9/11 waren wir in den USA wütend", sagte Biden. "Während wir Gerechtigkeit gesucht und Gerechtigkeit erhalten haben, haben wir auch Fehler begangen." Der nach den Terroranschlägen 2001 von den USA ausgerufene "Krieg gegen den Terror" hatte unter anderem zu den verheerenden Kriegen in Afghanistan und im Irak geführt.

Biden betonte, er werde im Laufe der Woche den Kongress um Hilfen für Israel in noch nie da gewesener Höhe bitten. Die USA würden dafür sorgen, dass Israel das habe, was es brauche, um sich zu verteidigen. Einzelheiten nannte der US-Präsident nicht. Der US-Kongress ist gegenwärtig wegen des internen Machtkampfes der Republikaner im Repräsentantenhaus faktisch nicht handlungsfähig.

Der US-Präsident rief Israel in seiner Rede auch zum Schutz der Zivilbevölkerung im Gazastreifen auf. Biden hatte schon vor seinem Israel-Besuch vor einer Besetzung des Palästinensergebiets gewarnt.

Biden drückte nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas sein Mitgefühl mit Israel aus. "Die Amerikaner trauern mit Ihnen", sagte Biden kurz nach seiner Ankunft bei einem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu. Dieser dankte Biden für seine "eindeutige Unterstützung".

Der US-Präsident sagte, er sei "traurig und empört" über die Explosion im christlichen Al-Ahli-Arab-Spital im Gazastreifen. Nach dem, was er gesehen habe, sei diese "vom anderen Team" verursacht worden. In Folge der Explosion wurden mutmaßlich hunderte Menschen getötet und verletzt. Der Vorfall, der sich am Dienstag kurz vor Bidens Abreise aus Washington ereignete, verschärft die Spannungen in der Region dramatisch und befeuert Sorgen vor einer Ausweitung des Konflikts. Laut Nachrichtenagentur Reuters erklärte die Hamas, die USA folgten Israel "blind". Später am Nachmittag erklärte Biden, der Kommentar zur Explosion sei auf Daten des US-Verteidigungsministeriums basiert. Der britische Premier Rishi Sunak hatte zuvor mitgeteilt, die britischen Geheimdienste würden "unabhängig Beweismaterial analysieren".

Die von der islamistischen Hamas kontrollierte Gesundheitsbehörde machte die israelische Armee dafür verantwortlich. Israels Armee sprach hingegen von einer fehlgeleiteten Rakete der militanten Palästinenserorganisation Islamischer Jihad, die für das Unglück verantwortlich sei. Es fehle etwa an den für einen Luftangriff typischen Kratern. Das Lagebild spreche vielmehr dafür, dass Raketentreibstoff Feuer gefangen habe. Der überwiegende Teil der Schäden wäre demnach durch Treibstoff und nicht durch einen Raketensprengkopf entstanden. An Gebäuden in der Umgebung des Krankenhauses seien keine strukturellen Schäden beobachtet worden. Unabhängig waren die Informationen nicht zu überprüfen.

Im Rahmen seines Treffens mit dem US-Präsidenten forderte Netanyahu die westliche Welt dazu auf, gemeinsam die Hamas zu besiegen. Das Massaker in Israel am 7. Oktober beweise, dass die Organisation das "reine Böse" verkörpere, sagte Netanyahu am Mittwoch bei seinem Treffen mit Biden. "Die zivilisierte Welt muss sich zusammentun, um die Hamas zu besiegen." Er verglich die Hamas, die auch von EU und USA als Terrororganisation eingestuft wird, erneut mit den Nazis und dem Terrornetzwerk Islamischer Staat (IS).

Die Hamas habe in Israel schlimmste Verbrechen verübt, sagte Netanyahu. "Wir werden die Hamas besiegen und diese schreckliche Bedrohung aus unseren Leben entfernen." Biden sei als erster US-Präsident der Geschichte in Kriegszeiten nach Israel gekommen. "Dies ist zutiefst bewegend", sagte Netanyahu.

Nach eigenen Angaben hat Biden bei seinem Treffen mit Netanyahu auch "harte Fragen" gestellt. Es sei unter anderem über die Lage vor Ort gesprochen worden, die Sicherheitsbedürfnisse und Informationen bezüglich der US-Bürger, deren Schicksal noch unklar sei, hieß es via Twitter (X). Am Nachmittag traf Biden auch den israelischen Präsidenten Yitzhak Herzog.

Im Anschluss an seinen Kurzbesuch in Israel wollte Biden ursprünglich nach Jordanien reisen, um mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmud Abbas, Ägyptens Staatschef Abdel Fattah al-Sisi und Jordaniens König Abdullah II. im Zuge der Nahost-Krisendiplomatie zusammenzukommen. Jordanien habe das Treffen in Absprache mit der US-Delegation abgesagt, so Kirby. Abbas werde wegen einer dreitägigen Trauer nach der Explosion in Gaza nicht anreisen. Biden werde mit Abbas und Sisi auf dem Rückflug reden.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz ist unterdessen, von Israel kommend, in Kairo mit Präsident Sisi zusammengetroffen. Sisi warnte dabei, dass sich die Entwicklung im Nahen Osten nicht mehr kontrollieren lasse könne, wenn die Kämpfe zwischen Israel und Hamas weitergingen. Es sei nicht auszuschließen, dass sich die Auseinandersetzungen ausweiteten, sagte er. Sisi sagte außerdem, dass es keine Massenflucht der Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten oder Jordanien geben dürfe. Er warnte vor einer militärischen Auseinandersetzung zwischen seinem Land und Israel, sollte sein Land Palästinenser aus dem Gazastreifen aufnehmen und auf der Halbinsel Sinai ansiedeln. "Der Sinai würde dann die Basis für weitere Angriffe gegen Israel", sagte Sisi. "Israel wird sich dann bestimmt wehren." Die Folge dürften Angriffe auf ägyptisches Territorium sein. Deshalb sei eine Evakuierung der Palästinenserinnen und Palästinenser aus dem Gazastreifen nach Ägypten unmöglich. Ägypten ist das einzige arabische Nachbarland Israels, das an den Gazastreifen grenzt.

In einer gemeinsamen Pressekonferenz sagte Scholz Sisi deutsche Hilfe bei den Bemühungen um eine Freilassung der von der Hamas entführten Geiseln zu. Später betonte er, eine solche Freilassung müsse "ohne Bedingungen" geschehen. Scholz dankte Sisi auch für seine Bemühungen um Deeskalation und Vermittlung im Krieg zwischen der Hamas und Israel. Zudem forderte er rasche humanitäre Hilfe für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen. "Die Palästinenser sind nicht Hamas. Und die Hamas hat kein Recht, für die Palästinenser zu sprechen", betonte Scholz. "Die Menschen dort brauchen Wasser, Nahrung und Medikamente."

Terroristen im Auftrag der Hamas hatten am Samstag vor einer Woche im Zuge des überraschenden Großangriffes auf Israel ein Massaker an israelischen Zivilistinnen und Zivilisten in Grenzorten und auf einem Musikfestival angerichtet. Es war das schlimmste Blutbad der israelischen Geschichte. Mehr als 1.400 Menschen kamen dabei und bei weiterem Blutvergießen in den folgenden Tagen ums Leben. Mitglieder der Hamas verschleppten zudem mindestens 199 Menschen, darunter auch US-Bürgerinnen und US-Bürger. Die israelische Luftwaffe griff als Reaktion auf das Massaker Ziele im Gazastreifen an. Erwartet werden außerdem weitere militärische Schritte Israels gegen die Hamas.

ribbon Zusammenfassung
  • US-Präsident Joe Biden hat Israel die Unterstützung seines Landes zugesichert, zugleich zu einem maßvollen Vorgehen gemahnt.
  • Einzelheiten nannte der US-Präsident nicht.
  • Am Nachmittag traf Biden auch den israelischen Präsidenten Yitzhak Herzog.
  • Scholz dankte Sisi auch für seine Bemühungen um Deeskalation und Vermittlung im Krieg zwischen der Hamas und Israel.
  • Zudem forderte er rasche humanitäre Hilfe für die Menschen im abgeriegelten Gazastreifen.