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Ungarn: Ukrainische Geflüchtete müssen Unterkunft verlassen

Im Dorf Kocs in Ungarn wurden rund hundert ukrainische Geflüchtete aus einer Notunterkunft geworfen. In Ungarn steht Schutz nur mehr Ukrainer:innen zu, die aus bestimmten von Ungarn definierten Regionen stammen.

Rund hundert ukrainische Geflüchtete wurden am Mittwoch aus ihrer staatlichen Unterkunft in Kocs, im Nordwesten von Ungarn vertrieben. Die private Unterkunft wurde vom Staat bis jetzt subventioniert. Die rund 120 Personen, davon zwei Drittel Kinder, wurden vom Betreiber wortwörtlich auf die Straße gesetzt. 

Die NGO Hungarian Helsinki Committee warnt, dass es noch 3.000 weiteren Ukrainer:innen so gehen könnte. 

Basis dafür ist ein Erlass der ungarischen Regierung aus dem Juni. Er trat am Mittwoch in Kraft. Nur Ukrainer:innen deren letzte Adresse in der Ukraine in Gebieten liegt, die direkt vom russischen Angriffskrieg betroffen sind, qualifizieren sich laut des neuen Erlasses noch für Schutz in Ungarn, so die BBC. 

Betroffen sind in Kocs, so "Euronews", überwiegend Ukrainer:innen aus der Transkarpartien im Westen der Ukraine. Ihre Herkunftsregion qualifiziert sie nicht mehr für temporären Schutz in Ungarn. 

Vielen der Geflüchteten würden entweder die Mittel zur Rückkehr in die Ukraine fehlen, oder sie wollen nicht, solange der Krieg weiter andauert. 

Laut dem UN-Flüchtlingswerk waren mit Ende Juli 2024 46.000 Geflüchtete aus der Ukraine für temporären Schutz in Ungarn registriert. 

Die rund hundert Ukrainer:innen aus Kocs werden nun temporär in einer anderen Unterkunft versorgt - aber nur für eine Woche, so die NGO Hungarian Helsinki Committee.

Hohe Strafzahlungen

Am Donnerstag drohte der ungarische Kanzleramtsminister Gergely Gulyás der Europäischen Union (EU) damit, Flüchtlinge und Migranten nach Brüssel zu bringen. "Wenn Brüssel die Migranten haben will, dann soll es sie bekommen", sagte der enge Mitarbeiter des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán auf einer Pressekonferenz am Donnerstag in Budapest.

Gulyás kritisierte ein jüngstes Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), das darauf reagierte, dass das Land höchstrichterliche Entscheidungen zum Asylsystem nicht umsetzte. Demnach muss Budapest 200 Millionen Euro sowie ein tägliches Zwangsgeld von einer Million Euro für jeden Tag des Verzugs zahlen.

Ungarn droht Brüssel

Gulyás bezeichnete die durch dieses Urteil entstandene Situation als "inakzeptabel, intolerabel und unwürdig". Ungarn hoffe, die Lage durch Verhandlungen mit der EU-Kommission bereinigen zu können. Außerdem erwäge sein Land, die EU auf dem Prozessweg dazu zu bringen, sich an den Kosten zu beteiligen, die Ungarn durch den aufwendigen Schutz seiner Grenzen gegen irreguläre Migranten habe.

Wenn dies nicht gelinge, "möchte Ungarn nicht endlos ein tägliches Zwangsgeld bezahlen", fügte er hinzu. Das Land werde dann vielmehr jedem Migranten an der Grenze anbieten, "dass wir ihn auf freiwilliger Basis und gratis nach Brüssel bringen".

Unter Orbán verfolgt Ungarn seit mehr als zehn Jahren eine sehr restriktive Asylpolitik. Das Land schottet sich mit Grenzzäunen gegen Flüchtlinge und Migranten ab. Nur einer geringen Zahl von Schutzsuchenden ist es möglich, einen Asylantrag zu stellen. Das Land gerät deshalb immer wieder auf Kollisionskurs zur EU und ihren Institutionen.

ribbon Zusammenfassung
  • Im Dorf Kocs in Ungarn wurden rund hundert ukrainische Geflüchtete aus einer Notunterkunft geworfen.
  • In Ungarn steht Schutz nur mehr Ukrainer:innen zu, die aus bestimmten von Ungarn definierten Regionen stammen.
  • Gleichzeitig droht Ungarn Brüssel: Wegen seiner Asylpolitik wurde Ungarn zu hohen Zahlungen verurteilt - nun droht der Kanzlerminister damit, Geflüchtete direkt nach Brüssel zu bringen.