Türkischer Journalist Dündar: "Ich sitze hier und schreie"
Was für Dündar die Wahrheit ist, sei für die Regierung der Türkei eine Gefahr. Schritt für Schritt hätte die rechtspopulistische AKP unter Präsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen zehn Jahren türkische Medien aufgekauft oder verboten. Gesetze wurden geändert und Journalistinnen und Journalisten ins Gefängnis gesteckt, erinnerte der Journalist, Buchautor und Dokumentarfilmer. Diese "Krankheit" - wie der 62-Jährige den Angriff auf die Pressefreiheit beschreibt - stehe auch vor Europas Toren. Angriffe auf kritischen Journalismus seien längst ein globales Problem geworden.
"Ich versuche zu schreien: Seid vorsichtig und verteidigt eure Demokratie! Sonst ist sie eines Morgens einfach verschwunden." Wie schnell das gehen kann, habe sich in der Türkei gezeigt. Er selbst wurde zwei Mal angeschossen und lebt heute in Deutschland, weil bei einer Rückkehr in die Türkei 27 Jahre Gefängnis auf ihn warten.
Der Druck auch auf die Zivilgesellschaft in der Türkei sei groß, es seien nur noch Einzelne, die sich noch trauten, offen Kritik zu äußern, schilderte Dündar. Viele von ihnen könne er "nur im Gefängnis oder auf Friedhöfen" besuchen. Alle hoffnungsvollen Kandidaten für eine demokratische Politik würden aus dem Weg geräumt. Es gebe keine Zivilgesellschaft mehr, kein Parlament, keine Medien und kein juristisches System, die für Einzelne einstehen würden. Das sei allerdings kein lokales, sondern ein globales Thema, unterstrich Dündar.
Deshalb sieht der ehemalige Chefredakteur der Tageszeitung Cumhuriyet heute nicht mehr Talent oder Ehrgeiz als wichtigste Voraussetzungen für angehende Journalistinnen und Journalisten, sondern Mut. Der sei nötig, um die Aufgabe des Journalismus als vierte Macht in einer Demokratie zu erfüllen.
Zusammenfassung
- Ein Plädoyer für den Schutz der bzw. den Kampf für die Pressefreiheit hielt der türkische Journalist und Buchautor Can Dündar am Samstag in einem Interview am Rande des 15. Europäischen Mediengipfels in Lech.
- Schritt für Schritt hätte die rechtspopulistische AKP unter Präsident Recep Tayyip Erdogan in den vergangenen zehn Jahren türkische Medien aufgekauft oder verboten.
- Viele von ihnen könne er "nur im Gefängnis oder auf Friedhöfen" besuchen.