APA/EXPA/JOHANN GRODER

Türkischer Ex-Spion trotz offener Ermittlungen abgeschoben

Ein vor Weihnachten von den österreichischen Behörden abgeschobener mutmaßlicher türkischer Ex-Spion ist mit einem Aufenthaltsverbot belegt und außer Landes gebracht worden, obwohl Ermittlungen gegen vermutete Hintermänner und mehrere Helfer des Mannes laufen. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, der APA.

Die Staatsanwaltschaft Wien führt demnach gegen mehrere Verdächtige ein Verfahren wegen versuchter Anstiftung zum Mord, wobei die Grün-Politikerin Berivan Aslan das Anschlagziel gewesen sein soll. Der 53-Jährige, der erstmals 1991 Kontakt zum türkischen Geheimdienst MIT hatte und spätestens 2017 für diverse Aufträge angeworben worden sein soll, wird in diesem Verfahren nicht als Beschuldigter, sondern als Zeuge geführt, erklärte Bussek. Dass er nun nicht mehr zur Verfügung steht, "macht es natürlich nicht einfacher". Man sei über die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BAF) angeordnete Abschiebung "nicht glücklich", sagte Bussek. Man habe dieses Vorgehen aber zur Kenntnis zu nehmen, es falle nicht in die Zuständigkeit der Justiz, sondern in die Kompetenz des Innenministeriums.

Der 53-Jährige - er ist gebürtiger Türke, besitzt aber die italienische Staatsbürgerschaft - wurde am 23. Dezember an die italienischen Behörden übergeben, nachdem er wenige Stunden zuvor nach dreimonatiger U-Haft aus der Justizanstalt Josefstadt entlassen wurde. Gegen den 53-Jährigen wurde seit September wegen militärischen Nachrichtendiensts für einen fremden Staat (§ 319 StGB) ermittelt. Dazu liegt mittlerweile liegt eine rechtskräftige Anklage vor.

Der Spionage-Prozess soll am 4. Februar am Wiener Landesgericht stattfinden. In der Anklage wird dem Mann vorgeworfen, sich seit März 2020 im Bundesgebiet für die Entgegennahme von Aufträgen von MIT-Mitarbeitern bereit gehalten zu haben. Im August soll er dann angewiesen worden sein, nach Belgrad zu reisen, wo ihm von einem Agenten namens "Ugur" der Anklageschrift zufolge aufgetragen wurde, die Wiener Landtagsabgeordnete Berivan Aslan "umzubringen oder wenigstens zu verletzen". Die kurdisch-stämmige Menschenrechtsaktivistin und Migrationsexpertin engagiert sich seit Jahren in Kurdenfragen und hat sich damit vor allem in der Türkei exponiert. Seit Bekanntwerden der gegen sie gerichteten Anschlagpläne steht sie unter verstärktem Polizeischutz.

Der außer Landes geschaffte 53-Jährige habe Aslan nicht nach dem Leben getrachtet, versichern seine Anwälte Veronika Ujvarosi und Daniel Mozga. Vielmehr habe er sich als Whistleblower an die österreichischen Behörden gewandt und nach seiner Festnahme mit den heimischen, aber auch ausländischen geheimdienstlichen Behörden kooperiert. Es habe etwa eine Einvernahme mit dem FBI stattgefunden.

"Der Mann wollte zum Beispiel von einer großen Menge an Waffen erzählen, die von A nach B transportiert werden sollen", meinte Ujvarosi im Gespräch mit der APA. Offenbar gebe es aber "ein Interesse, dass er nicht redet". Anders sei seine Abschiebung nicht zu erklären.

"Österreich ist vollkommen egal, was mit ihm passiert. Man hat ihn behandelt wie einen großen Kriminellen. Und jetzt nimmt man bewusst in Kauf, dass es ihn nicht mehr gibt. Man überlässt ihn seinem Schicksal", betonte Mozga. Der 53-Jährige, gegen den in Italien nichts vorliegt, befinde sich dort auf freiem Fuß. "Will Österreich, dass er untertaucht?", fragte sich Mozga.

Gegen die Familie des 53-Jährigen gibt es dessen Angaben zufolge in der Türkei nämlich ein konkretes Bedrohungsszenario. Ausschlaggebend dafür soll das in der Türkei geführte Verfahren gegen Metin Topuz sein, einen langjährigen Mitarbeiter des US-Konsulats in Istanbul, der als US-Spitzel zu mehrjähriger Haft verurteilt wurde. Seiner Darstellung zufolge hätte der 53-Jährige in diesem Verfahren als Zeuge aussagen und mit seinen Angaben eine Verurteilung zu lebenslanger Haft erwirken sollen. Weil er das nicht tat und weil er seit 2018 weitere Aufträge des türkischen Geheimdiensts abgelehnt habe, sei das Leben seiner Familie in Gefahr. Er habe sich im heurigen Sommer nur deshalb auf das Treffen mit dem MIT-Agenten in Belgrad eingelassen, weil ihm gesagt worden sei, dass man ihn und seine Angehörigen dann in Ruhe lassen werde. In weiterer Folge habe er sich an die österreichischen Behörden gewandt, weil er nichts mit einem Mordauftrag zu tun haben wollte.

Die Staatsanwaltschaft Wien sieht das anders. Sie geht davon aus, dass der 53-Jährige befürchtete, nach dem Anschlag auf Aslan vom MIT fallen gelassen und von den österreichischen Strafverfolgungsbehörden zur Rechenschaft gezogen zu werden. Daher habe er sich mit seinem Wissen um illegale Tätigkeiten des MIT dem heimischen Verfassungsschutz angedient.

Im Abschiebebescheid des BAF wird ausgeführt, der 53-Jährige stelle "eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die Grundinteressen der Gesellschaft dar". Von ihm gehe kraft seiner Anwesenheit "eine erhebliche Gefährdung der nationalen Sicherheit" aus, da er "Aktivitäten im Dunstkreis des türkischen MIT oder einer seiner Splittergruppen" eingestanden habe. Sein weiterer Aufenthalt wäre somit mit einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verbunden.

Die Anwälte des mutmaßlichen Ex-Agenten wollen diesen Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht bekämpfen. Eine von der APA erbetene offizielle Stellungnahme des Innenministeriums war Mittwochmittag ausständig.

ribbon Zusammenfassung
  • Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Wien, Nina Bussek, der APA.
  • Der 53-Jährige, gegen den in Italien nichts vorliegt, befinde sich dort auf freiem Fuß.