Tiwag-Sonderlandtag: Opposition schoss sich auf Mattle ein
Vor allem die Kündigungen von rund 100.000 Kunden, die in den Altverträgen verblieben waren, würden Mattle "schmerzen". "Das ist schlechter Umgang mit den eigenen Kundinnen und Kunden", auch das "Versenden der Vorschreibungen von Beitragserhöhungen oder Senkungen ohne Erklärungen" bemängelte er. Allerdings bringen die Kündigungen der Altverträge "Rechtssicherheit", in den Neuverträgen sah er ein gutes Angebot. Gleichzeitig werde es eine "Neuaufstellung der Tiwag" in personeller, struktureller und kommunikativer Hinsicht" geben. Zuletzt wurden "im Zeitverlauf begründet" zwei Vorstandsposten ausgeschrieben, nachdem etwa Vorstandsvorsitzender Erich Entstrasser im kommenden Jahr in Pension gehen wird.
Dennoch sah Mattle kein "Tiroler Spezifikum" im Vorgehen der Tiwag: "Alle Energieversorger können die Erwartungshaltung der Kunden nicht mehr erfüllen". Dies betreffe alle Bundesländer, "von Vorarlberg bis Wien". Mit einer Novelle des Elektrizitätsgesetzes, die von der schwarz-roten Landesregierung bei der Sonderlandtagssitzung vorgelegt und mehrheitlich gegen die Stimmen der Grünen beschlossen worden war, sowie in den Statuten der Tiwag werde eine Versorgungsverpflichtung zu einem kostengünstigen Preis festgeschrieben.
Einer "Dringlichen Anfrage" zur Rolle Mattles bei "Strompreiserhöhung und Massenkündigung" gab die Regierung nicht die nötige Mehrheit zur Behandlung. Dies bestätigte die Auffassung der Opposition, dass der Landeschef zur Causa schweige. "Mich würde interessieren: Haben Sie von diesen Massenkündigungen gewusst?", fragte FPÖ-Landespartei- und Klubobmann Markus Abwerzger. Für ihn war indes klar, dass die Tiwag "nicht nur der Gewinnmaximierung verpflichtet" sein dürfe - sondern der Versorgung der Tiroler Bevölkerung. Dass die Tiwag mit Strom aus "100 Prozent Wasserkraft" geworben habe, war für Abwerzger eine Täuschung: "Das, was wir über die Steckdose beziehen, ist kein Tiroler Strom", dieser werde vielmehr zigfach an der Börse gehandelt.
Liste Fritz-Klubobmann Markus Sint brachte ebenfalls das "Geschäftsmodell" des Energieversorgers aufs Tapet. Es würde "fünfmal mehr Strom gehandelt, als man selbst erzeugt". Die Tiwag würde "laufend an der Börse mitspekulieren". "Die Zeche müssen die Tirolerinnen und Tiroler bezahlen, wenn es einmal schief geht". Auch den Kraftwerksausbau - etwa das geplante und viel kritisierte Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal - brauche die Tiwag "für die Gewinnmaximierung", meinte Sint. "Ich will das nicht", hielt er fest.
Zur Verteidigung des Kraftwerksausbaus rückte für die ÖVP Energielandesrat Landeshauptmann-Stellvertreter Josef Geisler aus. Umweltministerin Leonore Gewessler (Grüne) habe schließlich Tirol "ausgerichtet", dass es zusätzlich 2,2 Terrawattstunden Strom produzieren muss. "Wie soll das gehen, wenn wir das Platzertal (für den Pumpspeicher Kaunertal, Anm.) nicht haben dürfen?", fragte er. Geisler erteilte auch der oftmals ins Spiel gebrachten Alternative mit Batteriespeichern aufgrund des Flächenverbrauchs eine Absage und bezeichnete sie als "Unsinn". Mit dem Sonderlandtag selbst - der von FPÖ, Grünen und Liste Fritz einberufen worden war - konnte Geisler offenbar nicht viel anfangen und ortete ein "Showprogramm".
"Nehmen Sie die Kündigungen zurück, senken Sie den Strompreis und läuten Sie die Tiwag-Energiewende ein", forderte indes Grünen-Klubobmann Gebi Mair. Mattle mache der Tiwag aber lieber "die Räuberleiter": "Sie wissen und wussten, was die Tiwag tut und decken das Handeln durch Ihre Ignoranz". Die Tiwag habe jene Menschen rausgeworfen, "die ihre Drohbriefe nicht verstehen können", und brachte dabei die Verantwortung der sozialdemokratischen SPÖ als Regierungspartner ins Spiel. Die Strompreissenkung sei "keine Frage des Könnens, sondern des Wollens" - zitierte er auch den anwesenden, AK-wahlkämpfenden schwarzen Kammerpräsidenten Erwin Zangerl.
Auch den roten ÖVP-Koalitionspartner schonte die Tiwag durchaus nicht. SPÖ-Landtagsabgeordnete Elisabeth Blanik kritisierte deren Führung scharf. Als diese im Beteiligungsausschuss geladen gewesen war, habe sie "kein Wort" über die anstehenden Kündigungen verloren. Auch bei der Frage nach dem Unternehmensergebnis habe man nur vage Antworten erhalten. In der Chefetage eines Landesunternehmens erwartete sie sich außerdem ein "gewisses politisches Gefühl. Das fehlt mir da zur Gänze". SPÖ-Energiesprecher Christian Kovacevic sah ebenfalls "intransparentes Vorgehen" und "teils sehr unglückliche Entscheidungen". Man hätte sich aber "viel Ärger ersparen können", wenn es auf Bundesebene "klare rechtliche Vorgaben" gegeben hätte.
"Holen wir uns die Vorstände und die der kommunalen Energieversorger in den Tiroler Landtag und lassen wir uns das einmal erklären", forderte NEOS-Klubobmann Dominik Oberhofer. Dann könne "endlich diese Blackbox Tiwag" geöffnet werden und man würde sehen, "wo wie Probleme sind." Der Pink-Politiker brachte indes die Wirtschaft und den Standort ins Spiel, die unter der Situation leiden würden. Einmal mehr forderte Oberhofer einen Landtags-Untersuchungsausschuss zur Tiwag, der vor dem Sonderlandtag im Raum gestanden war.
Im Vorfeld des Sonderlandtages hatte sich auch die Naturschutzorganisation WWF zu Wort gemeldet. Die Tiwag brauche eine "Neuausrichtung" und die Neubesetzung des Vorstandes sei eine "Chance für Überfällige Modernisierung." Mattle sei nun gefordert und müsse die "Notbremse" beim Kaunertal-Kraftwerk ziehen: "Die Tiwag hat viel zu viel Geld in das völlig veraltete und fehlerhafte Kaunertal-Projekt gesteckt. Damit blockiert der Konzern eine umfassend naturverträgliche Energiewende", sagte Bettina Urbanek vom WWF in einer Aussendung.
In den vergangenen Wochen und Monaten hatte die Strompreispolitik der Tiwag laufend für Schlagzeilen gesorgt, zudem waren Gerichtsverfahren u.a. aufgrund von Verbandsklagen anhängig. Nicht zuletzt deshalb, weil die Tiwag Kündigungen von Altverträgen aufgrund von Rechtsunsicherheiten im ElWOG verschickt hatte - gleichzeitig aber günstigere Neuverträge angeboten hatte. Die Arbeiterkammer und die Opposition zeigten sich empört und sprachen von "Massenkündigungen".
Zusammenfassung
- Der Tiroler Opposition hat am Dienstag in einer Sondersitzung zu Strompreiserhöhungen und Vertragskündigungen der landeseigenen Tiwag die Rolle von Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) als Eigentümervertreter ins Visier genommen.
- FPÖ, Grüne, Liste Fritz und NEOS übten heftige Kritik, Mattle habe seine Verantwortung nicht wahrgenommen.