Nach Terror-Anschlag: Führt Russland die Todesstrafe wieder ein?
Vier Tadschiken, die in Russland gelebt haben, wurden am Sonntagabend in Untersuchungshaft genommen. Sie sollen die mutmaßlichen Akteure des blutigen Terroranschlags auf eine Konzerthalle nordwestlich von Moskau gewesen sein, bei der 137 Menschen ums Leben kamen.
Auffällig waren besonders die Fotos, die russische Medien von den Verdächtigen veröffentlichten. Einer von ihnen wurde in einem Rollstuhl ins Gericht gebracht, ihm schien ein Auge zu fehlen.
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Ein anderer trug einen Verband über dem rechten Ohr, ein dritter hatte ein blaues Auge und trug ein zerrissenes Plastiksackerl um den Hals. Das Gesicht des vierten Mannes war so geschwollen, dass er kaum die Augen öffnen konnte.
Bilder von "offensichtlichen Folterspuren"
Es seien "offensichtliche Folterspuren", sagt Politikanalyst und Osteuropaexperte Alexander Dubowy im PULS 24 Interview. Das an sich sei nicht neu, "man hat gewusst, dass die russischen Sicherheitsbehörden die Tatverdächtigen durchaus foltern können", dass nun aber Bilder "auftauchen, die unwidersprochen auch in öffentlichen Staatsmedien gezeigt werden, das ist neu".
Die Foto-Veröffentlichung deute auf die "ersten, klaren Radikalisierungstendenzen sowohl gesellschaftlich als auch innerhalb der Sicherheitsbehörden" hin.
Video: Anschlag in Moskau
"PR-Desaster" für Russland
Das zur Schau stellen der Repressionen sei nötig, denn der Anschlag am Freitagabend wäre in einem westlich-demokratischen Staat ein "PR-Desaster", so auch Militärexperte Gerald Karner im PULS 24 Gespräch. Dass die Terroristen sich unbehelligt Zutritt in die Konzerthalle verschaffen konnten, habe auch daran gelegen, dass Metalldetektoren "entweder nicht in Betrieb oder ausgeschaltet" gewesen seien.
Nun kämpfe der Kreml um die "Deutungshoheit" im Narrativ rund um den Anschlag. Das sehe eben auch so aus, dass "man sehr rasch die vier Verdächtigen präsentiert, die offenbar gefoltert und misshandelt worden waren, und unter diesen Umständen auch bereit waren, sehr viel, sehr schnell zu gestehen", hält Karner fest. Drei der vier Verdächtigen bekannten sich laut dem russischen Gericht schuldig.
Video: "Schwerer Schlag für Putin-Regime"
Außenpolitisch versucht Russland - ohne Vorlegen von Beweisen, die Ukraine für den Anschlag verantwortlich zu machen. Die Ukraine dementierte das, zudem erklärte sich ein Ableger des Islamischen Staat für den Terroranschlag verantwortlich. Der Anlass könnte dafür verwendet werden, um den Krieg in der Ukraine zu intensivieren, befürchtet auch Russland-Experte Wolfgang Mueller in "Ö1".
Wiedereinführung der Todesstrafe?
Innenpolitisch hingegen stünden jetzt Repressionen und strengere Überwachung bevor. Verbündete von Kreml-Chef Wladimir Putin sprachen sich für eine Wiedereinführung der Todesstrafe aus, sie ist in Russland seit 1996 eigentlich ausgesetzt.
So eine Wiedereinführung könnte sehr schnell gehen, "denn die Gesellschaft lechzt nach Blut" so Dubowy. Für Putin sei sie eine Möglichkeit, um zu signalisieren, dass man nicht untätig bleibe. Gleichzeitig könne so "von den horrenden Fehlern und der Unfähigkeit der russischen Sicherheitsbehörden" abgelenkt werden.
Mueller sieht die Wiedereinführung der Todesstrafe eher als eine "Drohung im politischen Diskurs", derartige Argumente habe es bereits in der Vergangenheit gegeben und könnten quasi "auf Knopfdruck" reproduziert werden. Klar sei aber, dass "die innenpolitische Repression und die außenpolitische Aggression hoch bleiben werden" oder sich sogar verschärfen.
Video: Führt Russland wieder die Todesstrafe ein?
Zusammenfassung
- Nach dem verheerenden Terroranschlag in Moskau mit mindestens 137 Toten verhängte ein russisches Gericht die ersten Haftbefehle gegen vier Verdächtige.
- Ins Auge stachen bei der Verhandlung vor allem die "offensichtlichen Folterspuren" an den mutmaßlichen Terroristen.
- In Russland diskutiert man nun auch über eine Wiedereinführung der Todesstrafe.
- So eine Wiedereinführung könne sehr schnell gehen, "denn die Gesellschaft lechzt nach Blut" so Politikanalyst Alexander Dubowy.