Super-Wahljahr 2024: "Parteien müssen kämpfen und rennen"

In der österreichischen Innenpolitik wird es 2024 spannend. Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik über Stillstand, verändertes Wahlverhalten und das Match ÖVP gegen FPÖ.

Ein wahres Super-Wahljahr steht bevor mit der Nationalratswahl als Highlight. 

  • Am 10. März steht die Gemeinderatswahl in Salzburg an.
  • Am 14. April folgt die Gemeinderatswahl in Innsbruck.
  • Am 9. Juni findet dann die Wahl zum Europäischen Parlament statt.
  • Besonders spannend dürfte die Nationalratswahl werden, die spätestens im Oktober ansteht.
  • Im Oktober wählt außerdem Vorarlberg einen neuen Landtag.
  • Die Landtagswahl in der Steiermark folgt im November.

Katrin Praprotnik, Politikwissenschaftlerin an der Universität Graz, hat im Interview mit PULS 24 Redakteur Paul Batruel einen Blick auf das anstehende Wahljahr der Superlative geworfen.

Paul Batruel: Das Jahr 2024 wird von vielen als Super-Wahljahr bezeichnet. Wenn wir uns mal auf die großen, vor allem auf die Nationalratswahl konzentrieren, aus Sicht der Politikwissenschaftlerin: Steht uns ein Dauerwahlkampf bevor, beziehungsweise hat der schon begonnen?

Katrin Praprotnik: Natürlich ist die politische Stimmung aufgeheizter in einem Wahljahr. Das führt auch zu Polarisierung in der Gesellschaft, weil die politischen Parteien versuchen, klare Kante zu zeigen. Das ist sicherlich im heurigen Wahljahr noch etwas verlängert oder wir erwarten eine Verlängerung des Wahlkampfes, weil eben vor der Nationalratswahl – voraussichtlich im Herbst – noch die Europaparlamentswahl stattfindet.

Wir wissen auch aus der Forschung, dass dann bereits ein Europaparlamentswahlkampf sehr stark auch von nationalen Themen getragen wird. Das alles bedeutet aber nicht, dass es auf der anderen Seite sofort politischen Stillstand gibt und hier keine, beispielsweise ganz normale, tägliche parlamentarische Arbeit stattfindet.

Wenn wir zu den Regierungsparteien kommen, ist da oft die Befürchtung, dass man sich in so einem Wahljahr nicht mehr auf viel einigen kann. Was hätte man noch abzuarbeiten, wenn wir uns beispielsweise das Regierungsprogramm anschauen? Was gäbe es da noch an großen Vorhaben oder Reformen, die noch umzusetzen wären?

Der Druck ist sicher noch in vielen Bereichen groß, Umsetzungen noch in diesem Jahr zustande zu bringen. Beispielsweise kann man hier auf das Klimaschutzgesetz verweisen, das bislang immer noch ausständig ist. Mit dem Kontext Wahlen stufe ich das als sehr, sehr schwierig ein, dass das noch umgesetzt wird.

Auf der anderen Seite gibt es Dinge, beispielsweise im Justizbereich, wo ja auch der Verfassungsgerichtshof Druck gemacht hat und gesagt hat: Da braucht's Reformen, die derzeitigen Gesetzeslagen sind verfassungswidrig. Da erwarte ich mir schon noch, dass Bewegung reinkommt. Beispielsweise in puncto Handysicherstellung. Da muss man noch Neuerungen bringen und ich denke, das wird auch noch zustande kommen.

Ein drittes Beispiel – wo die Einigung eigentlich schon ausgemachte Sache ist – ist im Bereich Abschaffung des Amtsgeheimnisses. Ein ganz, ganz großer Brocken, auch schon lange versprochen und diskutiert, dass hier eine proaktive Informationspflicht der Behörden kommt. Das ist insbesondere auch spannend, weil das eine Zweidrittel-Materie ist. Die beiden Regierungsparteien müssen sich mit einer Oppositionspartei einigen. Das scheint jetzt gelungen, die SPÖ wird mitgehen. Man hat hier also ein Paket herausverhandelt, das, wenn es umgesetzt wird, einen Paradigmenwechsel in Österreich mit sich bringen wird.

Die Umfragen sind aktuell recht eindeutig, die FPÖ führt klar, SPÖ und ÖVP matchen sich um Platz zwei. Wer hat denn tatsächlich die besten Chancen, in diesem Wahljahr erfolgreich zu sein. Ist es so, wie viele denken, dass es quasi die "g'mahte Wiesn" für die FPÖ ist? Wer muss aus heutiger Sicht tatsächlich einen großen Absturz befürchten?

Viele Dinge können wir noch nicht vorhersehen, aber die Umfragen im letzten Jahr zeigen uns eigentlich ganz klar, dass die FPÖ auf Platz eins zu liegen gekommen ist und dahinter ÖVP und SPÖ mehr oder weniger gleichauf sind. Und nochmal mit klarem Abstand dahinter liegen die Grünen und die NEOS. Das kann sich natürlich noch ändern.

Wählerverhalten verändert sich

Wir sehen auch, wenn wir das langjährige Wahlverhalten in Österreich betrachten, dass die Volatilität, das heißt die Bereitschaft, von der einen Wahl auf die andere sich immer für eine andere Partei zu entscheiden, in Österreich gestiegen ist. Es gibt nicht mehr dieses Verhalten: Ich wähle so, wie bereits meine Großeltern gewählt haben, weil das Tradition ist. Sondern man ist eben stärker bereit, sich zwischen den Parteien neu zu entscheiden.

Das finde ich aus demokratiepolitischer Sicht auch sehr positiv, weil eben die Parteien kämpfen müssen, rennen müssen, Angebote bringen müssen, damit sich die Wählerinnen und Wähler für sie entscheiden. Wir sehen jetzt auch bereits bei den Strategien, gerade eben im Match ÖVP gegen FPÖ, dass die ÖVP natürlich versucht, Wählerinnen und Wähler wieder zurückzuholen.

ÖVP vs. FPÖ: Viele Inhalte gleich

Wir haben eine ganz starke Wechselbeziehung zwischen ÖVP und FPÖ. Eine ganz große Wählerbewegung. Um die matcht man sich. Das spitzt sich jetzt gerade auch alles ein bisschen zu um die Köpfe der Parteien, insbesondere auch um den FPÖ-Chef Herbert Kickl. Wo eben die ÖVP davor warnt, wenn ein Herbert Kickl in Regierungsverantwortung kommt. Gleichzeitig sicherlich auch mit diesem Kalkül, dass man sagt: Ok, Herbert Kickl, der polarisiert so stark. Wählt doch lieber uns, bleibt bei der ÖVP, geht nicht zur FPÖ. Weil ja die Inhalte von beiden Parteien relativ deckungsgleich sind in vielen Bereichen.

Nehmen Sie an, dass die Parteien mit den Kandidaten, die sie jetzt haben, auch in die Wahlauseinandersetzungen gehen?

Es sieht, Stand heute, danach aus, dass die Parteien mit dem Spitzenpersonal, das sie haben, auch in die Wahlauseinandersetzungen gehen. Man darf nicht vergessen, dass die Zeit bis zur Europaparlamentswahl, bis zur Nationalratswahl, sehr knapp ist. Und eine neue Person braucht ja auch ein bisschen Zeit und Möglichkeiten, sich einzuarbeiten, sich selbst aufzubauen, das Gesicht in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Das heißt, ein Wechsel wäre jetzt schon sehr schwierig, wiewohl er natürlich nicht auszuschließen ist.

ribbon Zusammenfassung
  • In Österreich steht ein wahres Super-Wahljahr bevor, am spannendsten wird die Nationalratswahl.
  • Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik über Stillstand, verändertes Wahlverhalten und das Match ÖVP gegen FPÖ.