Südtirol-Wahl: Wahlkampf-Ruhe vor Wahl-Sturm
"Geschlossenheit", "Stabilität", klare Mehrheitsverhältnisse, starker alleiniger Vertretungsanspruch der Minderheit gegenüber Rom, gleichzeitig eindringliche Warnung von "Instabilität" und "Zersplitterung" angesichts von 16 antretenden Listen: Landauf landab trommelte die SVP im Wahlkampf ihr Mantra, das jahrzehntelang noch immer "gezogen" hatte - meistens mehr, manchmal weniger. Auf die einfache, nie so direkt ausgesprochene, Formel gebracht: Nur wenn es der 'Sammelpartei' gut geht, geht es auch dem Land gut. Südtirols Erfolg steht und fällt mit der SVP. Dies war die Stoßrichtung von Kompatscher und den Seinen, die angereichert wurde mit dem ständigen Hinweis: Es gibt Probleme, ja, aber Südtirol ist eine Modellregion in Europa, die ringsum von allen beneidet wird.
Diese Machtfrage stand im Zentrum der Wahlauseinandersetzung, die ansonsten auch Themen wie Sicherheit wegen steigender Kriminalität (auch in Verbindung mit Migration), Gesundheit und leistbares Wohnen beinhaltete. Und diesmal gar nicht so sehr die Autonomie. In der Wahlbewegung agierte die SVP geschlossen, von Spitzenkandidat Kompatscher, Parteiobmann Philipp Achammer abwärts. Alles andere wäre angesichts der prekären Lage auch politischer Selbstmord gewesen. Doch die Klötze an den Beinen blieben: Die europaweit grassierende Unzufriedenheit, das Abrechnen mit "System" und Regierenden. Hinzu das "Hausgemachte": Die parteiinternen Querelen und Affären der vergangenen Jahre, die im Antreten der Liste von Ex-SVP-Urgestein Thomas Widmann gipfelten.
Hinzu kommt eine in großen Teilen Kompatscher-kritische Medienlandschaft. Zuletzt sprach der Landeschef in einem Interview mit der "Neuen Südtiroler Tageszeitung" gar davon, dass es eine "starke Medienmacht" gebe, die seit Jahren "daran interessiert ist, einen Machtwechsel herbeizuführen". Und vor allem fürchtet man in der SVP: Dass viele Wähler trotz eigentlich hoher Sympathiewerte Kompatschers der Partei die Stimme versagen und zu Hause bleiben.
41,9 Prozent und 15 Mandate fuhr man im Jahr 2018 ein. Die Frage jetzt: Kommt es zu einem Absturz ins "Bodenlose" oder nur einem kleineren bis mittleren "Faller". Muss Kompatscher, der zum letzten Mal antritt, bei unter 35 Prozent zurücktreten? 35 Prozent (Umfrage in der Tageszeitung "Dolomiten") oder weniger wurden zuletzt prognostiziert. Kompatscher selbst baute im APA-Interview schon mal etwas vor und meinte, "deutliche Stimmenverluste" seien realistisch. Wohl auch aus Mobilisierungsgründen und um die Latte möglichst tief anzusetzen.
Der Landeshauptmann verwies zuletzt, was seine politische Bewertung betreffen wird, nicht nur auf das Wahlergebnis, sondern auch auf die Möglichkeit, eine "vernünftige Regierung" auf die Beine zu stellen. Eine solche sah er vor allem ab dem Erreichen von 14 SVP-Mandaten gegeben.
Ebendiese Regierungsbildung dürfte zumindest gleich spannend werden wie die Wahl selbst. Wird die SVP auf eine Dreierkoalition angewiesen sein, gar unter Hereinnahme einer weiteren deutschsprachigen Partei. Letzteres wäre doch eine kleine Demütigung für die stolze Partei, die vor nicht allzu langer Zeit noch mit absoluter Mandatsmehrheit regierte. Durchaus möglich, dass Kompatscher nicht nur mit der Lega wie bisher regiert, sondern auch, wenn nötig, die rechtsgerichtete "Fratelli d'Italia" von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni hereinnimmt. Letzterer wird das beste Ergebnis der italienischsprachigen Parteien prognostiziert. Als möglicher deutschsprachiger Partner wurden zuletzt medial mitunter die Südtiroler Freiheitlichen genannt. Widmann dürfte es wohl nicht werden - und wenn nur ohne Kompatscher.
Die Bäume der mit vielen Listen antretenden deutschsprachigen Opposition werden wohl - betrachtet man sie als Einzelparteien - nicht in größerer Zahl in den zweistelligen Prozent-Himmel wachsen. Ob sich etwa das Team K, mit 15,2 Prozent der Überraschungssieger der letzten Wahl, in diesem Bereich wird halten können, ist mehr als fraglich. Neue Gruppierungen wie Widmann oder "JWA" des umstrittenen Coronamaßnahmen-Kritikers und Ex-Schützenkommandanten Jürgen Wirth Anderlan, der zuletzt ein Lob-Video von FPÖ-Chef Herbert Kickl erhielt, bleiben große Unbekannte.
Österreichische Wahlkampfhilfe bzw. Auftritte von heimischen Spitzenpolitikern blieben indes - im Gegensatz zu früher - diesmal fast komplett aus. Mit Ausnahme von Tirols Landeshauptmann Anton Mattle (ÖVP) beim SVP-Wahlkampfauftakt und der Tiroler FPÖ-Landtagsabgeordneten Gudrun Kofler bei einer Pressekonferenz der Süd-Tiroler Freiheit.
Rom war in der autonomen Provinz naturgemäß stark vertreten. So tourte etwa Lega-Chef und Vizepremier Matteo Salvini mit starken Sprüchen durch die Lande - einem medial viel beachteten Transit-Besuch am Brenner inklusive. Wenig später beschloss Italien dann die EuGH-Klage gegen Österreich. Gegen diese stellte sich wiederum Kompatscher verbal. Schließlich gibt es auch in der Südtiroler Bevölkerung viel Unmut über den überbordenden Transitverkehr auf der Brennerstrecke.
Am Sonntag - oder besser gesagt Montag, an dem Tag steht das Ergebnis fest - werden jedenfalls auch Wien und Innsbruck interessiert in den Süden blicken. Zu einer Landtagswahl, die Spannung verspricht wie selten zuvor.
Zusammenfassung
- Die Südtiroler Landtagswahl am Sonntag nähert sich großen Schrittes und der Wahlkampf war zwar kein "Wahlschlaf", aber doch von eher bedächtigerer Natur.
- Große Aufreger blieben aus. Doch mit Sonntag, spätestens Montag, dürfte es mit der "Ruhe" vorbei sein.
- 41,9 Prozent und 15 Mandate fuhr man im Jahr 2018 ein.
- Als möglicher deutschsprachiger Partner wurden zuletzt medial mitunter die Südtiroler Freiheitlichen genannt.