Streit über Europapolitik: AfD-Parteitag vorzeitig beendet
Am Samstag bestätigte eine relativ knappe Mehrheit von 53,4 Prozent Chrupalla für weitere zwei Jahre im Amt. Bei seiner ersten Wahl 2019 waren es 54,5 Prozent. "Mit 53 Prozent wiedergewählt zu werden in einer Alternative für Deutschland, das muss man auch erstmal schaffen", sagte Chrupalla am Sonntag nach Abschluss des Parteitags.
Weidel rückte von der stellvertretenden Parteichefin in die Position der gleichberechtigten Co-Vorsitzenden auf. Sie erhielt 67,3 Prozent. Weidel nannte die bisherige Doppelspitze in der Fraktion ein Erfolgsmodell. Dieses werde man nun "auf die Partei spiegeln". Chrupalla sprach von einem "Aufbruch". Ziel sei es, die Vergangenheit und den Streit hinter sich zu lassen. "Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag auch beendet", sagte er.
Vertreter des eher gemäßigten Meuthen-Lagers - Ex-Co-Chef Jörg Meuthen hatte im Jänner die Partei verlassen - hatten zuletzt immer wieder scharfe Kritik an Chrupalla geübt, unter anderem wegen Stimmenverlusten für die AfD bei Landtagswahlen. Chrupallas Gegenkandidat, Norbert Kleinwächter kam als Vertreter der "Gemäßigten" bei der Wahl auf 36,3 Prozent.
Chrupalla steht seit November 2019 an der Spitze der AfD. Der Handwerksmeister aus Sachsen führte die Partei nach dem Weggang von Meuthen zuletzt alleine. Dieser hatte der AfD einen zunehmend radikalen Kurs bescheinigt. Der Verfassungsschutz hat die Gesamtpartei inzwischen als rechtsextremistischen Verdachtsfall eingestuft.
Der Parteitag hatte am Freitag noch die Satzung der AfD geändert, so dass künftig theoretisch auch eine Einzelspitze möglich ist. Der Thüringer Landesschef und Partei-Rechtsaußen Björn Höcke hatte sich dafür stark gemacht. Am Samstag stimmte die Versammlung dann dafür, es dieses Mal noch bei einer Doppelspitze zu belassen.
Auf dem Treffen in Riesa wurde die gesamte Führungsriege der AfD neu besetzt. Der 14-köpfige Bundesvorstand entspricht in weiten Teilen den Vorstellungen Chrupallas und Weidels: In den engsten Führungszirkel, als Stellvertreter, wählte der Parteitag drei Kandidaten, für die sich Chrupalla ausgesprochen hatte: Die Bundestagsabgeordneten Stephan Brandner, Peter Boehringer und Mariana Harder-Kühnel. Von den Kandidaten, die sich das gemäßigte Lager gewünscht hatte, machte niemand einen Stich.
Bei der Vorstandswahl kam es aber auch zu Überraschungen: Die langjährige Unterstützerin von Partei-Rechtsaußen Höcke, Christina Baum, wurde in das Gremium gewählt und setzte sich gegen einen Kandidaten Chrupallas durch. Die Bundestagsabgeordnete sagte: "Eine der wichtigsten Aufgaben, vielleicht sogar die allerwichtigste, muss sein, unserem Volk wieder ein natürliches Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen, einen gesunden Nationalstolz zurückzugeben. Beides wurde unter den Trümmern einer jahrzehntelangen Schuldhaftigkeit verschüttet, und diese Trümmer müssen wir endlich beiseite räumen."
Nach weitgehend harmonischen zwei Tagen knallte es am Sonntag dann beim Thema Außen- und Russland-Politik. Hintergrund war ein Antrag für eine Resolution zum Thema Europa, zu deren Unterstützern unter anderem der Ehrenvorsitzende Alexander Gauland und Höcke gehörten. Der Bundestagsabgeordnete Thomas Seitz kritisierte, dass in dem Text "nicht ein Mal" das Wort Krieg vorkomme und "völlig verharmlosend" von einem Ukraine-Konflikt gesprochen werde. Solche Papiere brächten die Partei im Westen richtig in die Bredouille, sagte er. Nach langer aufgeheizter Debatte konnte sich Parteichef Chrupalla im zweiten Versuch schließlich mit dem Vorschlag durchsetzen, über das Thema zunächst im Bundesvorstand weiter zu beraten und nicht mehr abzustimmen. Der Parteitag wurde beendet. Auch andere geplante Themen wurden nicht mehr behandelt.
Weidel und Chrupalla beschworen dennoch den Aufbruch. Man wolle bei den anstehenden Landtagswahlen in Niedersachsen wieder angreifen und erfolgreich sein, sagte Weidel. Chrupalla sprach von einem "sehr kontroversen Tag" und äußerte den Wunsch, dass "trotz der inhaltlichen Unterschiede" ein Aufbruchssignal nach außen getragen werde.
Einen ersten Dämpfer hatte es für das Führungsduo und seine Leute im neuen Vorstand bereits am Sonntagvormittag gegeben: Die Mehrheit der Delegierten (rund 60 Prozent) beschloss, den Verein "Zentrum" von der sogenannten Unvereinbarkeitsliste der AfD zu streichen. Darauf führt die Partei Organisationen und Vereine, deren Mitgliedern ein Zutritt zur AfD verwehrt wird.
Vorstandsmitglied Marc Jongen wandte sich dagegen: Solange Vertreter des Zentrums dort Veranstaltungen mit der NPD und der Kleinpartei III. Weg machten, wolle man als Landespartei Baden-Württemberg im Moment keine Kooperation. Roman Reusch, ebenfalls Mitglied im neuen Vorstand sagte, eine Streichung würde dem Verfassungsschutz in die Hände spielen.
Durchsetzen konnte sich aber die andere Seite, für die auch Höcke ans Rednerpult trat: Man brauche solche Vorfeldorganisationen. Die Argumente von Reusch wischte er mit der Aussage vom Tisch, der "sogenannte Verfassungsschutz" sei ohnehin "Teil dieses Machtinstruments, das unser Deutschland abwickeln will". Deshalb sollte man sich um die Einschätzungen dieser Behörde nicht weiter kümmern. AfD-Chefin Weidel nannte die Entscheidung "natürlich nicht in meinem Sinne und schon gar nicht im Sinne der Partei".
Zusammenfassung
- Nach der Wahl eines neuen Bundesvorstandes ist die AfD politisch noch weiter nach rechts gerückt.
- Beim Bundesparteitag im sächsischen Riesa zeigte sich allerdings schon am Sonntag, dass die Macht der neuen Parteispitze begrenzt ist.
- Es kam zu einem heftigem Streit beim Thema Außenpolitik, der Parteitag wurde vorzeitig beendet.
- Chrupallas Gegenkandidat, Norbert Kleinwächter kam als Vertreter der "Gemäßigten" bei der Wahl auf 36,3 Prozent.