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Spindelegger weist Vorwürfe zurück: "Kein Guantanamo am Balkan"

Der Generaldirektor des Wiener Zentrums für Migrationspolitik, Michael Spindelegger (ÖVP), hat Vorwürfe im Zusammenhang mit dem bosnischen Flüchtlingscamp Lipa als "völliger Unsinn" zurückgewiesen.

Weder sei österreichisches Steuergeld in das Projekt geflossen, noch gehe es um ein "neues Guantanamo am Balkan", sagte Spindelegger im APA-Gespräch. Die Einrichtung biete Platz für höchstens zwölf Personen und diene dem Schutz anderer Lagerbewohner vor akuten Gefährdern.

"Es gibt einen Vorwurf, dass Personen durch Pushbacks an der kroatischen Grenze in ein Lager gebracht werden, das wir angeblich errichten, wo dann mit Menschenrechtsverletzungen Leute festgehalten werden. Das ist völliger Unsinn. In keinem einzigen Fall gibt es jemanden, der in unserer Einrichtung, die wir dort hergestellt haben, untergebracht ist, weil sie noch gar nicht in Betrieb ist", sagte Spindelegger. "Das ist daher völliger Humbug."

Verärgert über Guantanamo-Vergleich

Besonders verärgert zeigte sich Spindelegger über den Guantanamo-Vergleich der NGO SOS-Balkanroute. "Guantanamo heißt: Leute sind rechtswidrig festgehalten, werden gefoltert. Das ist eine Verunglimpfung der Opfer von Guantanamo, wenn man so etwas mit dem vergleicht, was dort entstanden ist", sagte der frühere Vizekanzler. Dies entbehre ebenso jeglicher Grundlage wie der Vorwurf, ICMPD sei ein "ÖVP-nahes Institut". Schließlich werde das Zentrum von 19 Staaten getragen, darunter etwa das sozialistisch regierte Portugal oder Deutschland, wo eine Ampelkoalition an der Macht ist.

"Wir haben den Auftrag von der Europäischen Kommission gehabt, eine geschlossene Einrichtung innerhalb eines Flüchtlingscamps zu errichten, damit Personen, die andere gefährden, isoliert und dort für höchstens 72 Stunden festgehalten werden", sagte Spindelegger. Die Einrichtung diene somit dem Schutz anderer Bewohner des Lagers vor Gewalttätern. Nach Ablauf der Frist müssten die betroffenen Personen freikommen, außer sie werden in U-Haft oder Abschiebehaft genommen. "Das wird aber woanders vollzogen", betonte Spindelegger.

EU-finanziertes Projekt

Das Projekt im Umfang von 500.000 Euro sei von der EU-Kommission beauftragt und finanziert worden. Auf die Frage, warum sein Institut zum Zug gekommen sei, verwies Spindelegger darauf, dass Bosnien-Herzegowina zu den ICMPD-Trägerstaaten zählt. Außerdem habe man eine schnelle Durchführung gewünscht, und im Fall des ICMPD sei eine unmittelbare Auftragserteilung durch die EU-Kommission möglich gewesen. Diese sei Ende August erfolgt. Im September habe man mit den Arbeiten begonnen. Seit Ende Jänner sei die Anlage fertig und man warte darauf, sie den bosnischen Behörden zu übergeben. Dies werde noch "bis Ende des Monats dauern".

Entschieden trat Spindelegger Vorwürfen entgegen, dass das ICMPD ohne entsprechende Genehmigung gearbeitet habe. "Bevor wir einen Handgriff gerührt haben, haben wir den Eigentümer, das ist das bosnische Ministerium für Sicherheit, gefragt und (...) mitgeteilt bekommen, dass alle erforderlichen Bewilligungen vorliegen und wir zu bauen beginnen können." Er unterstrich auch, dass das ICMPD nur Errichter der Anlage sei, nicht aber Eigentümer und Betreiber.

Vom aktuellen "Mediensturm" in der Angelegenheit will sich der frühere ÖVP-Chef nicht beeindrucken lassen. "Wir können sehr gelassen sein, weil wir nichts falsch gemacht haben", unterstrich er. Das ICMPD habe "ohne Korruption, schnell und sehr kosteneffizient" gehandelt. Zugleich betonte er, dass das Projekt "nicht unser Kerngeschäft" sei. Man konzentriere sich vielmehr auf Projekte zur Bekämpfung von Menschenschmuggel, Grenzmanagement oder Ausbildung.

Ernst-Dziedzic kündigte Fact-Finding-Mission an

Die NGO-Vorwürfe riefen mittlerweile die oppositionelle SPÖ und die mitregierenden Grünen auf den Plan. Deren außenpolitische Sprecherin Ewa Ernst-Dziedzic kündigte eine Fact-Finding-Mission nach Lipa an. Ernst-Dziedzic war Anfang 2021 in der Region gewesen und hatte beklagt, dass die österreichische Hilfe für die dortigen Flüchtlinge nicht ankomme. Tausende Menschen mussten damals im tiefsten Winter ohne feste Unterkünfte und Nahrung ausharren. Die Bilder der obdachlosen Flüchtlinge erhöhten den Druck zum Bau eines grundlegenden Standards entsprechenden Flüchtlingslagers in Lipa.

Spindelegger zeigte sich "entsetzt" über die vermeintlichen Versuche, in dem Fall "parteipolitisches Kleingeld zu schlagen". Migrationsfragen seien nämlich "zu ernste Fragen", um daraus politisches Kapital zu schlagen, sagte der ÖVP-Politiker. Zugleich beklagte er, dass sich die EU-Staaten nicht auf einen Migrations- und Asylpakt einigen können, der raschere Asylverfahren an der Grenze ermöglichen würde. Dies rufe dann "solche Auswüchse" wie die umstrittenen kroatischen Pushbacks hervor. Das ICMPD habe zwar selbst "keine Beobachtungen dazu" und kenne die entsprechenden Berichte nur aus den Medien, "aber wenn es tatsächlich so ist, ist das natürlich zu verurteilen", formulierte Spindelegger, dessen Organisation auch von Kroatien getragen wird.

ribbon Zusammenfassung
  • Der Generaldirektor des Wiener Zentrums für Migrationspolitik (ICMPD), Michael Spindelegger (ÖVP), hat Vorwürfe im Zusammenhang mit dem bosnischen Flüchtlingscamp Lipa als "völliger Unsinn" zurückgewiesen.
  • Weder sei österreichisches Steuergeld in das Projekt geflossen, noch gehe es um ein "neues Guantanamo am Balkan", sagte Spindelegger.