Selenskyj will in die NATO und schließt Gebietsverzicht aus
Neben einem Gebietsverzicht zugunsten Russlands schloss Selenskyj auch ein "Einfrieren" des Konflikts aus. Die westlichen Verbündeten rief er auf, sein Land zum NATO-Beitritt einzuladen, "und zwar jetzt". Russland habe nur deshalb den Krieg gegen die Ukraine beginnen und damit die europäische Sicherheit untergraben können, weil Kiew nicht Mitglied des westlichen Militärbündnisses sei, sagte er am Mittwoch bei der Vorstellung seiner Pläne im Parlament in Kiew.
Der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte reagierte zurückhaltend. Rutte verwies bei einer Pressekonferenz in Brüssel auf die Beschlüsse des jüngsten NATO-Gipfels in Washington. Bei ihm hatten sich Befürworter einer schnellen Einladung nicht gegen Gegner wie die USA und Deutschland durchsetzen können. Rutte sagte, dass das Thema beim Treffen der NATO-Verteidigungsminister am Donnerstag diskutiert werde. Die Verbündeten täten alles, um die Ukraine auf die NATO-Mitgliedschaft vorzubereiten, aber dieser Tag wird "zum richtigen Zeitpunkt" kommen, so Rutte, der auch erklärte, nicht den ganzen Plan Selenskyjs zu verstehen und zu unterstützen. Am Abend teilte eine Bündnissprecherin mit, dass Selenskyj am Donnerstag am NATO-Ministertreffen teilnehmen werde.
Selenskyj telefonierte am Mittwoch auch mit US-Präsident Joe Biden. Dieser kündigte danach ein weiteres Hilfspaket mit einem Volumen von 425 Millionen Dollar (389,80 Mio. Euro) für die Ukraine an. Dabei handle es sich um Militärhilfe wie Munition und gepanzerte Fahrzeuge, hieß es in einer Erklärung des Präsidialamts. Dieses kündigte auch an, dass Biden im November ein virtuelles Gipfeltreffen der Ramstein-Gruppe zur Unterstützung der Ukraine leiten werde.
Die russische Regierung warf Selenskyj vor, mit seinem Siegesplan die NATO in einen direkten Konflikt mit Russland treiben zu wollen. Dabei könne sich die Ukraine nicht auf ihre westlichen Partner verlassen, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums in Moskau. "Die Partner des Kiewer Regimes haben bereits gezeigt, welche Rolle sie der Ukraine in der Sicherheitsarchitektur zuteilen", sagt sie. "Sie sehen die Ukraine in einem Sarg und auch die ukrainischen Bürger mit im Grab." Auch der Kreml wies den Plan zurück: "Der einzige Friedensplan, den es geben kann, besteht darin, dass das Kiewer Regime die Sinnlosigkeit seiner Politik erkennt und begreift, dass es nüchtern werden muss", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau. Moskau fordert als Bedingung für Friedensgespräche einen Verzicht Kiews auf große Gebiete im Osten und Süden der Ukraine, die derzeit von russischen Truppen besetzt sind.
Selenskyj sagte, bei dem Plan gehe es darum, "unser Land und unsere Positionen zu stärken". Ziel sei es, "stark genug zu sein, um den Krieg zu beenden". "Russland muss den Krieg gegen die Ukraine verlieren", betonte der ukrainische Präsident. Russland müsse dazu gebracht werden, "an einem Friedensgipfel teilzunehmen und bereit zu sein, den Krieg zu beenden". In seiner Rede rief Selenskyj die Verbündeten der Ukraine erneut auf, die Beschränkungen für den Einsatz von Waffen mit größerer Reichweite bei Angriffen auf die russisch besetzten Gebiete sowie auf Ziele in Russland aufzuheben.
Selenskyj sprach sich in seiner Rede auch für die Stationierung "eines umfassenden Pakets nicht-nuklearer strategischer Abschreckungsmaßnahmen" auf ukrainischem Gebiet nach Kriegsende aus, um die Ukraine künftig vor militärischer Bedrohung durch Russland zu schützen. Am Donnerstag will der ukrainische Präsident seinen "Siegesplan" auch beim EU-Gipfel in Brüssel vorstellen. Bei dem Treffen der EU-Führungsspitzen am Donnerstag und Freitag in Brüssel soll unter anderem über die militärische Unterstützung für Kiew und die Stärkung des von den russischen Angriffen geschwächten ukrainischen Energiesektors beraten werden.
NATO-Generalsekretär Rutte gab indes bekannt, dass die NATO-Verbündeten in der ersten Hälfte des Jahres 2024 militärische Unterstützung in Höhe von 20,9 Milliarden Euro für die Ukraine zugesagt hätten. Zudem seien die Alliierten auch auf einem guten Weg, ihre Verpflichtungen für den Rest des Jahres zu erfüllen. Rutte spielte damit auf das im Sommer beim NATO-Gipfel in Washington vereinbarte Jahresziel an. Es sieht vor, der Ukraine wie auch 2023 Militärhilfen in Höhe von insgesamt mindestens 40 Milliarden Euro zu leisten.
Zeitgleich mit Selenskyjs Parlamentsansprache meldete Russland die Eroberung zweier weiterer Dörfer im Osten der Ukraine. Die Dörfer Newske und Krasnij Jar seien durch russische Soldaten "befreit" worden, erklärte das Verteidigungsministerium und veröffentlichte das Video eines weitgehend zerstörten Dorfes mit auf zwei Häusern wehenden russischen Flaggen.
Zusammenfassung
- Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat einen 'Siegesplan' vorgestellt, der jeden Verzicht auf ukrainische Gebiete ausschließt und den sofortigen Beitritt zur NATO fordert.
- Der neue NATO-Generalsekretär Mark Rutte zeigt sich zurückhaltend gegenüber Selenskyjs Forderungen und verweist auf bestehende Beschlüsse des NATO-Gipfels in Washington.
- US-Präsident Joe Biden kündigte ein weiteres Hilfspaket für die Ukraine im Wert von 425 Millionen Dollar an, das Militärhilfe wie Munition und gepanzerte Fahrzeuge umfasst.
- Russland wirft Selenskyj vor, die NATO in einen direkten Konflikt mit Russland treiben zu wollen, und meldet die Eroberung zweier Dörfer im Osten der Ukraine.
- NATO-Verbündete haben für 2024 militärische Unterstützung in Höhe von 20,9 Milliarden Euro zugesagt, um die Ukraine auf die Mitgliedschaft vorzubereiten.