Scholz ruft in München zur Panzerlieferung an Ukraine auf
Macron bot am Freitag den EU-Partnern erneut Gespräche zur atomaren Abschreckung in der EU an. Dabei könnte es um die europäische Dimension der nuklearen Abschreckung Frankreichs gehen, erklärte der Staatschef auf der Sicherheitskonferenz. Die derzeitige russische Aggression gegen die Ukraine sei eine Ermahnung, welch wichtige Rolle Atomwaffen in der Europäischen Union hätten und weiter haben müssten.
Macron erinnerte daran, dass er das Angebot bereits Anfang 2020 gemacht hatte. Damals hatten europäische Partner wie Deutschland allerdings zurückhaltend darauf reagiert. Frankreich ist seit dem Austritt Großbritanniens am 31. Jänner 2020 die einzig verbliebene Atommacht der EU. Macron fordert seit langem, dass sich Europa unabhängiger von der Supermacht USA machen sollte.
Scholz betonte am Freitag in seiner Rede, auch in München "intensiv" dafür zu werben, "dass alle, die solche Kampfpanzer liefern können, dies nun auch wirklich tun". Deutschland hatte Ende Jänner als Ziel ausgegeben, der Ukraine ein ganzes Bataillon mit 30 bis 31 Kampfpanzern zur Verfügung zu stellen. 14 davon sollen aus Beständen des deutschen Bundeswehr kommen, für die restlichen Panzer wartet Berlin auf Zusagen der Verbündeten. Scholz sagte dazu in seiner Rede, Deutschland werde dazu beitragen, "unseren Partnern diese Entscheidung zu erleichtern", etwa durch die Ausbildung ukrainischer Soldaten, oder durch Unterstützung bei Nachschub und Logistik.
Scholz betonte erneut, dass jeder neue Schritt der Waffenhilfe mit den Partnern abgesprochen sein müsse. "Die Balance zwischen bestmöglicher Unterstützung der Ukraine und der Vermeidung einer ungewollten Eskalation werden wir auch weiterhin wahren." Er sei froh und dankbar, dass US-Präsident Joe Biden und viele andere Verbündete dies genauso sähen.
Der deutsche Kanzler verteidigte die Panzerlieferungen an die Ukraine gegenüber Bedenken aus Deutschland. Es seien "nicht unsere Waffenlieferungen", die den Krieg verlängerten. Je früher der russische Präsident Wladimir Putin einsehe, "dass er sein imperialistisches Ziel nicht erreicht, desto größer ist die Chance auf ein baldiges Kriegsende, auf Rückzug russischer Eroberungstruppen", sagte Scholz. Er stellte aber auch klar, dass er nicht mit einem schnellen Ende des Krieges rechnet. Daher sei es auch wichtig, dass die Verbündeten bereit seien, die Ukraine so lange wie nötig zu unterstützen.
Zuvor hatte Selenskyj in seiner Videoansprache erklärt, er rechne mit einem Kriegsende im Jahr 2023: "Goliath hat schon angefangen zu verlieren. Goliath wird auf jeden Fall dieses Jahr fallen", sagte der ukrainische Präsident. Er verglich sein Land mit dem biblischen David, der sich gegen einen russischen Goliath wehren müsse. Es gebe "keine Alternative zu unserem Sieg", sagte Selenskyj, der den Westen zu einer größeren Geschwindigkeit bei der Lieferung von Waffen und der Unterstützung seines Landes aufforderte.
Auch Macron machte vor dem Plenum deutlich, dass Russland den Krieg nicht gewinnen dürfe. "Der russische Angriff muss scheitern", sagte Macron. Dazu sei eine dauerhafte Unterstützung der Ukraine erforderlich. Die Lieferung von Waffen müsse intensiviert und die ukrainischen Streitkräfte müssten in die Lage versetzt werden, eine Gegenoffensive zu starten. Frankreich hat bisher deutlich weniger Waffen an die Ukraine geliefert als etwa Deutschland oder Großbritannien. Macron warf Russland zudem vor, nicht nur die Ukraine, sondern auch Staaten in Afrika zu destabilisieren.
NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte am Rande der Konferenz, er halte einen Sieg der Ukraine weiter für möglich. "Ja, das ist der Grund, warum wir sie unterstützen", sagte er auf eine entsprechende Frage. Der Krieg werde möglicherweise am Verhandlungstisch enden, aber man wisse, dass das Geschehen am Verhandlungstisch vollkommen von der Stärke auf dem Schlachtfeld abhängig sei. Auch er drängte die Länder der westlichen Allianz zu weiteren Zusagen für Kampfpanzerlieferungen.
Führende Politiker aus Europa und den USA forderten strafrechtliche Konsequenzen für Präsident Wladimir Putin. Putin müsse für das Verbrechen der Aggression zur Verantwortung gezogen werden, "sonst wiederholt sich die Geschichte immer wieder", verlangte Estlands Ministerpräsidentin Kaja Kallas am Freitag laut offizieller Übersetzung bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Der republikanische US-Senator Lindsey Graham betonte: "Wenn Putin damit durchkommt, dann wird in der Zukunft das Gleiche wieder passieren."
Hauptthemen bei der bis Sonntag dauernden Konferenz werden neben dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auch der Iran, China und die Zukunft der internationalen Ordnung allgemein sein.
Am diesjährigen Treffen in München nehmen mehr als 150 hochrangige Regierungsvertreter teil - unter ihnen neben Scholz und Macron auch US-Vizepräsidentin Kamala Harris. Auch Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi ist in München zu Gast. Russische Regierungsvertreter fehlen bereits das zweite Jahr infolge. Nachdem der Kreml im vergangenen Jahr, kurz vor der russischen Invasion der Ukraine, jegliche Einladung zu dem Treffen ausgeschlagen hatte, erging diesmal keine Einladung nach Moskau.
Die österreichische Regierung ist in München durch Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler vertreten. Schallenberg nutzte seinen Aufenthalt in München am Freitag für ein erstes Treffen mit seinem neuen bosnischen Amtskollegen Elmedin Konakovic. Für Samstag war ein Gespräch mit dem chinesischen Außenpolitik-Chef Wang Yi angesetzt. Edtstadler spricht unter anderem mit der belarussischen Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja.
Die Münchner Sicherheitskonferenz findet seit 1963 statt. Neben den öffentlichen Diskussionen und Reden ist sie nicht zuletzt für ihre sogenannten Hinterzimmertreffen im Bayerischen Hof bekannt, wo sich Politiker in inoffiziellen Gesprächen austauschen können.
Zusammenfassung
- Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat zum Auftakt der 59. Münchner Sicherheitskonferenz Deutschlands Partner dazu gedrängt, Kampfpanzer an die Ukraine zu liefern.
- Auch der französische Präsident Emmanuel Macron und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj riefen zu weiteren Waffenlieferungen auf.
- Macron bot am Freitag den EU-Partnern erneut Gespräche zur atomaren Abschreckung in der EU an.