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Weiter brutale Angriffe gegen Politiker in Deutschland

Die Angriffsserie auf Politikerinnen und Politiker reißt nicht ab. Nach einer Attacke auf Berlins Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) wurde ein Verdächtiger vorläufig in der Psychiatrie untergebracht, wie die Berliner Generalstaatsanwaltschaft Berlin am Mittwoch auf der Plattform X mitteilte. Er soll Giffey am Vortag bei einem Termin in einer Bibliothek ohne Vorwarnung mit einem Beutel, in dem sich ein harter Gegenstand befand, auf den Kopf geschlagen haben.

Giffey wurde durch den Angriff leicht verletzt. Der 74-Jährige sei bei der Polizei bereits bekannt, es gebe Erkenntnisse aus dem Bereich der Hasskriminalität, hieß in einer Mitteilung der Berliner Staatsanwaltschaft und der Polizei. Die Ermittlungen zum Motiv dauerten noch an.

Immer wieder wurde in den vergangenen Tagen Angriffe auf Politikerinnen und Politiker verschiedener Parteien publik: In Dresden wurde die Grünen-Spitzenkandidatin für den Stadtrat, Yvonne Mosler, beim Aufhängen von Wahlplakaten angerempelt und bedroht. In Stuttgart wurden zwei AfD-Abgeordnete vor dem Landtag angegriffen.

Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) rief dazu auf, als Antwort auf Attacken gegen Politikerinnen und Politiker bei den anstehenden Wahlen eine Stimme abzugeben. "Angriffe auf unsere Demokratie gehen uns alle an", sagte Scholz in einer am Donnerstag veröffentlichten Videobotschaft. Man dürfe nicht tatenlos zusehen, wenn Politiker, Wahlkämpfer und Ehrenamtliche brutal attackiert würden. "Eine Antwort, die jede und jeder von uns geben kann, ist ganz einfach: Wählen gehen!", sagte der Bundeskanzler.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) brachte angesichts der Attacken überparteiliche Plakataktionen sowie Fairnessabkommen ins Spiel. "Die Angriffe sind Angriffe auf uns alle, und sie richten sich vor allem gegen jene, die sich für die Demokratie in den Wahlkampf begeben", sagte Ramelow dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Donnerstag). "Dagegen heißt es, zusammenzustehen. Mein Vorschlag wären deshalb gemeinsame Plakataktionen gegen Gewalt und für Demokratie. Fairnessabkommen aller demokratischen Parteien sollten das positiv begleiten."

BKA-Präsident Holger Münch äußerte sich besorgt über die Entwicklung. Im gesamten vergangenen Jahr habe das Bundeskriminalamt 27 körperliche Angriffe auf Politiker gezählt, in diesem Jahr schon 22, sagte der Behördenchef in Bremen. Auch die Zahl der Beleidigungen sei deutlich angestiegen. Von Beleidigungen seien die Grünen bundesweit am stärksten betroffen, von Körperverletzungen die AfD. Münch plädierte mit Blick auf die Europawahl und die Kommunalwahlen in einigen Bundesländern am 9. Juni für gezielte Maßnahmen. Die Polizei könne nicht alle Politiker und Wahlkampfhelfer schützen.

Am Donnerstag bestätigte die Polizei, dass vor einer Festveranstaltung zum 75-jährigen Jubiläum des Grundgesetzes zwei AfD-Politiker vor dem Landtag in Stuttgart angegriffen und leicht verletzt worden seien. Mutmaßliche Parteigegner hätten den Informationsstand der Landtagsfraktion am Mittwochnachmittag auf dem Opernvorplatz blockiert und Banner in die Höhe gehalten. "In diesem Zusammenhang wurden Angehörige der Landtagsfraktion verbal und in der Folge körperlich angegangen", so die Polizei. Die Angreifer flüchteten nach Polizeiangaben zu Fuß in Richtung Landtag. Zwei mutmaßlich beteiligte Frauen im Alter von 19 und 23 Jahren wurden dabei gestoppt.

Die Innenminister von Bund und Ländern setzten zum Schutz von Politikern und ehrenamtlichen Wahlkämpfern auf mehr Polizeibegleitung sowie auf die Prüfung eines schärferen Strafrechts. Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) und die Innenministerkonferenz der Länder forderten bei einer Videokonferenz am Dienstagabend ein Ende von Gewalt und Hetze.

Die Videokonferenz war nach einem brutalen Angriff auf den SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden am vergangenen Freitag anberaumt worden. Das deutsche Justizministerium sehe aktuell keine konkreten Strafbarkeitslücken, sagte eine Sprecherin am Mittwoch. Man werde die von den Innenministern gemachten Vorschläge aber "wohlwollend prüfen".

Der stellvertretende Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Konstantin Kuhle, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Härtere Strafen sind schnell gefordert - vor allem kurz nachdem öffentlichkeitswirksame Straftaten erfolgt sind." Polizeibeamte vor Ort und eine gut ausgestattete, zügig arbeitende Justiz seien aber viel wirkungsvoller. "Strafrecht und Strafjustiz können nicht der Reparaturbetrieb für eine allgemeine gesellschaftliche Verrohung sein", gab Kuhle zu bedenken. Ähnlich äußerte sich der Deutsche Richterbund (DRB). "Mit Gesetzesverschärfungen wäre nichts gewonnen, solange es wegen großer Personallücken im Gesetzesvollzug hakt", sagte DRB-Bundesgeschäftsführer, Sven Rebehn.

In Dresden wurde die Grünen-Politikerin Mosler beim Aufhängen von Plakaten angegriffen. Wie die Dresdner Grünen mitteilten, waren Mosler und der Co-Spitzenkandidat Cornelius Sternkopf am frühen Dienstagabend zusammen mit Helfern unterwegs gewesen, um Plakate aufzuhängen. Schon von Weitem habe ihnen eine Gruppe rechtsextreme Parolen entgegengerufen. Ein Mann aus dieser Gruppe habe die beiden beiseite gedrängt, als sie gerade ein Plakat aufgehängt hatten, und das Plakat abgerissen. Ein Fernsehteam der Deutschen Welle filmte ihn dabei, Mosler und anwesende Journalisten fotografierten.

Wenig später kam der Mann den Angaben zufolge in Begleitung einer Frau aus der Gruppe zurück, bedrohte Mosler und forderte sie auf, das Foto zu löschen. Ein Wahlkampfhelfer habe sich daraufhin schützend vor die Kandidatin gestellt. Die Frau aus der Gruppe habe Mosler ins Gesicht gespuckt. Polizeibeamte stellten eine 24-jährige Frau und einen 34-jährigen Mann. Gegen den Mann werde wegen Körperverletzung, Bedrohung, Beleidigung und Sachbeschädigung ermittelt, gegen die 24-Jährige wegen Körperverletzung.

Wie im Fall Ecke stammen die Angreifer mutmaßlich aus dem rechten Spektrum. Die Polizei wollte sich zunächst nicht zum Hintergrund der Tatverdächtigen äußern. Sie bestätigte aber, dass auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt werde, da aus der Gruppe der Angreifer heraus der Hitlergruß skandiert worden sei.

ribbon Zusammenfassung
  • In Deutschland häufen sich die Angriffe auf Politiker: Jüngst wurde Franziska Giffey, Berlins Wirtschaftssenatorin, bei einem öffentlichen Auftritt attackiert.
  • Bundeskanzler Olaf Scholz reagiert auf die zunehmende Gewalt mit einem Aufruf zur Wahlteilnahme, um ein Zeichen für die Demokratie zu setzen.
  • Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow schlägt überparteiliche Plakataktionen und Fairnessabkommen vor, um den politischen Diskurs zu befrieden.
  • Laut BKA-Präsident Holger Münch wurden dieses Jahr bereits 22 körperliche Angriffe auf Politiker verzeichnet, nach 27 im gesamten letzten Jahr.
  • Die Innenministerkonferenz diskutiert intensiv über schärfere Strafgesetze und verstärkten Polizeischutz für Politiker und Wahlkampfhelfer.