Schengen-Streit: "Österreich geht arrogant mit Rumänien um"
Die Frage des Beitritts zum Schengen-Raum führt zu veritablen Spannungen zwischen Österreich und Rumänien. Vorgeschichte: Die EU-Kommission will Kroatien, Rumänien und Bulgarien die Aufnahme in die Schengen-Zone gewähren, womit die Bürgerinnen und Bürger dieser Länder Reisefreiheit genießen.
Die ÖVP-geführte Regierung in Wien kündigte aber an, Österreich werde als einziger der 27 EU-Staaten ein Veto gegen Rumäniens Beitritt einlegen. (Gegen Bulgarien haben auch einige andere EU-Staaten neben Österreich Vorbehalte.) Nur Kroatien will Österreich im Schengen-Raum akzeptieren.
Internationale und österreichische Medien attestieren der ÖVP dabei vor allem innenpolitisches Kalkül.
Pressespiegel
"Republica.ro" (Bukarest), 3. 12.: "Es ist das Recht Österreichs, uns nicht zu mögen, uns nicht zu wollen, uns gegenüber arrogant und 'imperial' zu sein, uns von oben herab zu behandeln. Genauso, wie es unser Recht ist, zum Skifahren in ein Land zu fahren, wo wir willkommen sind. Unterm Strich – und würde man das Ganze nach Profit beurteilen – würde die Öffnung der Grenzen bedeuten, dass noch mehr Geld von Rumänen in Österreich bliebe. Die rumänischen Touristen, mit all ihren Macken, sind gute Touristen, die viel Geld ausgeben und nicht auf Qualität verzichten an ihren sieben freien Tagen pro Jahr."
"Neue Westfälische" (Bielefeld), 6. 12.: "Angesichts der Umfragen zieht die Volkspartei nun alle Register, die Abwehr der Asylbewerber als Kernanliegen der Partei wiederzubeleben, einst ein Wahlschlager von Sebastian Kurz. Im November begann Karl Nehammer die Zusammenarbeit, ausgerechnet mit Ungarn und Serbien, die derzeit die meisten Asylbewerber aus Afghanistan, Syrien, Indien und anderen Ländern gen Norden weiterfahren lassen. Gibt es in Österreich in diesem Jahr 110.000 Anträge auf Asyl, so sind es in Ungarn gerade mal 100. Und dabei sind die ukrainischen Kriegsflüchtlinge nicht eingerechnet. Ähnlich Nehammers Absicht, beim kommenden EU-Gipfel den Beitritt Rumäniens zur Schengenzone mit einem Veto zu verhindern, ein Alleinstellungsmerkmal in der Europäischen Union."
"Kurier" (Wien), 7. 12.: "Bulgarien und Rumänien haben alle technischen Voraussetzungen erfüllt, um dem Schengenraum beizutreten. Das hat übrigens die Regierung in Wien schon vor einem Jahr bestätigt. Dass sie nun also eine Kehrtwende vollzieht, lässt vermuten, dass die Regierung dem Wahlvolk einen Schuldigen für die unerwünschten Migrationszahlen präsentieren will. Bulgarien und Rumänien werden so Bauernopfer einer österreichischen Politik, die für viel Wirbel sorgt – aber genau keines der Migrationsprobleme löst."
"Die Presse" (Wien), 6. 12.: "Der Widerstand lässt sich sachlich kaum rechtfertigen, denn erstens haben Rumänien und Bulgarien (wie auch Kroatien, gegen dessen Beitritt Nehammer keine Einwände hatte) ihre Schengen-Hausaufgaben gemacht, und zweitens haben irreguläre Migranten schon jetzt keine allzu großen Probleme damit, über Ungarn, die Slowakei oder Italien nach Österreich zu gelangen. Eine schlüssige Erklärung, was sich zum Schlechteren ändern sollte, wenn Bukarest und Sofia als Schengen-Mitglieder ihre EU-Außengrenzen weiterhin genauso kontrollieren wie bisher, ist die Regierung in Wien bis dato schuldig geblieben."
"Der Standard" (Wien), 7. 12.: "Es ist tatsächlich nicht nachzuvollziehen, weshalb Nehammer ausgerechnet Rumänien dafür 'bestrafen' will, dass heuer so viele Migranten nach Österreich kamen. Der rumänische Präsident Klaus Iohannis verwies darauf, dass weniger als drei Prozent der irregulären Migranten, die in Österreich Asyl beantragen, vorher Rumänien durchquert haben. (…) Nehammers Populismus schadet jedenfalls dem Image Österreichs in Rumänien enorm. Er unterschätzt auch völlig, wie schnell man Beziehungen und Vertrauen, die jahrelang aufgebaut wurden, zerstören kann."
Zusammenfassung
- Die Frage des Schengen-Beitritts führt zu Spannungen zwischen Österreich und Rumänien.
- Ein Blick in internationale und heimische Medien offenbart wenig Verständnis für die ablehnende Haltung der österreichischen Regierung.