Schallenberg besorgt über mögliche Flüchtlingswellen
"Das ist auch einer der Gründe unseres Interesses in der Region. Dass wir auch Geld zur Verfügung stellen wie gestern durch die österreichische Bundesregierung zehn Millionen Euro zusätzliche Finanzhilfen für die Zivilbevölkerung in Gaza hat etwas damit zu tun, dass wir ein unmittelbares Interesse haben an Stabilisierung, an Sicherheit, möglichst am Frieden in der Region", betonte Schallenberg. Im Fall Syriens habe man nämlich erlebt, "was geschehen kann, wenn hier eine Hangabrutschung stattfindet und sich plötzlich Millionen Menschen auf den Weg Richtung Europa machen. Das gilt es zu vermeiden."
Schallenberg berichtete in diesem Zusammenhang auch von seinen Gesprächen im Libanon, wo sich die Politiker "zum Teil nicht zu Unrecht darüber beschweren, dass der Fokus gerade auch von Hilfsorganisationen immer darauf ausgerichtet ist, den Flüchtlingen selber zu selber und vielleicht zu wenig getan wird auch zur Unterstützung der Gemeinschaften, die sie aufnehmen." Österreich mache dies auch und achte etwa bei Entwicklungshilfeleistungen darauf, dass diese nicht nur den Flüchtlingen zugute kommen, sondern auch den Gemeinden, die sie aufgenommen haben.
UNHCR-Sprecher Roland Schönbauer hatte am gestrigen Mittwoch am Rande von Schallenbergs Besuch in Amman vor österreichischen Journalisten berichtet, dass die internationalen Zuwendungen für Flüchtlinge in dem Land seit eineinhalb Jahren "in atemberaubender Geschwindigkeit zurück" gehen und damit auch die Unterstützungsleistungen für Flüchtlinge, die ihr Leben kaum noch bestreiten können, hohe Schulden haben und vor Obdachlosigkeit stehen. Daher würden nun auch Menschen das Weiterziehen nach Europa oder in die Golfstaaten versuchen, die schon seit Jahren im Land seien. Jordanien und der Libanon haben hunderttausende Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen.
Schallenberg hatte vor Jordanien und dem Libanon auch Israel und die Palästinensergebiete besucht. Es sei "vielleicht eines der Grundprobleme momentan im Nahen Osten, dass viel zu wenig miteinander geredet wird", sagte er angesprochen auf das Bekenntnis seines jordanischen Amtskollegen Ayman Safadi, keinen Kontakt mit Israels Chefdiplomaten Israel Katz zu pflegen. Hier könnten laut Schallenberg europäische Staaten wie Österreich einspringen, die zu allen Seiten "sehr tragfähige Beziehungen" haben. "Was in dieser Region am meisten fehlt, ist die Fähigkeit, sich in die Schuhe des anderen zu begeben. Jeder ist mit seinen eigenen Verwundungen und Traumata beschäftigt (...) und tut sich sehr schwer zu verstehen, wie das Gegenüber denkt und das braucht es aber im Grunde genommen, wenn man einen Frieden erzielen will."
Als "brandgefährlich" bezeichnete Schallenberg den Konflikt zwischen Israel und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah. Ein Zwei-Fronten-Krieg Israels mit der Hamas und der Hisbollah würde nämlich "vermutlich einen Flächenbrand auslösen in der Region", sagte er in Anspielung auf Israels Erzfeind Iran. "Aber momentan hat man noch das Gefühl, das beide Seiten (Israel und die Hisbollah) tunlichst eine weitere Eskalation vermeiden." Positiv vermerkte er, dass es in der Region "genug vernünftige Kräfte (gibt), die versuchen, Dialogkanäle wieder aufzubauen".
Schallenberg hatte in der libanesischen Hauptstadt Beirut die gesamte Staatsspitze, aber auch Vertreter der UNO-Blauhelmtruppe UNIFIL getroffen, in der auch 176 Bundesheersoldaten dienen. Der Außenminister schloss damit seine Nahost-Reise ab, die er am Dienstag in der israelischen Wirtschaftsmetropole Tel Aviv begonnen hatte. Am Freitagvormittag wurde Schallenberg wieder in Wien erwartet.
Zusammenfassung
- Außenminister Schallenberg zeigt sich am Ende seiner Nahost-Reise besorgt über mögliche Flüchtlingswellen, insbesondere aus Syrien.
- Österreich reagiert mit zehn Millionen Euro zusätzlicher Finanzhilfe für Gaza, um Stabilität und Sicherheit in der Region zu fördern und Fluchtbewegungen zu verhindern.
- Schallenberg betont die Notwendigkeit des Dialogs im Nahen Osten und sieht Österreich in der Rolle des Vermittlers, um einen Frieden zu erzielen.