Regierungsbeteiligung für Grünen-Mair kein Muss
Auf die Frage, wer für die Grünen als Spitzenkandidat ins Rennen gehen soll, verwies Mair auf den Bundeskongress als dafür zuständiges Gremium. Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) hatte bereits angekündigt, wieder als Spitzenkandidat antreten zu wollen. Alle, die derzeit in Wien in der Regierung agieren, hätten das "Potenzial, die Grünen gut zu repräsentieren", die Grünen würden jedenfalls als Team gut funktionieren, meinte Mair. Dabei outete er sich - "als Tiroler" - als Fan von Abg. Barbara Neßler. "Es wird einen Fokus darauf brauchen, junge Menschen für Politik zu begeistern. Es gibt Junge mit pragmatischem Zugang und jene mit den ganz großen Träumen. Das muss man im personellen Angebot verkörpern", verdeutlichte Mair, der eine Karriere in der Bundeshauptstadt für sich selbst einmal mehr ausschloss. Neßler war zuletzt, als sich Mair um die Tiroler Landessprecher-Funktion beworben hatte, als seine Konkurrentin gehandelt worden. Letztenendes trat sie jedoch doch nicht gegen ihn an.
Seine grünen Kolleginnen und Kollegen in Wien bewunderte er indes für ihren "inhaltlichen Fokus", angesichts der Herausforderungen mit dem Koalitionspartner ÖVP. "Ich wundere mich oft über die ÖVP, welche Irrungen sie politisch anzieht" und nannte etwa die Bemühungen von Kanzler Karl Nehammer zu den E-Fuels oder die jüngste Diskussion um die "Normal"-Aussagen von Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) mit Vizekanzler Werner Kogler (Grüne), der Mikl-Leitner "präfaschistoide" Aussagen vorgeworfen hatte. "Was soll das überhaupt für eine Diskussion sein?", zeigte sich Mair verständnislos, denn "irgendwann war es normal, dass Kinder 16 Stunden in einem Bergwerk gearbeitet haben. Heute finden wir das nicht mehr normal und es ist gut, dass Menschen in Alternativen denken können. Als Grüne Alternative Tirol haben wir das sogar im Namen."
Dennoch - für Vorhaben wie das Klimaschutzgesetz, Bundesstaatsanwaltschaft oder das Informationsfreiheitsgesetz sah der grüne Landessprecher den Zug noch nicht abgefahren. "Wenn man das glauben würde, müsste man sofort wählen", meinte er. Und er ging definitiv nicht von einer vorgezogenen Nationalratswahl aus, die regulär im Herbst 2024 stattfindet. Welche Konstellationen sich nach der Wahl ergeben, werde sich zeigen: "Mehrheiten jenseits der Freiheitlichen muss man erst einmal zusammenbekommen." Mair räumte ein, dass es mit der SPÖ zwar gesellschaftspolitisch leichter gehe als mit der ÖVP, allerdings sei diese "eine Betoniererpartei sondersgleichen". Die Gefahr, dass die Sozialdemokraten mit Andreas Babler an der Spitze den Grünen das Wasser abgraben könnten, sah Mair jedenfalls nicht: "Es gibt die Georg Dornauers (Tirols SPÖ-Chef und LHStv., Anm.) und Co., die ausreichend dafür sorgen, dass die SPÖ nicht wählbar ist für grüne WählerInnen." Ob eine Zusammenarbeit mit der ÖVP - angesichts ihres Schielens nach rechts - künftig noch möglich sein wird, werde man sich anhand des Wahlprogrammes ansehen müssen.
Der grüne Klubchef hielt jedoch fest, dass "auch Opposition eine wichtige politische Funktion und Aufgabe ist. Eine Regierung ist ja nichts, was man erbt oder man einen Anspruch darauf hat." Der Tiroler Landespartei tue die neue Rolle jedenfalls gut, es sei wie eine "Frischzellenkur" nach der Zeit des Regierens mit der ÖVP. "Die Regierungsbeteiligung hat uns ausgelaugt, es war viel Müdigkeit zu spüren", was sich auch in "persönliche Reibereien" ausgewirkt habe. Rund um die Landessprecher-Wahl war parteiinterne Kritik am Führungsstil Mairs laut geworden, er selbst hatte von einer "toxischen Kultur" innerhalb der Tiroler Grünen gesprochen. Nun spüre er aber wieder frischen Wind und die Partei verzeichne auch doppelt so viele Neueintritte als üblich.
Mit der "Performance" der schwarz-roten Landesregierung zeigte er sich indes nicht zufrieden. Angesichts der Arbeit von ÖVP und SPÖ sehe er nicht, wie diese nach der nächsten Landtagswahl noch eine Mehrheit zusammenbringen solle. Mair kritisierte die ÖVP, die bei der Windkraft nach wie vor "jegliche Entwicklung verhindert." Mit der jüngst vorgelegten Windkraftstudie - die laut Mair ihren Namen nicht verdient - habe sich die ÖVP angesichts eines fehlenden Raumordnungsprogramms "nicht bewegt". Dem landeseigenen Energieversorger Tiwag wurde auch kein Auftrag zur Umsetzung eines Windrades erteilt, monierte er.
Zur Erreichung der Energieziele brauche es eine "Verdreifachung der Sanierungsrate" zur Energieeinsparung und außerdem 20 bis 30 Mal mehr Leistung durch Photovoltaik. Mair erneuerte seine Forderung nach einer PV-Pflicht etwa für öffentliche Gebäude, Parkplätze oder gewerbliche Gebäude. Auch Skigebiete sollen ihren Energiebedarf bilanziell mit erneuerbaren Energien decken. Das geplante und umstrittene Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal braucht es seiner Ansicht nach nicht. Mit PV-Anlagen könne in der halben Zeit der Errichtung doppelt so viel Energie produziert werden, war er überzeugt. "Die Wasserkraft nimmt einen unrealistisch hohen Anteil" in den Zielvorgaben zur Erreichung der Energieautonomie im Jahr 2050 ein.
Mair kritisierte zudem den Umgang der Landesregierung mit Steuergeld und nannte dabei die geplante Wasserstoffbahn ins Zillertal. Diese werde wohl mit "Mehrkosten von bis zu 200 Millionen Euro" gebaut werden und sei reine "Energievernichtung". Er sprach sich dagegen für eine Oberleitungs- oder Batterievariante aus. Für Mair steckt in Wasserstoffprojekten aber viel "Lobbygeld - und dafür ist die ÖVP immer zu haben", sagte er.
Kein gutes Haar ließ er auch an den finanziellen "Sorgenkindern" der Landesregierung - Matrei in Osttirol und das insolvente Gemeindeverbands-Unternehmens GemNova. Bezüglich Matrei gelte es erst einmal zu klären, wer die Verantwortung für die finanziellen Turbulenzen trage, begründete er die Ablehnung des Tilgungsplans durch die Grünen im Tiroler Landtag, bei dem der Gemeinde seitens des Landes Zahlungserleichterungen gewährt werden. Sollte die Misere aus einer Zusammenarbeit zwischen den Banken und Ex-ÖVP-Bürgermeister, LAbg. und Bundesrat Andreas Köll resultieren und damit "schuldhaft" erfolgt sein, würde er die Gemeinde in Konkurs gehen lassen. Andernfalls sollte das Land einen größeren Teil der Schulden übernehmen, damit die Gemeinde nicht wie jetzt "über 30 Jahre unter Kuratel" gestellt werden muss. Im Fall der GemNova sprach er sich dafür aus, dass die Angestellten der Bildungspool GmbH bei den Gemeinden sowie der Bildungsdirektion angestellt werden sollen, außerdem gehöre der Tiroler Gemeindeverband als Körperschaft öffentlichen Rechts organisiert.
Zusammenfassung
- Tirols Grünen-Chef Gebi Mair, der im Herbst nach zehn Jahren in der Regierung wieder auf der Oppositionsbank Platz genommen hat, sieht eine Regierungsbeteiligung im Bund nach der kommenden Nationalratswahl als kein Muss.
- Im Wahlkampf brauche es einen Fokus auf junge Menschen, dies soll im "personellen Angebot" sichtbar werden.
- Das geplante und umstrittene Pumpspeicherkraftwerk im Kaunertal braucht es seiner Ansicht nach nicht.