Raab will sich für ORF-Gremienreform Zeit nehmen
Für die Notwendigkeit der ORF-Gremienreform hat, ebenso wie für jene der schon umgesetzten ORF-Reform, der Verfassungsgerichtshof (VfGH) gesorgt. Dieser erkannte die Zusammensetzung von ORF-Stiftungs- und -Publikumsrat für teilweise verfassungswidrig - vor allem wegen des übermäßigen Einflusses der Regierung bei deren Besetzung. Das Gesetz gebe es seit den 1970er-Jahren, jetzt habe es der VfGH in Grundzügen bestätigt und Teile davon aufgehoben. Man prüfe derzeit den Regelungsbedarf, es sei legitim, auch einmal nachzudenken, sich mit Expertinnen und Experten zu beraten und keinen Schnellschuss abzugeben, kündigte Raab an. "Wenn wir sachliche Lösungen erarbeiten wollen, müssen wir uns eine gewisse Zeit nehmen, um Dinge aus unterschiedlichen Perspektiven zu betrachten." Im Herbst 2024 stehen Neuwahlen an.
SPÖ-Mediensprecherin Muna Duzdar fordert eine rasche Umsetzung des VfGH-Urteils, die für mehr Unabhängigkeit und Transparenz sorgt. "Das will die ÖVP aber sichtlich nicht, weil man eine Einigung mit den Grünen nicht zusammenbringen will und kann. Raab hofft offenbar auf eine schwarz-blaue Regierung, in der ÖVP und FPÖ eine Politik gegen die Unabhängigkeit des ORF umsetzen können", mutmaßte sie in einer Aussendung. Im Zuge der Gremienreform brauche es u.a. weniger Kanzlereinfluss und mehr Publikum in einem aufgewerteten Publikumsrat.
"An einer Entpolitisierung der Gremien führt kein Weg vorbei", stellte auch NEOS-Mediensprecherin Henrike Brandstötter fest. Dass Raab ankündige, sich bei der Gremienreform "zurückzulehnen, ist wirklich eine Farce", wird sie in einer Aussendung zitiert. Die NEOS fordern, den Einfluss der Parteipolitik durch eine Auflösung des Stiftungsrats und seiner politischen Freundeskreise zurückzudrängen. An ihre Stelle solle eine "Governance-Struktur mit einem unabhängigen Aufsichtsrat treten, die wiederum einen mehrköpfigen Vorstand mit klarer Kompetenzverteilung bestellt und überwacht".
Weiterhin beschäftigen will sich Raab mit Künstlicher Intelligenz (KI). Innovation dürfe nicht gehemmt, die Hoheit der Journalistin bzw. des Journalisten müsse aber bewahrt werden, so das Credo. Gemeinsam mit der Medienbranche wolle sie nun Richtlinien im Umgang mit KI erarbeiten, sagte Raab. Man müsse etwa zwischen unterschiedlichen Formen und Risiken von KI unterscheiden, um diese wenn notwendig regulieren oder sogar verbieten zu können.
Eine vom Innenministerium zuletzt gutgeheißene Arbeitspflicht für Asylwerber hält Raab, auch Ministerin für Familien, Frauen und Integration, für "grundvernünftig". Menschen, die nach Österreich flüchten und hier eine Unterkunft, Verpflegung und Taschengeld erhalten, sollten der Gesellschaft etwas zurückgeben - in Form etwa von Instandhaltung von Gemeindeflächen. So würden die Asylwerber auch bereits Kontakte in Österreich knüpfen. "Daran kann nichts Schlechtes sein und daran ist auch überhaupt nichts Menschenrechtswidriges aus meiner Sicht", sagte sie angesprochen auf Kritik von Amnesty International Österreich, wonach die Pflicht menschenrechtlich bedenklich sei. Raab sprach sich außerdem gegen eine Verbesserung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber aus. Der Entscheid im Asylverfahren und darüber, ob der Aufenthalt in Österreich langfristig sei, solle abgewartet werden.
Kein Thema ist für Raab auch eine Reform bei der Obsorge unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge. Diverse NGOs hatten kritisiert, dass diese oft zu lange in Einrichtungen des Bundes untergebracht seien. Unmündige Kinder müssten gut obsorgt werden, egal woher sie kommen, sagte sie. Das sei im Betreuungssystem des Bundes aber "sicherlich gegeben", das Thema beim Innenministerium und den Bundesländern gut aufgehoben.
Als absurd bezeichnet SPÖ-Integrationssprecher Christian Oxonitsch die Äußerung der Ministerin. Die fehlende Obsorge sei seit Jahren ein bekanntes Problem und eine "krasse Missachtung der verfassungsrechtlich abgesicherten Kinderrechte". Schließlich finde sich die schnelle Obsorge für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge auch im Regierungsprogramm. Im Innenministerium gebe es zudem keine Statistiken zur Obsorge dieser Kinder und Jugendlichen. Im Justizministerium liege ein fertiger Gesetzesentwurf für die Obsorge ab dem ersten Tag vor, so Oxonitsch, der dazu aufruft, dieses Gesetz so schnell wie möglich zu beschließen.
Mehr Geld gibt es ab heuer für den Ausbau der Kinderbetreuung - 4,5 Milliarden Euro sollen bis 2030 fließen. Zu dem Ergebnis, dass das Geld allerdings nicht ausreichen wird, ist zuletzt das Zentrum für Verwaltungsforschung (KDZ) gekommen - schließlich müsse man neben dem Ausbau auch in Erhalt und Qualität investieren. Raab teilt die Bedenken nicht. Das Wirtschaftsforschungsinstitut EcoAustria habe erhoben, dass es bis 2030 4,5 Milliarden Euro brauche, damit jede Familie, die einen Kinderbetreuungsplatz benötigt, auch einen erhält. Habe der Bund die Länder bisher nur beim Bau neuer Kindergärten unterstützt, könne nun außerdem auch Personal subventioniert werden, das sei ein "Gamechanger in der Kinderbetreuung". Dass ein Ausbau passiere, liege primär in der politischen Verantwortung der Länder.
In der Frauenpolitik habe man auch einen Fokus auf den Gewaltschutz gelegt, in den auch ein Großteil des Frauenbudgets fließt. So wurde vor Kurzem der Start der Gewaltambulanzen in Wien und Graz verkündet. Teilweise sei der Betrieb dort schon aufgenommen worden, erzählte Raab, innerhalb dieser Legislaturperiode soll das Programm auch in den Westen expandieren. Aufgestockt wurde außerdem das Budget für Mädchen- und Frauenberatungseinrichtungen, die 2024 13,6 Mio. Euro erhalten. Mit dem Geld werde man es schaffen, in jedem Bezirk eine vom Frauenministerium unterstützte Beratungsmöglichkeit zu etablieren - derzeit gibt es eine solche in etwa 90 Prozent der Bezirke.
Wird auch der Nationale Aktionsplan Gewaltschutz kommen, der sich auch im Regierungsprogramm findet? Man wolle weniger reden und mehr handeln, meinte Raab dazu. Strategische Schwerpunkte werden etwa auf eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Justiz, Fraueneinrichtungen und Polizei gesetzt, die dortige Schnittstelle weiter verbessert.
Weiterverfolgen will die Ministerin das im Regierungsprogramm festgelegte automatische Pensionssplitting, aber auch das Ehealter ab 18 - beide Themen liegen in der primären Verantwortung grün geführter Ministerien. Mit ersterem will Raab gegen die Altersarmut von Frauen, mit zweiterem gegen Zwangsverheiratung vorgehen. "An meinem Willen scheitert es nicht, entsprechende Gesetzesentwürfe wurden vorgelegt", so die Ministerin dazu. Offen ist auch eine Reform des Kindschaftsrechts, wobei man mit dem Justizministerium in Gesprächen sei.
Zusammenfassung
- "Es geht mir nicht darum, etwas zu schieben", das Thema müsse allerdings von verschiedenen Seiten betrachtet werden, sagte sie im APA-Interview.
- So würden die Asylwerber auch bereits Kontakte in Österreich knüpfen.
- Kein Thema ist für Raab auch eine Reform bei der Obsorge unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge.
- Im Innenministerium gebe es zudem keine Statistiken zur Obsorge dieser Kinder und Jugendlichen.
- Raab teilt die Bedenken nicht.