Putin erkennt Separatisten-Gebiete in Ostukraine an, stellt Ukraine in Frage
Der Kremlchef unterzeichnete am Montag nach einem Antrag der Separatisten ein entsprechendes Dekret, wie das russische Staatsfernsehen zeigte. Zudem unterzeichnete er ein Freundschaftsabkommen mit den Separatisten in der Ostukraine. Das ist eine drastische Eskalation des Konflikts mit der Ukraine. Die prorussischen Separatistenführer in den beiden Regionen hatten Putin zuvor um Beistand im Kampf gegen die ukrainischen Regierungstruppen gebeten.
Über seine Pläne informierte Putin Deutschlands Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron am Telefon. Scholz warnte Putin vor der Anerkennung der Regionen. Dies stünde "im krassen Widerspruch" zum Minsker Abkommen von 2015 zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine und wäre ein "einseitiger Bruch" dieser Vereinbarungen, sagte Scholz demnach in dem Telefonat mit Putin.
Putin stellt Staatlichkeit der Ukraine in Frage
In einer TV-Ansprache hat Putin überdies die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes infrage gestellt. Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine am Montag als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat. Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der "Dekommunisierung", so Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. Zudem bezichtigte Putin Kiew, Atomwaffen bauen zu wollen.
Dies komme Vorbereitungen für einen Angriff auf Russland gleich, meinte Putin. Die Ukraine habe das Atom-Know-How aus der Sowjetzeit. Wenn die Ukraine in den Besitz von Massenvernichtungswaffen komme, werde sich die globale Lage drastisch ändern. Dies könne nicht ignoriert werden.
Die Ukraine habe nie eine "echte Staatlichkeit" gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, fuhr Putin fort. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten. Korruption und Machtkämpfe von Oligarchen würden verhindern, dass es den Menschen in der Ex-Sowjetrepublik besser gehe. "Wir sind bereit, der Ukraine zu zeigen, was eine echte Dekommunisierung ist", meinte Putin weiter.
Separatisten-Führer forderten Anerkennung
Die Chefs der zwei abtrünnigen selbsternannten Volksrepubliken Luhansk und Donezk hatten von Putin die Anerkennung als unabhängige Provinzen gefordert. Die pro-russischen Separatisten in der Ostukraine riefen Putin angesichts vermehrter bewaffneter Auseinandersetzungen zur Anerkennung ihrer Unabhängigkeit auf. "Ich bitte Sie, die Souveränität und Unabhängigkeit der Volksrepublik Luhansk anzuerkennen", sagte Rebellenchef Leonid Pasetschnik am Montag in einer im russischen Fernsehen ausgestrahlten Videobotschaft.
Der Separatistenführer in der selbsternannten "Volksrepublik" Donezk, Denis Puschilin, schloss sich der Forderung an. Er rief Moskau zudem auf, eine Zusammenarbeit "im Bereich der Verteidigung" einzuleiten.
Auch das russische Parlament, die Duma, hatte bereits in der vergangenen Woche eine Resolution an Putin verabschiedet mit der Bitte um Anerkennung der "Volksrepubliken". Putin hatte eine Entscheidung bisher offengelassen. Mit einem solchen Schritt könnte er den Weg ebnen für einen militärischen Einmarsch Russlands in die Ostukraine.
Mit dieser Entscheidung dürfte der geplante Ukraine-Gipfel bis auf weiteres gescheitert sein. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der am Sonntag zweimal Putin und einmal mit Biden telefoniert hatte, ging eine Initiative für ein derartiges Treffen aus. Das Treffen "kann nur stattfinden, wenn Russland nicht in die Ukraine einmarschiert", hieß es am Sonntagabend aus dem Élysée-Palast.
Biden stimmte nach Angaben des Weißen Hauses "im Prinzip" einem Treffen bereits zu. Die Ukraine will ebenfalls teilnehmen. "Niemand kann unser Problem ohne uns lösen", sagt der Chef des Obersten Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, Oleksij Danilow.
Angaben über ukrainische "Saboteure"
Unterdessen gab es widersprüchliche Angaben über angebliche Saboteure auf russischem Boden. Die russische Armee tötete nach eigenen Angaben fünf aus der Ukraine kommende "Saboteure". Russische Nachrichtenagenturen meldeten am Montag unter Berufung auf die Armee, die "fünf Personen" hätten die russische Grenze verletzt und seien "eliminiert" worden.
Zudem hätten bei dem Vorfall in der Früh in der Region von Rostow zwei ukrainische Militärfahrzeuge versucht, die Grenze zu überqueren. Die Ukraine dementierte die Darstellung. Es handle sich um Fake News, Ukrainer seien nicht in Rostow präsent. "Wir betonen immer, dass wir nicht auf zivile Infrastruktur schießen oder auf Gebiet in der Region Rostow oder was auch immer", sagte der ukrainische Militärsprecher Pawlo Kowaltschuk. "Kein einziger unserer Soldaten hat die Grenze zur Russischen Föderation überquert, und kein einziger ist heute getötet worden", sagte Anton Geraschtschenko vom ukrainischen Innenministerium.
PULS 24 Reporterin Marie Salzmann berichtet über die diplomatischen Anstrengungen im Zuge der Ukraine-Krise.
Bundeskanzler Karl Nehammer traf am Montag mit den Parlamentsklubs zu einem Sicherheitsbriefing mit den Nachrichtendiensten zusammen. Darüber hinaus fand am Montagnachmittag eine Sondersitzung des Ständigen Rates der OSZE in Wien. Für Österreich nimmt der Generalsekretär des Außenministeriums, Botschafter Peter Launsky-Tieffenthal, an der Sitzung teil.
Brandstätter über die Rolle Österreichs im Ukraine-Konflikt
Helmut Brandstätter, Außenpolitischer Sprecher der NEOS, spricht darüber wie sich Österreich im Ukraine-Konflikt einbringt.
150.000 russische Soldaten an der Grenze
Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150.000 Soldaten an der Grenze zum Nachbarland Ukraine zusammengezogen. Befürchtet wird ein Angriff. Das streitet Moskau seit Wochen vehement ab.
Neu aufgenommene Satellitenbilder zeigen neue militärische Aktivitäten in Russland in der Nähe der Grenze zur Ukraine. Das in den USA ansässige Unternehmen Maxar Technologies meldete die Stationierung weiterer Truppen und Panzerausrüstung an mehreren Orten entlang des Grenzverlaufs. Die neue Aktivität stelle eine Änderung in der Struktur der zuvor beobachteten Stationierung von russischen Kampfeinheiten dar, hieß es.
In den vergangenen Tagen hatte sich die Lage in den Gebieten Donezk und Luhansk zugespitzt. Internationale Beobachter hatten zuletzt von einer massiven Zunahme von Verstößen gegen einen geltenden Waffenstillstand gesprochen. Die Aufständischen sprachen am Montag von mindestens zwei Toten und neuen Gefechten. Die ukrainische Armee sprach am Samstag von zwei getöteten Soldaten.
Ostukraine abtrünnig, Krim seit 2014 besetzt
In den ostukrainischen Gebieten Donezk und Luhansk unweit der russischen Grenze kämpfen seit 2014 vom Westen ausgerüstete Regierungstruppen gegen von Russland unterstützte Separatisten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen wurden bereits mehr als 14.000 Menschen getötet.
Zusammenfassung
- Der russische Präsident Wladimir Putin hat die selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine als unabhängige Staaten anerkannt. Der Schritt wird den Konflikt zwischen Russland und der Ukraine nochmals gefährlich anheizen.
- Über seine Pläne informierte Putin Deutschlands Kanzler Olaf Scholz und Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron am Telefon. Scholz warnte Putin vor der Anerkennung der Regionen.
- Dies stünde "im krassen Widerspruch" zum Minsker Abkommen von 2015 zur friedlichen Beilegung des Konflikts in der Ostukraine und wäre ein "einseitiger Bruch" dieser Vereinbarungen, sagte Scholz demnach in dem Telefonat mit Putin.
- In einer TV-Ansprache hat Putin überdies die Staatlichkeit der Ukraine als Ganzes infrage gestellt. Der Kremlchef bezeichnete die Ukraine am Montag als einen durch Russland unter dem kommunistischen Revolutionsführer Lenin geschaffenen Staat.
- Die Denkmäler Lenins seien dort zerstört worden als Zeichen der "Dekommunisierung", so Putin mit Blick auf die Abschaffung der Überreste des Kommunismus. Zudem bezichtigte Putin Kiew, Atomwaffen bauen zu wollen.
- Die Ukraine habe nie eine "echte Staatlichkeit" gehabt, sondern vielmehr Modelle kopiert, fuhr Putin fort. Dort hätten heute Radikale und Nationalisten das Sagen - unter den Kuratoren des Westens, die das Land in die Sackgasse geführt hätten.