Heinisch: Russland fühlt sich von Schwäche, nicht Stärke der NATO herausgefordert
"Ich gehe nicht davon aus, dass es zu einem Krieg kommen wird", ordnet Politikwissenschaftler und US-Experte Reinhard Heinisch die Ukraine-Krise im PULS 24 Interview ein. Russland habe nicht die Kapazität, einen Einmarsch durchzuführen, dafür bräuchte es eine höhere Truppenkonzentration. Gleichzeitig sei auch die NATO nicht an einem Krieg interessiert. "Es geht darum, dass sich Russland nicht von der Stärke der NATO herausgefordert fühlt, sondern von der Schwäche."
Bellen statt Beißen
Es gehe um "die Fähigkeit der NATO und der USA Beistandsfähigkeit zu zeigen", so Heinisch. Die USA würden nun versuchen zu zeigen, dass sie in der Lage sind zu reagieren. "Für die USA geht es nicht nur um Europa und die NATO, sondern die USA hat Beistandsverpflichtungen in Asien." In Japan und Taiwan würde man genau verfolgen, inwieweit die USA dazu in der Lage sind.
Gleichzeitig wäre US-Präsident Joe Biden auch innenpolitisch unter Druck. Amerika vertrete die Sicht, "wenn wir jetzt nicht zurückbellen, beißen sie wirklich". Deshalb dürfe man Russland gegenüber keine Schwäche zeigen.
Sanktionen fallen auf Europa zurück
Die USA baue auch eine Drohkulisse auf, "um die Europäer bei der Stange zu halten". Innerhalb Europas sei die Lage sehr unterschiedlich. Einige Länder seien wegen des Gases stark von Russland abhängig, anderen würde das Land Geld schulden, wieder andere stünden in engen Wirtschaftsbeziehungen mit Russland oder hätten eine Grenze zum Land. Das würde die Situation sehr schwierig machen.
Die Verteidigung der EU läge in der Hand der NATO, deren wichtige Player USA, Großbritannien und Türkei seien aber keine EU-Mitglieder. "Auch wenn man hier sehr tough von Sanktionen spricht, im Endeffekt würde sich die EU auch immer ins eigene Fleisch schneiden." Heinisch sieht ein Good-Cop-Bad-Cop-Szenario, bei dem die Europäer versuchen, zu verhandeln. Die Frage sei, ob man eine Lösung finde, bei der alle Seiten ihr Gesicht wahren können.
Russland will Bündnis aus EU und USA spalten
Der Experte erwartet nicht, dass Russland während der Olympischen Spiele handelt. Putin wolle seinen Freund Xi Jinping, Präsident Chinas, nicht verärgern. Ziel sei nicht, einzumarschieren, sondern "den Konflikt am Köcheln zu halten" und die EU und die NATO zu testen. Putins Hoffnung dabei sei, dass es zu einer Spaltung seiner Gegner komme.
"Je länger Europa hier geschlossen auftreten kann, desto eher kann man Russland überzeugen, dass seine Strategie nicht zum Erfolg führen kann." Ein schnelles Ende der Krise sieht Heinisch nur dann, wenn es Europa gelingt auf Forderungen Russlands einzugehen, ohne als Verlierer dazustehen.
Zusammenfassung
- Im Ukraine-Konflikt wolle keine Seite einen Krieg, erklärt Politikwissenschaftler Reinhard Heinisch. Stattdessen gehe es darum, Stärke zu zeigen. Die USA und die EU agieren als Good Cop und Bad Cop, Russland gehe es darum, die Einigkeit des Bündnisses zu testen.