Outing im Iran? Arzt klagt Österreich auf 275.000 Euro Schadenersatz
"Uns geht es insofern nicht ums Geld, als der Schaden, der dadurch angerichtet wurde, sich nicht mehr gut machen lässt", begründete der Ehemann des Arztes die Klage vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien.
Tausende Homosexuelle hingerichtet
Der Mediziner stammt aus einer wohlhabenden Familie und lebt jetzt mit seinem Mann im Bezirk Gänserndorf. Nach dem mutmaßlichen Outing sei er seines Lebens im Iran nicht mehr sicher. Homosexuelle Handlung werden im Iran schwer bestraft - teilweise mit der Todesstrafe. Tausende schwule Männer wurden seit der Islamischen Revulution hingerichtet, die bisher letzten Anfang 2022. Davor saßen sie sechs Jahr in Haft.
Visaanträge: Vater und Schwester regelrecht verhört
Der Arzt hatte sich in einen österreichischen IT-Techniker verliebt, 2021 heirateten sie. 2022 wollte das Paar die Familie des Iraners zum Feiern einladen. Ihre Visa-Anträge bearbeitete allerdings nicht die österreichische Botschaft in Teheran. Die gaben den Auftrag an einen externen Dienstleister weiter. Der Vater und die Schwester des Iraners seien daraufhin regelrecht verhört worden. Man habe sie dazu gebracht zu bestätigen, dass der Mediziner mit einem Mann verheiratet ist, heißt es in der Klagsschrift. Die Aussagen seien vermutlich auch von einer Kamera aufgezeichnet worden.
Das sei eine "schier unverständlichen Verkennung der Situation", wirft der Mediziner der Botschaft vor. Man habe "groß fahrlässig" mehrere in der Verfassung verankerte Rechte verletzt, nämlich das Recht auf Leben, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens und den Schutz vor der Todesstrafe.
Keine Entschuldigung, keine Konsequenzen
Im Außenministerium habe man so getan, "als wäre überhaupt nichts passiert. Es gab nicht einmal eine Entschuldigung", kritisiert der Ehemann des Iraners. Man habe dem Iraner nicht mit seinem mittlerweile abgelaufenen Pass geholfen, noch den Verwandten visarechtliche Hürden erleichtert. Auch personellen Konsequenzen in der Vertretungsbehörde im Iran habe es keine gegeben.
Ministerium weist "Anschuldigungen entschieden zurück"
"Wir weisen die Anschuldigungen entschieden zurück", reagierte das Außenministerium umgehend und bleibt dabei: "Es wurden keine Unregelmäßigkeiten bzw. keine Verletzung der Verschwiegenheitspflicht seitens unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder des externen Dienstleisters festgestellt."
Die Finanzprokuratur beantragt die Abweisung der Klage. Schutzpflichten nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) träfen nur den nationalen Gesetzgeber und nicht die Verwaltung, Verpflichtungen nach der EMRK hätten damit keine unmittelbare Wirkung für das behördliche Handeln der österreichischen Vertretungsbehörden. Es gebe keinen Beweis, dass die iranischen Behörden tatsächlich von der Homosexualität des Arztes in Kenntnis gesetzt wurden.
"Es ist unerlässlich, dass die österreichischen Behörden im Umgang mit dem Iran mit der gebotenen Verantwortung handeln und die Rechte und die Sicherheit von Einzelpersonen schützen", hält dem Shoura Hashemi, Geschäftsführerin von Amnesty International Österreich, entgegen. Dass das iranische Strafgesetzbuch gleichgeschlechtliche Beziehungen unter Strafe stellt, sei "den offiziellen Stellen seit langem ausdrücklich bekannt", betonte Hashemi. Daher sei bei der Bearbeitung von Visa-Anträgen von gleichgeschlechtlichen Paaren oder LGBTIQ-Personen aus dem Iran "äußerste Vorsicht und Diskretion geboten".
"Die österreichischen Behörden müssen eine gründliche und transparente Untersuchung dieses Vorfalls durchführen. Es muss unbedingt sichergestellt werden, dass ähnliche Vorfälle in Zukunft verhindert werden", verlangte Hashemi.
Zusammenfassung
- Ein aus dem Iran stammender Arzt, der in Niederösterreich lebt, wirft der Republik vor, ihn im Iran geoutet zu haben.
- Er könne nie wieder zurück, weil ihm dort jetzt die Todesstrafe droht.
- Deshalb fordert er vor Gericht Schadenersatz.
- Amnesty International fordert Aufklärung, die Republik ist sich keiner Schuld bewusst.