APA/APA/GEORG HOCHMUTH/GEORG HOCHMUTH

Keine Einigung auf neue OSZE-Führung

Nach dem Abschied der deutschen Diplomatin Helga Schmid als OSZE-Generalsekretärin gibt es in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa noch keine neue Führung. Wie das derzeitige OSZE-Vorsitzland Malta Dienstagabend auf X postete, konnten sich die 57 Mitgliedsstaaten der in Wien ansässigen Organisation nicht auf eine Nachfolge einigen. Nach Angaben von Diplomaten hatte Malta den ehemaligen albanischen Außenminister Igli Hasani als neuen Chef vorgeschlagen.

Er wäre Teil eines geplanten Personalpakets gewesen, mit dem Diplomaten aus den Niederlanden, Georgien und Norwegen weitere OSZE-Spitzenposten besetzt hätten, berichtete die dpa. Trotz politischer Blockaden und einer neuerlichen tiefen Führungskrise sah Schmid ihre Organisation am Dienstag vor Medienvertretern nicht am Ende. Die OSZE sei "wichtiger denn je" für die Stabilität am Kontinent, betonte sie in Wien. So habe die OSZE auch die Expertise für die Überwachung eines Waffenstillstands in der Ukraine, "wenn der Tag kommt", unterstrich die Diplomatin.

Schmid äußerte sich an ihrem letzten Arbeitstag vor dem Verband der Auslandspresse und der Vereinigung der Europajournalisten und Europajournalistinnen (AEJ). Aufgrund der Blockadepolitik Russlands war ihre Amtszeit beim OSZE-Ministerrat im Dezember nur um neun Monate statt drei Jahre verlängert worden - ebenso wie jene von drei weiteren OSZE-Spitzendiplomaten. Ab Mittwoch ist nicht nur das in Wien ansässige OSZE-Generalsekretariat vakant, sondern auch das Büro für Demokratie und Menschenrechte (ODIHR) sowie die Posten der OSZE-Medienbeauftragten und des Hochkommissars für nationale Minderheiten.

Die deutsche Spitzendiplomatin zeichnete trotzdem ein positives Bild und glaubt, dass die Organisation nach dem Ende des russischen Aggressionskrieges in der Ukraine wieder eine Schlüsselrolle spielen könnte. "Wenn der Tag kommt, haben wir die Expertise zur Überwachung von Waffenstillständen", betonte sie. Genau dafür gelte es, die Organisation "zu bewahren", so Schmid. "Ich bin überzeugt, dass die OSZE wichtiger denn je ist für die Stabilität im OSZE-Raum und darüber hinaus."

Schmid verwies auf die Entstehungsgeschichte der Organisation, die in den Kalten Krieg zurückreicht. Sie sei damals entstanden, "um eine weitere Eskalation zu verhindern und Gesprächskanäle offen zu halten". Die deutsche Diplomatin machte damit klar, was sie von dem - unter anderem von der Ukraine geforderten - Ausschluss Russlands aus der Sicherheitsorganisation hält.

Die frühere Generalsekretärin des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) hatte die Leitung des OSZE-Generalsekretariats im Dezember 2020 übernommen, inmitten der Corona-Pandemie und gut ein Jahr vor Beginn von Russlands kriegerischer Aggression gegen die Ukraine. "Es war sicher die schwierigste Zeit meiner beruflichen Karriere, weil es um Leben und Tod ging", sagte sie mit Blick auf den Kriegsausbruch, als es hunderten Mitarbeitern der OSZE-Beobachtungsmission aus der Ukraine evakuiert werden mussten.

"Besonders stolz" zeigte sich Schmid, dass die OSZE trotz der russischen Blockade mittlerweile wieder in der Ukraine präsent sein kann. Der Grund sei ein neuartiges Finanzierungsmodell, an dem sich mittlerweile 35 OSZE-Staaten und auch das Partnerland Japan beteiligen. Weil das OSZE-Budget seit drei Jahren blockiert ist - und dessen Fortschreibung angesichts der Teuerung einen massiven Einschnitt bedeutet -, helfen diese Zuwendungen dabei, die zahlreichen OSZE-Missionen über Wasser zu halten. Diese seien sehr wichtig, um etwa in Zentralasien oder am Westbalkan bei der Versöhnungsarbeit und Konfliktprävention zu helfen.

Schmid war einer breiteren Öffentlichkeit bereits als EU-Verhandlungsführerin bei den Wiener Iran-Atomgesprächen bekannt geworden. Nach dem Ende ihrer OSZE-Tätigkeit will sie sich - vom UNO-Amtssitz Wien aus - auf ihre nächste Funktion vorbereiten: Die deutsche Regierung hat sie nämlich für den Posten der Präsidentin der UNO-Generalversammlung (UNGA) vorgeschlagen. Sollte sie kommendes Jahr für diesen Posten gewählt werden, wäre sie wieder einmal "die erste", berichtete Schmid. Schließlich hatte in der 80-jährigen UNO-Geschichte noch kein westeuropäisches Land eine Frau für den prestigereichen Leitungsposten vorgeschlagen, und insgesamt seien es auch nur vier gewesen, sagte die gebürtige Bayerin. Vor ihr hatte noch keine Frau ein Ministerbüro im deutschen Außenministerium, den EAD und auch nicht die OSZE geleitet.

(S E R V I C E - Post des OSZE-Vorsitzlandes Malta Dienstagabend auf X - Führung der Organisation derzeit noch vakant: https://go.apa.at/KLCwE9jo)

ribbon Zusammenfassung
  • Helga Schmid verlässt ihre Position als OSZE-Generalsekretärin, ohne dass eine Nachfolge feststeht. Malta, das derzeitige OSZE-Vorsitzland, konnte keine Einigung unter den 57 Mitgliedsstaaten erzielen.
  • Aufgrund der Blockadepolitik Russlands wurde Schmids Amtszeit nur um neun Monate verlängert. Ab Mittwoch sind mehrere OSZE-Spitzenposten vakant, darunter das Generalsekretariat und das Büro für Demokratie und Menschenrechte.
  • Ein neuartiges Finanzierungsmodell ermöglicht der OSZE trotz Budgetblockaden weiterhin in der Ukraine tätig zu sein. 35 OSZE-Staaten und Japan beteiligen sich an diesem Modell.