Orbán: Ukraine-Krieg ist verloren, Von der Leyen als Kriegstreiberin
Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und der deutsche Ex-Kanzler Gerhard Schröder (SPD) waren zu Gast bei einer Veranstaltung der Schweizer Zeitschrift Weltwoche in Wien. "Weltwoche"-Herausgeber Roger Köppel moderierte, auch er ist umstritten.
Abseits seines Besuchs beim frisch gewählten FPÖ-Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz bekam Orbán auch hier eine Bühne für polarisierende Statements zur EU, dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine und den USA.
Drei Putin-Versteher
Ebenso wie Orbán ist die Position des ehemaligen SPD-Kanzlers Gerhard Schröder zu Russland umstritten. Er gilt als einer der engsten Freunde Putins und war ein zentraler Akteur in den gescheiterten Friedensverhandlungen im April 2022 zwischen der Ukraine und Russland.
Auch "Weltwoche"-Herausgeber Roger Köppel ist nicht unumstritten: Er reiste selbst gemeinsam mit Orbán im Juli nach Russland zum dortigen Machthaber Waldimir Putin.
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90 Minuten lang gaben die drei Männer den 500 Anwesenden Einblick in ihr Weltbild. Orbán spricht auf Ungarisch, es wird simultan übersetzt. Er spricht Ex-Kanzler Schröder konsequent als Bundeskanzler an. Aus den Reihen der FPÖ fällt der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky auf, sonst sitzen noch der russische Botschafter und Ex-BVT-Chef Peter Gridling im Publikum. Einführung zu den Gästen gibt es nicht, man ist sich an diesem Donnerstag in den Sofiensälen einig.
Verkehrte Welt
TV-Aufnahmen waren auf Wunsch von Altkanzler Schröder nicht erlaubt, deshalb berichtet PULS 24 online. Fotos waren dann doch in Ordnung. Beim Warten auf die Gesprächsrunde spricht ein Zuseher mich an, ob ich von der Presse sei. Er erklärt, dass er die "Weltwoche" gut findet und hier Dinge berichtet würden, die sonst von den Medien nicht aufgegriffen würden.
Auch so eine Veranstaltung würde kein anderes Medium auf die Beine stellen. Frieden sei ihm sehr wichtig. Er weist darauf hin, dass Köppel Orbán und Schröder schon interviewt habe und "eingespielt" seien. Ihm gefielen am "Weltwoche"-Chef Köppel besonders dessen Wortschöpfungen.
"Seit wann Schelte für Frieden"
Gerhard Schröder ist 80 Jahre alt. Vor fast zwanzig Jahren zog er sich aus der Politik zurück. Seitdem war er als Wirtschaftslobbyist für Putin tätig, er war unter anderem Verwaltungspräsident des Betreibers der Nord Stream 2 Pipeline.
Er ist der einzige, der an diesem Nachmittag erwähnt, dass der russische Angriffskrieg von Russland ausging. Auch die kippende deutsche Wirtschaft wird zum Thema, aber Deutschland müsse nicht gerettet werden, so Schröder.
Moderator Köppel will mit seinen Fragen provozieren, aber nicht seine Gäste, sondern "die Presse": Ob Orbán für dieses oder jenen Kommentar nicht einen "Shitstorm" aus Brüssel ernten würde, oder dass Mar-a-Lago die inoffizielle Hauptstadt der USA sei, oder ob "wir" nicht von "wohlstandsverwahrlosten Politikern regiert" würden.
"Millionen Christen in Europa getötet"
Orbán wirft mit ganz verschiedenen Talking-Points um sich. "Slawen" seien zwar brutal, aber genauso wie Ungarn sei auch Russland eine christlich geprägte Kultur, auch in der Ukraine gehen es ja um die Leben von Christen. Auf einmal heißt es "Wir haben ein arabisches Problem in Europa", es folgt einer der vielleicht größten Zwischenapplaus des Abends.
Er warnt vor "Musterungen in Wien", denn die Ukraine habe den Krieg seiner Meinung nach schon verloren - wenn Europa nicht selbst Soldaten schicken wird. Orbán sieht EU-Kommissionspräsidentin Ursula Von der Leyen als Kriegstreiberin, die EU würde keinen Frieden wollen. Seine Hoffnung für einen Friedensprozess ist der US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump, dieser würde laut Orbán nach einer Wiederwahl sofort Verhandlungen mit Russland aufnehmen.
Orbán und Schröder thematisieren beide Europas Planlosigkeit im Energiesektor - denn es gäbe immer noch keinen Ersatz für das Wegfallen des billigen russischen Gases. Energie sei aktuell viermal teurer als in den USA, Strom sei doppelt so teurer - "Wir werden pleite werden", wiederholt Orbán mehrmals. Lösungen abseits einer Versöhnung mit Russland bleiben beide schuldig.
Mehr Macht, weniger Moralisieren
Orbán spricht davon, den russischen Machthaber Putin zu verstehen, immerhin habe er 26 Jahre unter dem Kommunismus gelebt. Im Zentrum der russischen Politik stehe seiner Meinung nach das Ziel, dieses Land zusammenzuhalten - im Gegensatz zum westlichen Streben nach Freiheit und Wohlstand. Und Trump würde Putin dann so gut verstehen, wie notwendig. Europa hat die Chance für Frieden Orbáns Meinung nach verspielt.
"Für die Amerikaner ist es nicht schwer, die Russen zu verstehen, weil sie ebenfalls die Sprache der Macht sprechen." Wenn Trump mit den Russen verhandelt, wird es dort "kein Moralisieren geben, dort wird es Realpolitik geben".
Und der Frieden?
Viel wird gesprochen über die gescheiterten Verhandlungen im April 2022 und auch die Reisen Orbáns nach Moskau, Kiew, Peking und Washington zu Beginn der ungarischen EU-Ratspräsidentschaft.
"Es ist interessant: Seit wann wird man wegen Friedensinitiativen gescholten?", so Schröder zur Kritik an Orbáns Reisen.
Der ungarische Ministerpräsident wolle aber keinen Frieden, er wolle einen Waffenstillstand. Denn für eine Friedenslösung brauche es einen Plan und den gebe es nicht, so Orbán. Mit Putin seien die Gespräche auch gescheitert, weil Orbán keine Friedensgarantie geben könne, auch nicht, dass bei einem Waffenstillstand nicht aufgerüstet würde.
Keine Fragen, aber Geschenke
Was gab es bei der "Weltwoche"-Show nicht: Kritische Fragen, Fragen von Journalist:innen, und auch nicht die versprochenen Fragen aus dem Publikum. Bis zuletzt wurde auf der Website des Veranstalters dazu aufgerufen.
Die "Weltwoche" bot dem ungarischen Ministerpräsidenten eine weitere Chance zu Inszenierung. Zum Abschied bekommen beide Gäste eine Holzschachtel mit Schweizer Hustenbonbons.
Die Weltwoche und ihr polarisierende Herausgeber
Die "Weltwoche" will anecken, zum Beispiel mit Leugnung des Klimawandels, aber auch krude Positionen zum Ukraine-Krieg. Köppel schreibt seit seiner Übernahme der Schweizer "Weltwoche" gegen den "linksliberalen Publizistik-Mainstream", aber versuchte sich 2015 selbst als Politiker und zog für die nationalkonservative Schweizerische Volkspartei in den Schweizer Nationalrat ein.
Er war Teil der Aussenpolitischen Kommission, weiterhin Journalist und leakte dabei vertrauliche Informationen aus der Politik. Er gilt als Trump-Unterstützer, trat mehrmals im staatlichen russischen Propagandasender "RT" auf und titelte nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine mit "Putin, der Missverstandene".
Zusammenfassung
- Wo ist der Frieden in Europa?
- Das wollte die konservative Schweizer Zeitschrift "Wochenblick" vom deutschen Ex-Kanzler Gerhard Schröder und dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán wissen.
- Orbán will keinen Frieden, er will sagen können, dass Europa einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine vermittelt hat.
- Andere Kriege waren nicht der Rede wert, kritische Fragen gab es keine.