Opposition blockiert Gas-Lenkungsmaßnahmenverordnung
Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne) will nun weiterverhandeln, die SPÖ ist verhandlungsbereit.
Gespräche werden weiter geführt
"Es werden selbstverständlich weitere Gespräche geführt, um zu einem guten Ergebnis zu kommen", hieß es aus dem Energieministerium zur APA. In der von Gewessler eingebrachten Gas-Lenkungsmaßnahmenverordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe zur Umrüstung aufgefordert, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen.
Die Verordnung betrifft unter anderem das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach in der Steiermark, aber auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zu dreht.
"Je später die Verordnung, desto später der Notbetrieb"
Die von der Regierung anvisierte Reaktivierung des Kohlebetriebs in Mellach verzögert sich nun. "Je später diese gesetzliche Grundlage gegeben ist, umso später ist auch ein Einsatz im Notbetrieb umsetzbar", hieß es vom Verbund auf APA-Anfrage. "Die Reaktivierung der Kohleverstromung am Standort Mellach beinhaltet Umbau- und Wartungsarbeiten, Personalfragen, die Beschaffung der Kohle am Weltmarkt wie auch der Transportslots an den Standort", so der teilstaatliche Energieversorger.
Mellach würde bei einer als kompliziert geltenden Reaktivierung allerdings erst ab 2023 Energie liefern können, sagte Verbund-Chef Michael Strugl zuletzt. "An den Herbst ist nicht zu denken. Wir reden von 2023", sagte der Chef des teilstaatlichen Unternehmens.
ÖVP sieht "parteipolitisches Kalkül"
Laut Gewessler wurden Gespräche mit den beiden großen Oppositionsparteien geführt. "Es hat aufgrund der Verhandlungen und Rückmeldungen der SPÖ eine Veränderung der Verordnung gegeben", so die Energieministerin. "Die SPÖ verweigert im heutigen Hauptausschuss aus parteipolitischem Kalkül ihre Zustimmung und setzt damit die Versorgungssicherheit in unserem Land aufs Spiel", kritisierte ÖVP-Energiesprecherin Tanja Graf.
ÖVP und Grüne hätten für den Verordnungsbeschluss eine der beiden großen Oppositionsparteien SPÖ oder FPÖ, weil in diesem Fall eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, gebraucht. Nun hat sich die Opposition "geschlossen" gegen den Beschluss gestellt, twittert der Grüne-Abgeordnete Georg Bürstmayer.
https://twitter.com/buerstmayr/status/1562054131585634308
Kohlekraftwerk Mellach
In der Lenkungsmaßnahmen-Verordnung werden Energieversorger und große Industriebetriebe aufgefordert umzurüsten, um im Fall eines Gasmangels oder russischen Lieferstopps andere Brennstoffe wie Kohle, Öl oder Biomasse einzusetzen. Die Verordnung betrifft unter anderem das stillgelegte Kohlekraftwerk des Verbunds in Mellach in der Steiermark, aber auch Fernwärmekraftwerke, etwa jene der Wien Energie, die von Gas auf Öl umgestellt werden sollen. Ziel ist es, Gas zu sparen, falls Russland den Gashahn ganz zu dreht.
Gewessler nach Votum: Opposition "gefährdet Versorgungssicherheit"
Gewessler kritisiert SPÖ
Scharfe Kritik an der SPÖ übte Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). "Ich finde das Verhalten der SPÖ komplett unverantwortlich", sagte Gewessler am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal" des ORF-Radio. Ein reaktiviertes Kohlekraftwerk Mellach könne im Notfall 260.000 Haushalte mit Strom und Wärme versorgen.
"Ich mache die SPÖ verantwortlich, wenn Wohnungen von Familien und Kindern kalt bleiben." Laut Gewessler wurden Gespräche mit beiden Oppositionsparteien geführt. "Es hat aufgrund der Verhandlungen und Rückmeldungen der SPÖ eine Veränderung der Verordnung gegeben", so die Energieministerin. Auch die Klubobleute August Wöginger von der ÖVP und Sigrid Maurer von den Grünen kritisierten das geplante Abstimmungsverhalten der SPÖ als "grob verantwortungslos".
Sigrid Maurer twitterte, dass SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner mit "ihrem verantwortungslosen Verhalten die Versorgungssicherheit" riskiere. "Wenn Kinderzimmer im Winter kalt bleiben", sei die SPÖ dafür verantwortlich.
https://twitter.com/sigi_maurer/status/1562054933213487107
SPÖ verhandlungsbereit
Die SPÖ ist trotz des für heute angekündigten Vetos weiterhin verhandlungsbereit. "Wir sind jederzeit bereit zu diskutieren", sagte der stellvertretende SPÖ-Klubvorsitzende Jörg Leichtfried am Dienstagvormittag bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Sozialdemokraten hatten vergangene Woche ihre Zustimmung an mehrere Bedingungen geknüpft, etwa dass zusätzliche Kosten, die durch die Umrüstung von Gas auf Kohle und Öl entstehen, nicht auf die Energiekunden überwälzt werden dürfen.
Die Sozialdemokraten fordern außerdem, dass Unternehmen die hohe Gewinne aufgrund der Energiekrise lukrieren, keine Förderungen im Rahmen der Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung erhalten. Sollte es substanzielle Änderungen geben, könne man "nächste oder übernächste Woche die Verordnung beschließen", sagte Leichtfried. Für die SPÖ sei die Sicherstellung der Versorgungssicherheit zentral.
FPÖ gegen Russland-Sanktionen
Für die FPÖ ist die heutige Sitzung des Hauptausschusses ein "Reality Check" für die Energie- und Sanktionspolitik der Regierung. "Diesen Test hat sie nicht bestanden", so FPÖ-Energiesprecher Axel Kassegger in einer Aussendung. "Darüber hinaus sind viele Fragen überhaupt nicht geklärt und ich glaube kaum, dass die Ministerin sie auch nur ansatzweise zufriedenstellend beantworten kann." Kassegger bezeichnete die Energiepolitik der türkis-grünen Regierung als "chaotischen und vollkommen verfehlt". Auch die Sanktionen gegen Russland seien ein "Knieschuss".
Auch die NEOS sehen die Verordnung kritisch. "Energieversorger wie EVN oder Verbund machen gerade so hohe Gewinne wie nie, sie brauchen aktuell sicher kein Steuergeld", so NEOS-Energiesprecherin Karin Doppelbauer am Dienstag in einer Aussendung. Die Verordnung sei "komplett auf die Bedürfnisse der Energieversorger zugeschnitten".
Zusammenfassung
- SPÖ und NEOS wollen der Erdgas-Lenkungsmaßnahmen-Verordnung und damit unter anderem der Reaktivierung des klimaschädlichen Kohlekraftwerks Mellach am Dienstagnachmittag im Hauptausschuss des Nationalrats nicht zustimmen.
- ÖVP und Grüne brauchen für den Verordnungsbeschluss eine der beiden großen Oppositionsparteien SPÖ oder FPÖ, weil in diesem Fall eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist.
- Eine Zustimmung der FPÖ ist nach eigenen Angaben "extrem unwahrscheinlich".