ÖVP-Kampagne gegen "SPÖ-Modell" der Mindestsicherung
Die Regelung in der Bundeshauptstadt gibt es zwar schon seit Jahren, aktuell wird jedoch über die Zahlungen an eine syrische Familie diskutiert. Diese erhalte 4.600 Euro Mindestsicherung und mit weiteren Transferleistungen mehr als 6.000 Euro netto pro Monat, wie Stocker in einer Pressekonferenz ausführte. "Das Beispiel aus Wien zeigt, dass vieles aus dem Ruder gelaufen ist", befand er. Kaum jemand, der Vollzeit arbeite, würde so viel verdienen.
Das Sozialsystem sei für jene da, die nicht arbeiten können oder die dauerhaft auf Hilfe angewiesen seien, gab Stocker zu bedenken. Die SPÖ plane jedoch, das Modell aus Wien in ganz Österreich umzusetzen. Hier setzt die aktuelle Kampagne an, mit der man sich direkt an den SPÖ-Vorsitzenden wendet. "6.800 Euro Sozialhilfe ohne zu arbeiten. Ist das gerecht Herr Babler?", lautet ein Slogan. In einem anderen wird bekrittelt, dass die SPÖ Leistung nicht belohnen, sondern bestrafen wolle.
Die ÖVP gehe hier den umgekehrten Weg, beteuerte Stocker. Er verwies auf entsprechende Vorschläge wie den Vollzeitbonus. In Sachen Sozialleistungen für Kinder führte er unter anderem das Modell aus Oberösterreich ins Treffen. Dort sinken die Zuschüsse bei Mehrkindfamilien. Dass Wien sich Oberösterreich als Vorbild nehmen soll, thematisierte auch die Wiener ÖVP in einer eigenen Pressekonferenz.
Wiens ÖVP-Chef Karl Mahrer und Klubobmann Markus Wölbitsch ließen dabei ebenfalls kein gutes Haar an der Wiener Mindestsicherung. Diese sei ein "fataler Sozialmagnet". In Wien würden 66 Prozent aller Bezieher leben, 60 Prozent davon seien keine österreichischen Staatsbürger. "Wir fordern die vollständige Umsetzung des Sozialhilfe-Grundsatzgesetzes, die Anpassung der Sozialleistungen für fast 9.000 subsidiär Schutzberechtigte an die Bundesländer rund um Wien und eine Staffelung der Leistungen für Mehrkindfamilien und Wohngemeinschaften analog anderer Bundesländer", sagte Mahrer, der einen Misstrauensantrag gegen Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) nicht ausschloss.
Subsidiär Schutzberechtigte würden durch die überbordenden Sozialleistungen in Wien regelrecht angezogen, mutmaßte man. "Diese müssen endlich in Wien - wie grundsatzgesetzlich vorgeschrieben und in den Bundesländern rund um Wien auch so gehandhabt - nur die Grundversorgung erhalten dürfen", verlangte Wölbitsch. Mit der Erfüllung der Forderungen reduziere man etwa die "Überbelastung" der Infrastruktur im Bereich Bildung, Wohnen und Gesundheit. Es würde zudem mehr "Leistungsgerechtigkeit" für Wien geschaffen.
Wiens SPÖ-Klubchef Josef Taucher versprach in einer Reaktion, dass es in Wien keinen "Sozialabbau" geben werde. Man werde jene unterstützen, die Hilfe brauchen und ihnen helfen, in den Arbeitsmarkt zu kommen: "Wir in Wien stehen Seite an Seite mit den Menschen." Taucher urgierte eine Aufstockung der Mittel des Arbeitsmarktservice und hielt fest: "Für uns ist klar, dass Solidarität keine Einbahnstraße ist - jene, die unser System ausnützen, werden sanktioniert. Alle anderen sollen echte Chancen und Perspektiven auf eine gute Zukunft und ein selbstbestimmtes Leben erhalten."
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim sprach von einer "unsäglichen Kampagne": "Die ÖVP-Kampagne gegen armutsbetroffene Kinder ist an Niedertracht nicht zu überbieten. Stocker, der als ÖVP-Gagenkaiser mehr als 22.000 Euro pro Monat verdient, hat keine Empathie und keinen Anstand." In Österreich, so hob er hervor, seien 350.000 Kinder arm oder armutsgefährdet.
Im Büro von Sozialstadtrat Hacker wurden unterdessen Berechnungen angestellt, wie sich die Übernahme des Modells aus Oberösterreich auswirken würde. Laut den der APA vorliegenden Zahlen wären die meisten betroffenen Personen Alleinerziehende mit ein bis zwei Kindern. In Summe umfassen diese beide Gruppen mehr als 10.000 Kinder. Bei einem Kind würde der Richtsatz von 312,08 Euro pro Monat auf 288,96 Euro sinken. Für das zweite gäbe es laut Hacker-Büro nur mehr 231,17 Euro.
Deutlich massiver wären die Einschnitte bei größeren Bedarfsgemeinschaften. Eine Familie mit drei Kindern würde pro Jahr rund 5.000 Euro verlieren, eine mit vier Kindern rund 8.000 Euro. Insgesamt würden die Maßnahme eine Reduktion von 275,9 Mio. Euro jährlich ausmachen, heißt es. Den größten Anteil hätten hier mit knapp 78 Mio. Euro Familien mit vier Kindern. Alleinerziehende würden rund 21,1 Mio. Euro pro Jahr weniger bekommen. In Wien leben 21.068 Familien mit insgesamt knapp über 50.000 Kindern in der Mindestsicherung.
Die Wiener Grünen kritisierten Vorschläge zu einer Staffelung der Richtsätze für Kinder scharf. "Die ÖVP versucht, politisches Kleingeld auf dem Rücken von Kindern zu schlagen", ärgerte sich Gemeinderat Georg Prack: "Bei der Familienbeihilfe kennt man das Problem der stärkeren Belastungen von Familien mit mehreren Kindern sehr wohl auch in der ÖVP. Deshalb erhöht sich die Familienbeihilfe gemessen an der Anzahl der Kinder in einem Haushalt."
Die Geschwisterstaffelung sei auch auf Betreiben der ÖVP eingeführt worden, um die höhere Belastung von Mehrkind-Familien abzufedern, gab Prack zu bedenken: "Warum man bei der Mindestsicherung das genaue Gegenteil fordert, ist völlig unschlüssig." Die Blockadehaltung der ÖVP in Sachen Kindergrundsicherung verhindere ein nachvollziehbares solidarisches System für alle. Prack plädierte für ein österreichweit einheitliches Vorgehen.
Zusammenfassung
- Die ÖVP startet eine Kampagne gegen die SPÖ-Pläne zur Mindestsicherung und kritisiert das Wiener Modell scharf.
- Eine syrische Familie in Wien erhält über 6.000 Euro netto pro Monat aus Mindestsicherung und Transferleistungen, was die ÖVP als überzogen ansieht.
- Die ÖVP fordert eine Anpassung der Sozialleistungen an das Modell aus Oberösterreich, das niedrigere Zuschüsse für Mehrkindfamilien vorsieht.
- Berechnungen zeigen, dass die Übernahme des Oberösterreich-Modells zu erheblichen Einschnitten für Familien führen würde, z.B. 5.000 Euro pro Jahr weniger für Familien mit drei Kindern.
- Die Wiener SPÖ verteidigt das aktuelle Modell und lehnt Sozialabbau ab, während die Grünen die ÖVP-Vorschläge zur Staffelung der Richtsätze für Kinder scharf kritisieren.