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Österreich und Schweiz sind "Sky Shield" beigetreten

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihre Schweizer Amtskollegin Viola Amherd haben am Freitag in Bern eine Absichtserklärung zum Beitritt zum "European Sky Shield" unterzeichnet. Die FPÖ forderte indes eine Volksabstimmung.

Die Unterzeichnung der Absichtserklärung zum "Sky Shield" fand im Beisein des deutschen Verteidigungsministers Boris Pistorius und im Rahmen eines trilateralen D-A-CH-Treffens statt. Die Schweiz hat derzeit den Vorsitz in diesem Drei-Länder-Forum inne, das sich regelmäßig trifft. Die "European Sky Shield Initiative" (ESSI) ging vom EU- und NATO-Land Deutschland aus und umfasst nun 19 Länder. 

Nicht bei der deutschen Initiative sind etwa Frankreich, Italien, Spanien, Polen und Kroatien. Paris missfällt, dass dabei nichteuropäische Technologie eingekauft werden soll. Angedacht ist der Kauf von US-amerikanischen Patriot-Systemen sowie dem israelischen Raketenabwehrsystem Arrow 3.

Zusatzerklärung berücksichtig Neutralität

Die Neutralität bedeute, "an keinem Krieg teilzunehmen, keine fremden Truppen auf unserem Gebiet und keinem Militärbündnis beizutreten", erklärte Tanner im Gespräch mit der APA in Bern. "Nichts davon trifft auf diese Absichtserklärung zum 'European Sky Shield' zu".

Darüber hinaus werde in einer Zusatzerklärung festgehalten, dass Österreichs "besondere verfassungsrechtlichen Gegebenheiten berücksichtigt werden". Diese Erklärung sei "gleichlautend" mit jener der neutralen Schweiz.

Pistorius erwarte er "gar nichts"

Pistorius betonte in einer Pressekonferenz mit seinen Amtskolleginnen Klaudia Tanner und Viola Amherd in Bern, dass es sich dabei um "kein Bündnis, sondern eine Beschaffungsinitiative" handle. Er sei "froh", dass Österreich und die Schweiz "die Spielräume", die ihnen die Neutralität lasse, "maximal" ausnützten. Konkret erwarte er "gar nichts".

Die Teilnahme an der von Deutschland initiierten europäischen Luftverteidigungsinitiative bedeute "ein Mehr an Sicherheit, aber keine Abstriche bei der Neutralität". Gleichzeitig bedauerte Pistorius die Entscheidung der Schweiz, wegen ihrer Neutralität 96 Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 nicht an Deutschland zu verkaufen. Sie hätten an die Ukraine geliefert werden sollen und "hätten natürlich sehr viel geholfen", sagte er.

Amherd sprach von sich aus an, dass die von der Schweiz praktizierte Neutralität nicht überall auf Verständnis stoße. Dafür brauche es den Dialog. Amherd erklärte, dass eine weitere Entscheidung für 25 in der Schweiz stillgelegte Leopard-2-Panzer, die die deutsche Rheinmetall zurückkaufen will, vermutlich im Herbst fallen werde. Der Schweizer Nationalrat habe die Außerdienststellung bereits genehmigt, auch der Bundesrat unterstütze dies.

Zusätzliches Kriegsmaterialgesetz

Die Schweizer Neutralität und das Kriegsmaterialgesetz erlauben es Bern nach eigenen Angaben nicht, Kriegsmaterial an Länder zu liefern, die an einem bewaffneten Konflikt beteiligt sind. So lehnte die Regierung in Bern Ende Juni ein Ansuchen des Schweizer Rüstungskonzerns Ruag ab, 96 eingelagerte Panzer an Deutschland zu verkaufen.

Die Kampfpanzer vom Typ Leopard 1 hätten in Deutschland instandgesetzt und an die Ukraine geliefert werden sollen. Anders als Österreich hat die Schweiz ein Minenräumungsgerät in die Ukraine geschickt.

Tanner: "Sky Shield"-Zeitplan "ambitioniert"

"Sky Shield" soll vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine helfen, bestehende Lücken im derzeitigen Schutzschirm für Europa zu schließen. Bereits 2024 soll ein Schutz vor Raketen und Geschossen kleiner und mittlerer Reichweite geboten und 2025 der ganze Schirm aufgespannt werden. Tanner bezeichnete diesen Zeitplan gegenüber der APA als "ambitioniert".

Bereits 2024 soll ein Schutz vor Raketen und Geschossen kleiner und mittlerer Reichweite geboten und 2025 der ganze Schirm aufgespannt werden, sagte Tanner gegenüber der APA in Bern. 

Beitrag Österreichs an "Sky Shield" noch unklar

Die Teilhabe am "Sky Shield" entbindet Österreich laut Tanner allerdings nicht davon, seinen Luftraum aktiv selbst zu schützen und auch die Entscheidungsgewalt zu behalten. Laut Experten ist die Teilnahme Österreichs am "Sky Shield" nur dann mit der Neutralität vereinbar, wenn das Kommando in Österreich bleibt - und nicht etwa dem NATO-Oberbefehlshaber unterstellt wird.

Welchen Beitrag Österreich zu dem Schutzschirm leisten kann, ist derzeit noch nicht klar. Tanner nannte etwa das Radardatensystem "Goldhaube" als eine Möglichkeit.

Österreich tritt "Sky Shield" bei

Kickl forderte Volksabstimmung

FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl forderte unterdessen eine Volksabstimmung. Er kritisierte am Freitag in einer Aussendung, dass die schwarz-grüne Bundesregierung seit Beginn des Ukraine-Kriegs "Schritt für Schritt an der Aushöhlung und Abschaffung" der Neutralität arbeite.

Die Österreicher müssten "in einer Volksabstimmung klar entscheiden können, ob sie für die 'Sky Shield'-Beteiligung und damit den Weg der schwarz-grün-rot-pinken Einheitspartei in Richtung NATO sind oder unsere immerwährende Neutralität, die uns jahrzehntelang Sicherheit, Frieden und Ansehen in der Welt garantiert hat, erhalten wollen", erklärte Kickl. Die SPÖ kritisierte den "Alleingang" der Ministerin, dies sei "nicht zu akzeptieren", sagte Wehrsprecher Robert Laimer.

Mehrheit befürwortet Beitritt

Laut einer OGM-Umfrage für Servus-TV befürworten 52 Prozent der Österreicher den Beitritt zu "Sky Shield", 31 Prozent sind dagegen. 45 Prozent sehen den Beitritt Österreichs mit der Neutralität vereinbar und 39 Prozent sagen jedoch, die Neutralität Österreichs würde dadurch gebrochen werden, wie der Sender in einer Aussendung mitteilte.

ribbon Zusammenfassung
  • Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) und ihre Schweizer Amtskollegin Viola Amherd haben am Freitag in Bern eine Absichtserklärung zum Beitritt zum "European Sky Shield" unterzeichnet.
  • Die Unterzeichnung der Absichtserklärung zum "Sky Shield" findet im Rahmen eines trilateralen D-A-CH-Treffens der Verteidigungsminister von Deutschland, Österreich und der Schweiz statt.
  • Damit sind Österreich und die Schweiz Teil des von Deutschland initiierten Luftverteidigungssystems.
  • FPÖ-Parteiobmann Herbert Kickl forderte unterdessen eine Volksabstimmung